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Klartext. - Für Deutschland

Jürgen Möllemann

 

Verlag C. Bertelsmann, 2003

ISBN 9783894807986 , 235 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

  • Mord im Nordwind
    Mein deutsches Dschungelbuch
    Russendisko
    Der Fluch des neuen Jahrtausends - Eine Bilanz
    Gewalt wandeln: Das Anti-Aggressivitäts-Training AAT

     

     

     

     

 

 

Der Flyer und der Springer (Seiten 102 - 103)

Die Bedeutung der Fallschirmjäger als Elite- und Spezialeinheiten ist genauso dem Wandel unterworfen wie die Militärstrategie insgesamt. Aber eines dürfte sich nie ändern: Fallschirmjäger werden dorthin geschickt, wo übliche Mittel versagen. So eine Erziehung prägt. Schon bei der Frage, wer dort freiwillig hingeht, beginnt die Auswahl. Denn nur, wer über eine eigenständige Lagebeurteilung und den selbstständigen Entschluss zum Handeln verfügt, kann nach dem Absprung, wenn er auf sich allein gestellt ist, entscheiden, was zu tun ist.

In dieser Lage habe ich mich mehrfach befunden: 1998 am Ende der Ära Kohl, 2000 im Landtagswahlkampf Nordrhein-Westfalen und spätestens zwei Monate vor der Bundestagswahl im Herbst 2002. Die Nie-derlage konnte greifen, wer politisches Gespür besaß. Schröder hatte dank Flutkatastrophe und Irak-Krieg das Ruder herumgerissen. Unserer Führung dagegen war es unter dem Flächenbombardement der Medien (Stichwort: »Antisemitismusstreit«) und dem Begleitbeschuss der leichten Medien-Artillerie (Stichwort: »Spaßpartei«) endgültig aus der Hand geglitten.

Damals legte ich der FDP-Führung im Präsidium meine Gegenmaß-nahmen vor: Wir sollten einen Doppelbeschluss der UNO verlangen, der Israel und den Irak ultimativ und unter Androhung von - selbstverständlich völlig unterschiedlichen - Sanktionen auffordern sollte, die an sie gerichteten Resolutionen des UN-Sicherheitsrates voll einzuhalten. Von der Bundesregierung aber sollten wir verlangen, ihre erklärte Ablehnung einer Teilnahme am Irak-Krieg durch den Abzug der Spürpanzer und Besatzungen aus Kuwait unter Beweis zu stellen.

Niemand im Präsidium schien das für politisch falsch zu halten. Gleichwohl wagte sich niemand an das Thema ran. Man könnte sich ja den Mund verbrennen! Und wozu auch? Für die Regierungsmehrheit mit den Schwarzen würde es schon reichen. Wieso sollte man sich da auf Positionen festlegen, zu denen man auch nach den Wahlen hätte stehen müssen, die aber bei den Koalitionsverhandlungen vielleicht nicht durchzusetzen gewesen wären? Volle Deckung war angesagt, nicht voller Einsatz. Diese Leute dachten immer nur an die Tage und Wochen nach der Wahl - ich dachte ans Gewinnen.

Etwa 50000 Briefe hatten mich von Mai bis Juli erreicht, darunter nur wenige, an deren Zustimmung mir nicht lag. Nein, aus der soliden Mitte der Gesellschaft kamen sie, oft mit dem Zusatz des Absenders, er gehöre der SPD, den Grünen, der CDU an oder sei ein Nichtwähler - den Zahlen nach in dieser Reihenfolge. Und sie alle sagten: Bleiben Sie bei Ihrer Haltung. Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Setzen Sie sich in den eigenen Reihen durch. Dann wählen wir Sie. Aber nur dann.

Die Verfasser dieser Briefe waren weder Antisemiten, noch entstammten sie den extremen Rändern des Parteienspektrums. Vielmehr waren es Menschen wie du und ich. Frieden in ihrem Vorgarten wollten sie, ihrem Zuhause - und vor unserer Haustür. Kein Hass sprach aus ihren Zeilen, keine Beschimpfung, sondern einfach nur die Verzweiflung über die mutlose und verlogene Politik so vieler Politiker in allen Parteien.

Angesichts dieser Zuschriften habe ich mir meinen Einsatzauftrag selbst gegeben, ganz im Geiste der Fallschirmjäger: Mit meinem Flyer, dem Flugblatt, wollte ich den etwa 50000 Briefschreibern und den zahllosen Besuchern meiner Veranstaltungen, all den Menschen, die repräsentativ für Millionen andere stehen, die Botschaft vermitteln: »Ich lasse mich nicht einschüchtern. Ich werde meine Stimme auch in Zukunft erheben, wo mir Gefühl und Verstand sagen, das musst du tun. Erst recht, wenn es die anderen nicht tun. Wählt FDP, auch wenn ich mich in meiner eigenen Partei erst noch durchsetzen muss.«

Ich habe in den Wochen meines Krankseins gründlich überlegt: Hätte ich den Flyer sein lassen sollen? War es falsch, ihn nicht in den Gremien zu diskutieren? (...)