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Straight White Male - Roman

John Niven

 

Verlag Heyne, 2014

ISBN 9783641107253 , 384 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

zwei

»Ich verspreche dir, du hast es bald auf deinem Schreibtisch, Eric. Schneller, als du denkst. Ich weiß genauso gut wie du, dass es allmählich eng wird, aber Kennedy nimmt seine Verpflichtungen ernst. Er nimmt jeden einzelnen Draft ernst. Äußerst ernst. Selbst wenn es ein Polish ist. Obwohl er das Wort ›Polish‹ hasst.«

Braden Childs, Kennedy Marrs leidgeprüfter Manager – und wirklich jeder, der mit Kennedy Marr zu tun hatte, egal ob persönlich oder beruflich, ob Putzfrau, Agent oder Exfrau, hatte das Prädikat »leidgeprüft« mehr als verdient –, lauschte hoffnungsvoll in die Stille am anderen Ende der Leitung. Wenn er diesen Text abspulte, dann tat er das längst mit der lakonischen Zuversicht von Floskeln wie »Hallo, willkommen bei Burger King, darf ich Ihre Bestellung aufnehmen?«. Oder der einer erfahrenen Prostituierten, die ihrem Kunden die »Do’s« und »Dont’s« ihres Service auflistet. Früher hatte er sich gelegentlich gewundert, wie oft er das in Kennedys Namen tun musste. Inzwischen tat er es wie betäubt, fühlte sich dabei wie ein Soldat der Wehrmacht beim Rückzug durch das sowjetische Hinterland: Jeder neue Tag bescherte ihm einen neuen Albtraum.

»Ach ja, er hasst also das Wort ›Polish‹?« Endlich: die Stimme von Eric Joffe, Produzent von Filmen wie Dämonische Mächte und Untreue Erinnerungen. »Hast du auch nur den leisesten Schimmer, wie scheißweit wir mit dem Film im Verzug sind?«

»Du bist aufgebracht, Eric«, erwiderte Braden. »Das kann ich hören.«

»Aufgebracht? Braden, aufgebracht war ich im April. Allmählich laufe ich Gefahr, auszuflippen. Stehe kurz davor, Amok zu laufen. Und komm mir jetzt bloß nicht mit der Writer’s Guild. Dann engagier ich nämlich einen Auftragskiller! DER DREH BEGINNT IM SEPTEMBER, UND ES GIBT IMMER NOCH KEIN VERFICKTES DREHBUCH!«

»Freitag, Eric. Versprochen.«

»Du hörst mir jetzt gut zu: Wenn am Freitag kein UPS-Wagen vor meinem Haus hält und mir das Drehbuch liefert, dann verklage ich dich und deinen Klienten wegen Vertragsbruchs. Auf die zweihundertfünfzigtausend Dollar, die ich diesem irischen Schwanzlutscher bei Unterzeichnung gezahlt habe, und außerdem auf Schadenersatz wegen des verzögerten Drehbeginns. Hast du mich verstanden? Das ist mein voller Ernst. Kein Scherz!«

»Ja, ich hab dich verstanden, Eric. Freitag. Ich melde mich dann später diese Woche.«

»Freitag!«

Klick.

Braden legte den Hörer auf und zeigte ihm den ausgestreckten Mittelfinger. In Wahrheit bereitete ihm Joffe keine allzu großen Sorgen. Der Typ hatte seine beste Zeit hinter sich, hatte seit Ewigkeiten keinen Hit mehr gelandet und war eigentlich nur noch im Geschäft, weil er mit Universal einen Vertrag über drei Filme abgeschlossen hatte. Joffe zog gnadenlos diese lächerliche Nummer mit dem Brüllen und Fluchen durch, wie sie Joel Silver und andere alte Säcke wohl immer noch für zeitgemäß hielten. Er wollte seinem abgehalfterten Thriller einen Hauch von Klasse verleihen, und ein Drehbuch-Polish von jemandem mit Kennedys Reputation schien das für ihn in greifbare Nähe zu rücken. Joffe zahlte eine halbe Million Dollar, bloß um mit Kennedys Namen im Vorspann eines Films zu protzen, der an den Kinokassen vermutlich nicht einen einzigen Cent einbringen würde. Als Braden in seinem Kalender allerdings die Termine des heutigen Nachmittags überflog, stolperte er über einen Namen, der ihm ernsthaft Sorgen bereitete. Große Sorgen.

Scott Spengler.

Die letzten vier von Spengler produzierten Filme hatten allein in den USA ganze 1,2 Milliarden Dollar eingespielt. Er war smart, er war hip, er besaß ein Gespür für kommerzielle Stoffe, und die Stars liebten ihn. Er brüllte und fluchte nicht. Er sorgte bloß stillschweigend dafür, dass man nie wieder ein Angebot bekam, wenn er auch nur den geringsten Einfluss darauf hatte. In einer Stadt, die von Einfluss lebte – und zwar auf Pump –, war das die pure Macht. Spengler hatte Beziehungen. Echte Beziehungen.

»Danny«, rief Braden durch die geöffnete Tür, »kannst du mich mit dem Büro von Scott Spengler verbinden?« Er blickte auf seine Uhr. »Und finde bitte raus, wo zum Teufel Kennedy steckt.« Im Vorzimmer stürzte sich Danny – zweiundzwanzig und Absolvent der UCLA-Filmhochschule – aufs Telefon.

Braden schwang seine abgenutzten Adidas-Sneaker auf den Schreibtisch – Agenten trugen Anzug, Manager Jeans und Turnschuhe – und begann, ein halbes Dutzend Papierstapel zu durchforsten: Kennedys aktuelle Projekte. Neben ihm auf dem Schreibtisch lagen einige Schreiben der Steuerbehörde und ein Bericht von Kennedys Vermögensberater, Craig Baumgarten, der jetzt gerade im Konferenzraum am Ende des Flurs saß und dort wartete. In Bradens Kopf rotierte ein Rolodex voll mit den Namen der Produzenten, Studios und Verlagen, mit deren Aufträgen sie gerade im Verzug waren.

Im Unterschied zu Agenten begleiten und lenken Manager die gesamte Karriere ihres Klienten. Die Aufgabe eines Agenten – in Kennedys Fall war das Jimmy Warr, der drüben im gläsernen Turm von ICT saß – beschränkt sich dagegen darauf, so viele Aufträge wie irgend möglich zu akquirieren. Neben Childs und Warr beschäftigte Kennedy auch noch seine britische Literaturagentin Connie Blatt sowie Stropson & Myers, seine britische Film- und TV-Agentur. Mit Craig Baumgarten von Baumgarten, Finch & Strunk (Vermögens- und Steuerberater) und Bernie Wigram (Rechtsberatung) war das Team, das Kennedy Marrs Karriere plante und optimierte, schließlich komplett.

»Jenny von Scotts Büro auf Leitung zwei«, rief Danny durch die Tür. Braden löste den Blick von einem Romanmanuskript mit dem Titel Unbetitelt, das direkt unter einem Manuskript mit dem Titel Unvollendet lag, nahm den Hörer ab und drückte auf die grün blinkende Taste.

»Hallo, Jenny.«

»Hallo, Braden. Ich habe hier Scott für dich, aus Australien.«

»Alles klar.«

Der große Scott Spengler persönlich, direkt aus dem australischen Busch, wo er gerade einen Film mit Tom und Scarlett drehte. Wer in Hollywood wirklich was zu sagen hatte, der rief einen zurück. Nur ein Gernegroß ließ einen auflaufen – das hatte man schnell raus. »Braden.«

»Hallo, Scott. Entschuldige, dass ich deinen Anruf von heute Morgen verpasst habe. Wie läuft’s denn da unten?«

»Bestens. Pass auf …« Noch so etwas, das die großen Tiere auszeichnete: kein Smalltalk. »… Michael möchte sich mit Kennedy treffen.«

»In Ordnung.«

»Er ist Fan. Möchte bloß mal Hallo sagen.«

»Klasse.« Michael Curzon war sechsundzwanzig und einer der Hauptdarsteller in Spenglers neuestem Film, für den Kennedy das Drehbuch geschrieben hatte. Curzon war angesagt. Auf dem Sprung nach oben. Aber noch kein richtiger Superstar.

»Jenny wird mit dir einen Termin für ein Dinner vereinbaren.«

»Gerne. Ich werde mit Kennedy sprechen, wenn ich ihn nachher sehe.«

»Gut. Und noch was …« Es knisterte und rauschte in der Leitung. Nach einem kurzen Augenblick absoluter Stille konnte Braden den Wind rauschen hören. Er stellte sich vor, wie Spengler vor seinem zweifelsfrei riesigen Trailer am Set auf und ab tigerte. »Julie hat heute Morgen ihren Vertrag unterzeichnet.«

»Ich …« Heilige Scheiße.

»Ich wollte, dass du das erfährst, bevor es morgen in der Branchenpresse steht.«

»Das ist ja … fantastisch! Meinen Glückwunsch, Scott. Das ist … eine Riesensache.«

»Du kannst Kennedy von mir ausrichten, dass sie ihn zu gegebener Zeit kennenlernen möchte.«

»Was bedeutet das für dein Budget?«

»Nach oben offen. Vielleicht hundert Millionen?«

Braden pfiff anerkennend.

»Ich nehme an, die Studios werden den Drehbeginn nun vorziehen wollen. Kennedy ist mit der Neufassung doch hoffentlich im Zeitplan?«

»Selbstverständlich«, log Braden.

»Sehr gut. Wir sprechen uns.«

»Bis bald, Sc…« Klick.

Braden lehnte sich zurück. Erst allmählich erschloss sich ihm die ganze Tragweite des eben Gehörten.

Julie Teal, vermutlich der größte weibliche Star diesseits der dreißig, hatte ihre Mitwirkung an Spenglers Film zugesagt. Budget, Interesse und Erwartungen würden gleichzeitig in die Höhe schießen. Das Studio wollte mit dem Dreh früher als geplant beginnen, um den Film rechtzeitig fürs nächste Weihnachtsgeschäft fertigzustellen. Wie weit war Kennedy mit dem Drehbuch? Und wo zum Teufel steckte er überhaupt? Ein weiterer Blick auf sein schweres ICW-Chronometer: Es war beinahe ein Uhr mittags. Kennedy würde vermutlich nach seiner Ankunft etwas essen gehen wollen. Was bedeutete, dass Braden den Rest des Nachmittags vergessen konnte. »Danny?«, rief er abermals, und...