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Der neue Wohn- und Betreuungsvertrag - Was Betroffene und Angehörige beim Vertragsschluss beachten sollten

Ulrike Kempchen

 

Verlag Verlag C.H.Beck, 2013

ISBN 9783406649691 , 244 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR

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292. Kapitel
 
Der Wohn- und Betreuungsvertrag


Wenn man bereits einen Wohn- und Betreuungsvertrag unterschrieben hat oder einen Vertrag zur Unterzeichnung vorgelegt bekommt, fällt auf, dass es sich mitunter um ein recht dickes, vielseitiges Vertragswerk handeln kann. Dies liegt daran, dass das WBVG genau vorschreibt, was in einem Vertrag geregelt werden muss und welche Vertragsbestandteile vorliegen müssen, damit das zu unterzeichnende Schriftstück einen ordnungsgemäßen Wohn- und Betreuungsvertrag darstellt. Da kommt schon einiges an Papier zusammen.

Hinzu kommt, dass dem Verbraucher eine Ausfertigung des vollständigen Vertrags ausgehändigt werden muss. Der Verbraucherschutz geht soweit, dass das Vertragsverhältnis noch gar nicht richtig zu laufen beginnt, bevor der Verbraucher ordnungsgemäß über alle Details des Lebens in einer Einrichtung aufgeklärt ist und eine Ausführung der getroffenen Vertragsvereinbarungen in Schriftform erhalten hat.

Gemäß § 11 WBVG hat der Verbraucher, der in eine Wohn- und Betreuungseinrichtung zieht, das Recht, innerhalb von 14 Tagen nach Einzug in die Einrichtung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist wieder auszuziehen, wenn es ihm dort nicht gefällt. Dem Verbraucher soll damit eine Art „Probewohnen“ ermöglicht werden. Hat aber der Verbraucher noch kein Exemplar des unterzeichneten Vertrags nebst allen Anlagen, die Bestandteil des Vertrags geworden sind, an die Hand bekommen, beginnen diese 14 Tage erst zu laufen, sobald er 30seine vollständige Vertragsausfertigung ausgehändigt bekommen hat. Das WBVG soll den Verbraucher auf diese Weise davor schützen, sich in eine vertraglich geregelte Abhängigkeit zu begeben, ohne „etwas in der Hand zu haben“. Das ist selbst dann der Fall, wenn der Verbraucher z. B. bereits einen Monat in der Einrichtung wohnt.

Wichtig!

Erst, wenn der Verbraucher eine Vertragsausfertigung nebst Anlagen erhalten hat, beginnt die 14-tägige Frist des „Probewohnens“.

Diese Regelung wurde vor dem Hintergrund geschaffen, dass der Verbraucher erst dann, wenn ihm alle vertraglichen Vereinbarungen in schriftlicher Form vorliegen, in die Lage versetzt wird, das Leistungsangebot in der Einrichtung zu überprüfen und die Vereinbarungen zu reflektieren. Nur auf diese Weise kann er vergleichen, ob er tatsächlich alle Leistungen erhält und wahrnehmen kann, die vereinbart wurden. Es ist daher wichtig zu wissen, welche Bestandteile regelmäßig zu einem ordnungsgemäßen Wohn- und Betreuungsvertrag gehören, welche dieser Bestandteile zwingend erforderlich sind und wie die einzelnen Vertragsklauseln ausformuliert sein können.

I. Die Bestandteile eines Wohn- und Betreuungsvertrags


Die meisten Vertragswerke bestehen aus mehreren Teilen. Diese können entweder einzeln vorgelegt werden oder in einem Gesamtvertrag zusammengefasst sein. Die Vertragsbestandteile eines Wohn- und Betreuungsvertrags sind in der Regel:

  • die vorvertraglichen Informationen,
  • der Vertrag selbst,
  • Anlagen zu bestimmten Themenbereichen, die der besonderen Hervorhebung oder Auflistung bedürfen.

Dieser Aufbau eines Wohn- und Betreuungsvertrags ist nicht zwingend, hat sich aber in der Praxis bewährt, da auch die Einrichtungen 31und ihre Träger ein Interesse daran haben, dass ihre Vertragswerke den gesetzlichen Regelungen entsprechen.

1. Die vorvertraglichen Informationen


Mit Abschluss des Wohn- und Betreuungsvertrags bindet sich der Verbraucher auf unbestimmte Zeit und begibt sich in Abhängigkeit zu anderen Menschen. Dies ist u. U. auch bei anderen langfristig vereinbarten Rechtsverhältnissen der Fall. Hier begibt sich aber ein hilfebedürftiger oder behinderter Mensch in die Obhut eines anderen. Umso wichtiger ist es daher, dass dem Verbraucher vor Vertragsschluss bewusst ist, für was er sich entscheidet, welche Rechte er hat und welche Verpflichtungen er dafür eingeht. Er soll in Ruhe abwägen können, ob das Angebot seinen Wünschen und Erwartungen entspricht.

Auch die finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen sollten in diese Überlegungen miteinbezogen werden. Plätze in stationären Einrichtungen sind teuer und in der Regel größtenteils selbst zu bezahlen. Dem Unternehmer ist daher seitens des Gesetzgebers die Pflicht auferlegt worden, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher rechtzeitig vor Abschluss eines Wohn- und Betreuungsvertrags darüber aufgeklärt wird, welche Leistungen er erwarten darf, was diese kosten und was im Falle einer Veränderung der Vertragsgrundlagen passiert. Diese vorvertraglichen Informationen werden später bei Abschluss des Vertrags Bestandteil des Vertrags. Der Verbraucher kann sich, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde, auf die vorvertraglichen Informationen berufen. Da Papier aber bekanntlich geduldig ist und bunte Prospekte und Informationen häufig mehr versprechen, als sie halten, legt das WBVG genau fest, in welcher Form und worüber der Unternehmer die Verbraucher vorvertraglich informieren muss.

§ 3 WBVG Informationspflichten vor Vertragsschluss

(1) Der Unternehmer hat den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in Textform und in leicht verständlicher Sprache über sein allgemeines Leistungsangebot und über den wesentlichen Inhalt seiner für den Verbraucher in Betracht kommenden Leistungen zu informieren.

32(2) Zur Information des Unternehmers über sein allgemeines Leistungsangebot gehört die Darstellung

  1. der Ausstattung und Lage des Gebäudes, in dem sich der Wohnraum befindet, sowie der dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienenden Anlagen und Einrichtungen, zu denen der Verbraucher Zugang hat, und gegebenenfalls ihrer Nutzungsbedingungen,
  2. der darin enthaltenen Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang,
  3. der Ergebnisse der Qualitätsprüfungen, soweit sie nach § 115 Absatz 1a Satz 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder nach landesrechtlichen Vorschriften zu veröffentlichen sind.

(3) Zur Information über die für den Verbraucher in Betracht kommenden Leistungen gehört die Darstellung

  1. des Wohnraums, der Pflege- oder Betreuungsleistungen, gegebenenfalls der Verpflegung als Teil der Betreuungsleistungen sowie der einzelnen weiteren Leistungen nach Art, Inhalt und Umfang,
  2. des den Pflege- oder Betreuungsleistungen zugrunde liegenden Leistungskonzepts,
  3. der für die in Nummer 1 benannten Leistungen jeweils zu zahlenden Entgelte, der nach § 82 Absatz 3 und 4 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gesondert berechenbaren Investitionskosten sowie des Gesamtentgelts,
  4. der Voraussetzungen für mögliche Leistungs- und Entgeltveränderungen,
  5. des Umfangs und der Folgen eines Ausschlusses der Angebotspflicht nach § 8 Absatz 4, wenn ein solcher Ausschluss vereinbart werden soll.

Die Darstellung nach Satz 1 Nummer 5 muss in hervorgehobener Form erfolgen.

(4) Erfüllt der Unternehmer seine Informationspflichten nach den Absätzen 1 bis 3 nicht, ist § 6 Absatz 2 Satz 2 und 3 entsprechend anzuwenden. Weitergehende zivilrechtliche Ansprüche des Verbrauchers bleiben unberührt.

(5) Die sich aus anderen Gesetzen ergebenden Informationspflichten bleiben unberührt

Der Gesetzestext zeigt, dass der Unternehmer ganz genau darstellen muss, was der Verbraucher bei Einzug in die Wohn- und Betreuungseinrichtung im Allgemeinen und individuell erwarten darf. Sollte es später zu einem Rechtsstreit kommen, kann der Verbraucher sich auf diese vorvertraglichen Informationen berufen und auf die Umsetzung des dargestellten Leistungsangebots bestehen.

Ob diese Informationen in Form eines ansprechenden Hausprospekts dargestellt werden oder lediglich eine Abfassung auf weißem 33Papier sind, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, dass die vorvertragliche Information

  • schriftlich erfolgt,
  • in leicht verständlicher Sprache und
  • dem Verbraucher vor Unterzeichnung des eigentlichen Vertragswerks ausgehändigt wird.

So soll gewährleistet werden, dass der Verbraucher wirklich versteht, was er vereinbart und ihm bewusst wird, wie wichtig diese Informationen sind. Gerade beispielsweise in der Behindertenhilfe ist es wichtig, die Sprache leicht verständlich zu machen und von dem typischen „Vertragsdeutsch“ abzuweichen.

Inhaltlich muss die vorvertragliche Information darstellen,

  • was zu dem allgemeinen Leistungsangebot der Einrichtung gehört sowie
  • welche konkret auf den Verbraucher abgestimmten Leistungen für den Verbraucher erbracht werden sollen und welches Entgelt dafür zu zahlen ist.

So weiß der Verbraucher, was er nach Einzug in die Einrichtung...