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Winnetou II - Karl May´s Gesammelte Werke Band 8

Karl May

 

Verlag Karl-May-Verlag, 2001

ISBN 9783780217080 , 560 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR


 

16. Alte Liebe und alter Hass (S. 441-442)

Es war früh am anderen Tag. Noch hatten die Strahlen der Sonne nicht die Spitzen der umliegenden Berge be- rührt und tiefe Ruhe herrschte im Lager. Ich aber war längst schon wach und auf den Felsen gestiegen, wo ich am vor- gestrigen Abend Harry wiedergefunden hatte. Unten im Tal wälzten sich dichte Nebelballen um die Büsche, oben aber war die Luft rein und klar und wehte mir mit ermunternder Kühle um die Schläfen.

Drüben hüpfte ein Kernbeißer unter Brombeerranken auf und ab und lockte mit schwellender, pfirsichroter Kehle sein unfolgsames Weibchen. Etwas tiefer saß ein blaugrauer Kat- zenvogel und unterbrach seinen Gesang zuweilen durch einen drolligen, miauenden Schrei und von unten herauf tönte die wundervolle Stimme des Entenvogels, der am Schluss jeder Strophe seiner musikalischen Fertigkeit mit einem langen Entengeschnatter sich selbst Beifall zollte.

Meine Gedanken aber waren weniger bei dem Frühkonzert der Vögel als vielmehr bei den Erlebnissen des vorher- gegangenen Tages. Nach dem Bericht eines unserer Jäger, der, still durch die Waldungen schleichend, die Poncas auch bemerkt hatte, waren die Roten in noch größerer Zahl versammelt, als wir angenommen hatten; denn er war unten in der Ebene an einem zweiten Lagerplatz vorübergekommen, wo sich auch die Pferde befanden. Es war also mit Bestimmtheit anzunehmen, dass sich ihr Kriegszug nicht gegen einzelne Personen, sondern gegen die ganze Niederlassung richtete, und so war unsere Lage heikel.

Wir hatten gleich nach unserer Heimkehr eine Beratung gehalten über die Schritte, die zu unternehmen seien. Nach- dem verschiedene Vorschläge gemacht und wieder verwor- fen worden waren, einigten wir uns dahin, dass unbedingt versucht werden sollte, die Besatzung von Fort Randall zu verständigen und um Entsatz zu bitten. Das Fort war, wenn die Pferde der Boten nicht geschont wurden, in einem Tag zu erreichen, und wenn alles gut ging, konnte die Hilfe übermorgen eintreffen.

Dick Stone und Will Parker erhielten den Auftrag, die Meldung zu überbringen, und zehn Minuten später tra- ten die Freunde ihren gefährlichen Ritt an. Die übrigen Vorbereitungen gegen den erwarteten Über- fall hatten den gestrigen Nachmittag und Abend so gänz- lich ausgefüllt, dass wir keine Zeit gefunden hatten, über das Schicksal unseres Gefangenen eine Bestimmung zu treffen. Er lag wohlgebunden und gut bewacht in einer der Felsenkammern und vorhin erst, gleich nach meinem Erwachen, hatte ich mich von der Zuverlässigkeit seiner Fesseln überzeugt. Die nächsten Tage, vielleicht schon die nächsten Stun- den mussten uns wichtige Entscheidungen bringen und ich überdachte eingehend meine gegenwärtige Lage, als ich durch nahende Schritte aus dem Sinnen wachgerufen wurde.