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Der 7. Patient - Steiners zweiter Fall

Martin Olden

 

Verlag mainebook Verlag, 2014

ISBN 9783944124353 , 149 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR


 

2


„Hände hoch, Herr Steiner!“

Walter Baumanns bärige Stimme hallte durch den Keller des Frankfurter Polizeipräsidiums. Hauptkommissar Bernd Steiner sah sein schwergewichtiges Gegenüber verständnislos an. Baumann lachte schallend. „Ich kann`s nicht lassen. Wenn ihr Jungs vor mir steht, muss ich einfach diesen Spruch los werden“, sagte der Leiter der Schießausbildung und Verwalter der Waffenkammer. „So, nun zeigen Sie mal Ihre hübschen Patschhändchen, Herr Kommissar! Wir wollen schauen, welche Griffgröße zu Ihnen passt. Schließlich soll Ihnen Ihre neue Dienstwaffe nicht aus der Hand fallen, wenn Sie das Ding benutzen müssen. Was Gott verhüten möge!“

Steiner streckte seine breiten Hände aus.

„Niedlich! Wie zwei Klodeckel. Da nehmen wir Größe L“, meinte Baumann und gab Steiner einen Wink, ihm zu folgen. Sie gingen zu einem breiten Regal, angefüllt mit Rollcontainern. Davor stand ein Tisch mit einem Registriergerät, das entfernt an eine Scannerkasse im Supermarkt erinnerte.

„Früher, bei der alten SIG Sauer, gab`s nur Einheitsgrößen. Aber seit wir vor drei Jahren auf die neuen Modelle umgestiegen sind, haben wir verschiedene Griffstücke im Angebot. S, M und L. Ich komme mir manchmal vor wie ein Verkäufer beim Herrenausstatter“, sagte Baumann, während er einen der Container aufzog und eine Pistole des Typs Heckler & Koch entnahm. Achtzehn Zentimeter lang, siebenhundert-vierzig Gramm schwer. Er gab die Waffe an Steiner weiter. „Hier! Probieren Sie mal!“

Der Kommissar steckte die Heckler & Koch in das leere Holster am Gürtel seiner ausgewaschenen Jeans. Lautlos zählte Steiner bis drei. Dann zog er. Ehe Baumann blinzeln konnte, zielte die Mündung bereits auf einen Punkt zwischen seinen Augen.

Ein breites Grinsen erschien unter Steiners braunem Schnauzbart.

„Passt“, sagte er zu dem respektvoll nickenden Waffenmeister.

„Donnerwetter. Sie sind wirklich schnell. Der Ruf eilt Ihnen ja schon voraus“, sagte Baumann zähneknirschend.

„Welcher Ruf? Dass ich flinke Finger habe?“, fragte Steiner amüsiert.

„Nein. Der Ruf, dass Sie den Abzug ganz gerne benutzen. Das ist der allgemeine Küchenklatsch. Sie waren zuletzt in Afghanistan, stimmt das?“

„Ja. Sechs Monate. Um Polizisten auszubilden. German-Police-Project-Team nennt sich das hochgestochen. Wir haben den afghanischen Jungs gezeigt, wie man Verkehrskontrollen durchführt, nach Drogen und Sprengstoff sucht und wie man sich in brenzligen Situationen verhält. War nicht einfach. Viele von denen hatten Mühe, gleichzeitig zu laufen und die Waffe richtig zu halten.“ Grinsend fuhr Steiner fort: „Spannend war es auch. Man wusste nämlich nie, wann man auf eine Mine tritt oder ein Terrorist aus dem Hinterhalt auf einen anlegt. Viel Schlimmer als das, war aber der Gestank. Die Muselmanen da unten benutzen kein Klopapier. Die hocken sich an den Straßenrand, ziehen ihren Kaftan hoch und kacken. Danach lassen sie ihren Frack wieder runterrutschen, egal ob sie ihn dabei beschmieren oder nicht.“

„Igitt“, sagte Baumann.

„Von Hygiene haben die genauso wenig gehört wie von Logistik und Organisation. Aber die Hand aufhalten können sie. Die Korruption blüht überall. Und keiner weiß, wie viele von den Typen, die wir geschult haben, später die Seiten wechseln und auf deutsche Soldaten ballern“, meinte Steiner. „Die müssen eine Infrastruktur für die armen Schweine schaffen, ihre Gehälter anheben, um ihnen eine Perspektive zu geben. Darum sollten sich die Politiker kümmern. Das wäre wichtiger, als Waffen und Munition zu liefern. Ehrlich, ich war froh, als ich wieder im Flieger nach Hause saß.“

„Warum haben Sie diesen Job überhaupt angenommen?“

„Tja, warum macht man sowas?“, sagte Steiner sinnierend. „Damals hab ich es für eine glänzende Idee gehalten. In München steckte ich in einer Sackgasse. Kam mit dem Chef nicht mehr klar. Keine Chance aufs Weiterkommen. Es hieß, wenn ich freiwillig zu den Afghanen gehe, kann ich hinterher mit einer Beförderung rechnen. Auf eine leitende Stelle versetzt werden. Weg von der Front und den Drecksäcken. Hätte mir ganz gut getan, glaub ich. Bin schon zu lange dabei. Hab zu viel Mist gesehen. Da stumpft man ab.“ Steiner sah Baumann durchdringend an. „Die Instinkte sind noch da, aber das Feuer geht langsam aus, wissen Sie? Das Interesse an den Menschen, mit denen man es zu tun bekommt, erlischt allmählich. Und das ist nicht gut für den Job. Man ist nicht mehr so sorgfältig wie früher, muss sich häufiger selbst in den Arsch treten, um die Konzentration hochzuhalten.“

Baumann nickte und fragte: „Warum haben Sie den leitenden Posten nicht bekommen?“

„Weil mich die hohen Herren verschaukelt haben. Ich bin immer noch Schütze Arsch im letzten Glied. Es gab nur Luftveränderung. Vom Dezernat in München nach Frankfurt.“

„Um den alten Manfred Gärtner abzulösen“, meinte Baumann.

„Manni war ein prima Polizist“, sagte Steiner und auf seine stahlblauen Augen legte sich für einen Moment ein Schleier der Wehmut. „Schade, dass so einer aufhören muss. Den kann keiner ersetzen.“

„Ach ... dann kennen Sie Hauptkommissar Gärtner? Haben Sie früher mit ihm gearbeitet?“, fragte Baumann.

Bernd Steiner nickte. „Ja, ich gehörte zu seiner Einheit, als ich ganz frisch bei der Truppe war. Ich hab das eine oder andere von ihm gelernt. Manni war nie ein Paragraphenreiter. Der ließ auch mal Fünfe gerade sein und hat hingelangt, wenn es sein musste. Und es gibt Augenblicke, da muss es sein.“

„Das heißt, für Sie ist das hier in Frankfurt gar kein Neuanfang, sondern mehr so `ne Art Rückkehr. Davon wusste ich gar nichts“, meinte Walter Baumann irritiert.

„So zuverlässig war der Küchenklatsch also doch nicht, was?“, antwortete Steiner mit schiefem Lächeln. „Fürs Protokoll: Ich komme aus einem kleinen Kaff bei Limburg und meine ersten Jahre bei der Kripo habe ich in Frankfurt abgerissen. Ich war mit sämtlichen Zuhältern und Dealern vom Flughafen bis rauf nach Harheim auf du und du. Schließlich sahen wir uns regelmäßig, so oft wie ich die Brüder einwandern ließ. Tja, und dann brauchten die Kollegen in München Verstärkung, um die Stadt zu säubern.“

„Was Sie ordentlich erledigt haben, wie man munkelt. Jeden Täter überführt, wie?“

Steiner winkte ab. „Ich hatte ein gutes Team hinter mir. Das hat die Sache erleichtert. Es ist wichtig, dass du einen Partner an der Seite hast, der weiß, wann er dir Rückendeckung geben muss.“

Karol Makourek war ein Mann dieses Kalibers gewesen, dachte Steiner. Er vermisste den baumlangen, meist gut gelaunten Tschechen schon jetzt. Wenn er ihn doch nur überreden könnte, seine Zelte in München abzubrechen und sich nach Frankfurt abkommandieren zu lassen.

Walter Baumann strich nachdenklich durch seinen schwarzen Vollbart. „Bin gespannt, wie Sie mit unserem jungen Kommissar Rösner zurechtkommen. Er war nämlich der Adjutant von Gärtner. Rösner und Sie ... das dürfte interessant werden.“ Augenzwinkernd fügte er hinzu: „Aber erschießen Sie ihn nicht gleich am ersten Tag, okay?“

„Geht schlecht. Ohne Magazin“, sagte Steiner mit einem Blick auf die leere Munitionskammer der Heckler & Koch.

„Kriegen Sie sofort. Erst mal wird das Baby gescannt und die Waffennummer notiert“, entgegnete Baumann und zog das elektronische Registriergerät über den Griff der Pistole. „Damit wir wissen, welcher Colt zu welchem Cowboy gehört. Gell, Herr Kommissar?“

„Keine Sorge“, sagte Steiner grinsend. „Glauben Sie nicht sämtlichen Gerüchten. Ich scheiße öfter als ich schieße.“

Baumann lachte herzlich. „Das will ich hoffen!“

Er wies mit einem fleischigen Finger den Kellerflur hinunter. „Ich möchte aber trotzdem sehen, was Sie können. Kommen Sie, wir gehen auf die Schießbahn!“

Steiner folgte Baumann in einen schalldichten Raum, an dessen Wänden doppelseitige Kunststoffmatten befestigt waren. Davor standen mannshohe Pappen mit den aufgemalten Konturen eines Menschen.

„Sehen aus wie Ampelmännchen unsere Zielschieben, nicht wahr?“, fragte Baumann schmunzelnd, reichte Steiner Ohrenschützer und eine kugelsichere Weste.

Der Kommissar machte eine ablehnende Geste. „Die hatte ich im letzten halben Jahr auf den Straßen von Kundus oft genug an. Damit komm ich mir vor wie beim Seerettungslehrgang. Und meine...