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Die obere Halswirbelsäule - Pathophysiologie und Klinik

Manfred Hülse, Winfried Neuhuber, Hanns-Dieter Wolff

 

Verlag Springer-Verlag, 2005

ISBN 9783540282501 , 240 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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89,99 EUR


 

2 Aktuelle Probleme (S. 13)

H.-D. Wolff
Im Mittelpunkt dieses Buches steht die These, dass der kraniozervikale Übergang mit dem Kopfgelenkbereich eine Sonderstellung im Bewegungssystem einnimmt. Diese Sonderstellung unterscheidet die oberste HWS (0/C1 bis C2/3) nicht nur von der »klassischen« HWS (C2/3 bis C6/7) sondern von der ganzen Wirbelsäule. Ihre Einzigartigkeit betrifft nicht nur die Anatomie und die Gelenkmechanik sondern auch die muskuläre und die neurophysiologische Ausstattung dieser Region. Hinzu kommt, dass die Neurophysiologie des Nackens auf vielfältige Art mit wichtigen Steuerungsinstanzen im Gehirn vermascht ist.

Die Summation von Besonderheiten findet eine einleuchtende Erklärung in der Entwicklungsgeschichte der Vertebraten (Wirbeltiere), in der vor ca. 400 Mio. Jahren bei der Besiedelung der Erde der Schädel von der oberen HWS gelöst wurde, weil die feste Kopf-Hals-Verzurrung hinderlich geworden war (7 s. Kap. Phylogenese). Die These von der Sonderstellung des kraniozervikalen Übergangs ist also kein beliebiges theoretisches Konstrukt. Sie ist ein Jahrhunderte altes heilerisches Erfahrungsgut.

Sie ist dann in den beiden letzten Jahrhunderten zu einem in sich geschlossenen systemtheoretischen Konzept ausgebaut worden. Dieser Wissens- und Erfahrungsgewinn hat sich bis heute – trotz aller noch ungeklärter Probleme als verlässliches Fundament eines speziellen, diagnostischen und therapeutischen Handelns bewährt. Vor allem dann, wenn der kraniozervikale Übergang gestört oder verletzt ist, zeigt sich am eindrucksvollsten, wie vielfältig und beeinträchtigend die Schmerzen und Symptome dieser Region sind.

Die klinische Folge solch einer Störung ist das zervikoenzephale Syndrom. Dieses komplexe und vielgestaltige Symptomenbündel ist leider nur wenig bekannt. Von einigen Autoren wird die Existenz dieses Syndroms in Frage gestellt, wenn nicht gar ganz geleugnet. Der mangelnde Bekanntheitsgrad ist für die betroffenen Patienten eine folgenreiche – unnötige – Erfahrung. Jeder Patient hat normaler Weise einem Umkreis von ca. 5o km seine Fachärzte und Krankenhäuser.

Die Patienten mit hochzervikaler Symptomatik jedoch machen oft eine jahrelange Odyssee durch die verschiedensten Fachpraxen, Kliniken und Kuren durch, bevor sie Hilfe finden. Fragt man, welche Probleme hier derzeit am dringlichsten sind, dann stehen die Unfallfolgen bei Verkehrsopfern mit gravierenden Traumatisierungen des Kopfgelenkbereiches im Vordergrund.

Diese Problematik zieht sich als roter Faden durch alle klinischen Beiträge. Auf diese viel zu wenig bekannten Zusammenhänge sei von Anfang an aufmerksam gemacht, unabhängig davon, dass die speziellen Hinweise erst später folgen. Aktuelle Informationen belegen, dass ca. 500.000 entsprechend verunfallte Verkehrsopfer (»Schleuderverletzungen «) pro Jahr in der Bundesrepublik zu beklagen sind (ADAC 2002).

Es kann davon ausgegangen werden, dass ca. 80% dieser Verletzten in wenigen Wochen oder Monaten geheilt sind. Auf keinen Fall aber darf dabei übersehen werden, dass im Gegensatz dazu ca. 15–20% dieser Verunfallten keine rasche Heilung finden. Bei ihnen kommt es zu unverhältnismäßig schweren klinischen Unfallfolgen und verlängerten Krankenzeiten. Sie gehen nicht selten einer therapieresistenten Krankheitskarriere entgegen. Bei solchen Patienten finden sich in weit überwiegender Zahl funktionelle und/oder somatische Störungen und Leistungsdefizite im kraniozervikalen Übergang.

Es waren und sind vor allem diese Patienten und ihre Schicksale, die uns nach 20 bis 30 Jahren praktischer Erfahrungen mit ihnen veranlasst haben, das uns verfügbare theoretische und praktische Wissen hier vorzulegen.