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Die fernen Stunden - Roman

Kate Morton

 

Verlag Diana Verlag, 2010

ISBN 9783641052775 , 736 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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1
29. Oktober 1941
Eins war sicher: Es würde kein Mond scheinen in dieser Nacht. Der Himmel war schwer, ausgedehnte Flächen aus Grau, Weiß und Gelb, wild ineinandergerührt wie auf der Palette eines Malers. Percy rollte die Zigarette zwischen den Fingern hin und her und leckte das Blättchen an, um es zuzukleben. Ein Flugzeug dröhnte am Himmel, eins der ihren, ein Aufklärer unterwegs nach Süden, zur Küste. Natürlich mussten sie einen Aufklärer losschicken, aber er würde nichts zu berichten haben, nicht in einer solchen Nacht, nicht jetzt.
Von dort, wo sie an den Ambulanzwagen gelehnt stand, verfolgte Percy das Flugzeug mit zusammengekniffenen Augen – ein braunes Insekt, das kleiner und kleiner wurde. Vom anstrengenden Hinsehen musste sie gähnen, und sie rieb sich die Augen, bis sie angenehm brannten. Als sie sie wieder öffnete, war das Flugzeug verschwunden.
»He! Beschmier mir nicht meine polierte Kühlerhaube und den Kotflügel, du Faulenzerin!«
Percy drehte sich um und legte den Ellbogen auf das Wagendach. Es war Dot, die grinsend aus der Tür des Lazaretts trat.
»Du solltest mir dankbar sein«, rief Percy. »So brauchst du in deiner nächsten Schicht keine Däumchen zu drehen.«
»Stimmt auch wieder. Oder der Chef lässt mich schon wieder Geschirrtücher waschen.«
»Oder du darfst den Sanitätern noch mal den Umgang mit Krankentragen erklären.« Percy hob eine Braue. »Könnte es etwas Besseres geben?«
»Zum Beispiel die Verdunkelungsvorhänge flicken.«
Percy verzog das Gesicht. »Wie entsetzlich.«
»Wenn du lange genug hierbleibst, hast du früher oder später eine Nähnadel in der Hand«, prophezeite Dot und lehnte sich neben Percy an den Wagen. »Viel mehr gibt’s hier nicht zu tun.«
»Er hat also schon Nachricht erhalten?«
»Die Jungs von der Air Force haben sich eben gemeldet. Nichts am Horizont, nicht heute Nacht.«
»Das hab ich mir schon gedacht.«
»Aber es ist nicht nur das Wetter. Der Offizier sagt, die verfluchten Deutschen sind inzwischen zu sehr mit ihrem Marsch nach Moskau beschäftigt, um sich noch für uns zu interessieren.«
»Die müssen schön dumm sein«, bemerkte Percy, während sie ihre Zigarette betrachtete. »Der Winter ist längst vor denen da.«
»Ich nehme an, du hast trotzdem vor zu bleiben, die Nervensäge zu spielen und darauf zu hoffen, dass sich doch noch ein deutscher Bomber hierherverirrt und aus Versehen eine Ladung in der Nähe abwirft?«
»Ich hatte es in Erwägung gezogen«, erwiderte Percy, steckte die Zigarette ein und schlang sich ihre Tasche über die Schulter. »Aber ich hab’s mir anders überlegt. Heute Nacht könnte mich nicht mal eine Invasion dazu bringen, dass ich hierbleibe.«
Dots Augen weiteten sich. »Was hat das denn zu bedeuten? Hat dich ein gut aussehender junger Mann zum Tanz eingeladen?«
»Leider nicht. Aber trotzdem gute Neuigkeiten.«
»Ach?«
Der Bus kam, und Percy musste schreien, um den Motor zu übertönen, als sie einstieg. »Meine kleine Schwester kommt heute Abend nach Hause.«
 
Percy war genauso wenig für Krieg wie alle anderen – sie hatte sogar häufiger als die meisten Gelegenheit gehabt, Zeugin der Schrecken zu werden, die er mit sich brachte -, und deswegen hatte sie selbstverständlich nie zu jemandem über die seltsame Enttäuschung gesprochen, die sie in sich spürte, seit die nächtlichen Bombenangriffe aufgehört hatten. Natürlich war es vollkommen absurd, sich nach Bedrohung und Zerstörung zurückzusehnen; alles andere als vorsichtiger Optimismus war schon fast ein Sakrileg, und doch brachte sie seit Monaten eine fürchterliche Gereiztheit um den Schlaf, wenn sie mit geübten Ohren in den stillen Nachthimmel lauschte.
Wenn es etwas gab, worauf Percy stolz war, dann war es ihre Fähigkeit, in jeder Lebenssituation pragmatisch vorzugehen – irgendjemand musste es schließlich tun -, und so hatte sie sich entschlossen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Eine Möglichkeit zu finden, die kleine Uhr zum Schweigen zu bringen, die in ihr tickte, ohne je schlagen zu dürfen. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen, in denen sie sorgfältig darauf geachtet hatte, sich ihren labilen inneren Zustand nicht anmerken zu lassen, hatte Percy ihre Situation überdacht, ihre Gefühle aus allen Blickwinkeln durchleuchtet und war schließlich zu der Erkenntnis gelangt, dass sie ziemlich eindeutig verrückt war.
Es war zu erwarten gewesen; Wahnsinn lag ebenso in der Familie wie künstlerisches Talent und lange Gliedmaßen. Percy hatte gehofft, davon verschont zu bleiben, aber jetzt war es so weit. Die Gene waren gnadenlos. Und wenn sie ehrlich war, war sie nicht schon immer davon ausgegangen, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich bei ihr eine Schraube lockern würde?
Natürlich war ihr Vater schuld, vor allem die gruseligen Geschichten, die er ihnen erzählt hatte, als sie noch klein waren, so klein, dass er sie noch herumtragen und auf seine Knie setzen konnte, so klein, dass sie sich noch auf seinem breiten, warmen Schoß einkuscheln konnten. Er hatte ihnen Geschichten erzählt von der Vergangenheit ihrer Familie, von dem Land, auf dem Milderhurst entstanden war, das im Lauf der Jahrhunderte Dürreperioden und fruchtbare Zeiten erlebt hatte, das überflutet und urbar gemacht worden war und um das sich im Laufe der Zeit viele Sagen gerankt hatten. Er hatte von Gebäuden erzählt, die abgebrannt und wieder aufgebaut worden waren, die verfallen waren, die geplündert, dem Erdboden gleichgemacht und vergessen worden waren; von Menschen, die vor ihnen im Schloss gewohnt hatten; von Epochen der Eroberung und der Unterwerfung, aus deren Schichten der Boden Englands und der ihres geliebten Milderhurst bestand.
In den Worten eines Erzählers entwickelten die geschichtlichen Ereignisse eine große Faszination, und einen ganzen Sommer lang, als Percy acht oder neun Jahre alt gewesen und ihr Vater in den Krieg gezogen war, hatte sie von Invasoren geträumt, die über die Felder auf sie zugestürmt kamen. Sie hatte von Saffy verlangt, dass sie ihr half, in den Bäumen im Cardarker-Wald Festungen zu bauen, Waffenlager anzulegen und Schösslinge zu köpfen, die ihr missfielen. Sie hatten alles unternommen, damit sie, wenn der Tag kam, an dem sie ihre Pflicht erfüllen und das Schloss gegen die anstürmenden Horden verteidigen mussten, gewappnet waren …
Der Bus rumpelte um eine Ecke, und Percy verdrehte die Augen angesichts ihrer Erinnerungen. Vollkommen lächerlich. Die Fantasien eines kleinen Mädchens waren eine Sache, aber dass die Stimmungen einer erwachsenen Frau immer noch davon beeinflusst wurden? Das war wirklich traurig. Mit einem verächtlichen Schnauben zeigte sie sich selbst die kalte Schulter.
Die Fahrt dauerte lange, viel länger als gewöhnlich, und sie konnte von Glück reden, wenn sie es rechtzeitig zum Pudding schaffte. Woraus auch immer der bestehen mochte. Gewitterwolken zogen sich zusammen, die Dunkelheit würde bald einsetzen, und der Bus, der ohnehin nur ganz schwache Scheinwerfer besaß, hielt sich vorsichtshalber dicht am Straßenrand. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr: Schon halb fünf. Juniper wurde um halb sieben erwartet, der junge Mann um sieben, und Percy hatte versprochen, um vier zu Hause zu sein. Die Jungs vom Zivilschutz hatten sicherlich ihre Befehle gehabt, als sie den Bus für eine Routineüberprüfung angehalten hatten, aber ausgerechnet heute Abend hatte sie Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel dafür zu sorgen, dass die Vorbereitungen in Milderhurst ohne allzu große Aufregung vonstattengingen.
Wie wahrscheinlich war es, dass Saffy sich im Lauf des Tages nicht in einen nervösen Zustand hineingesteigert hatte? Nicht sehr, dachte Percy. Im Gegenteil. Niemand ließ sich so bereitwillig von einem besonderen Ereignis in hektische Betriebsamkeit versetzen wie Saffy, und seit Juniper ihnen mitgeteilt hatte, dass sie einen geheimnisvollen Gast eingeladen hatte, war klar gewesen, dass dem Ereignis, wie es fortan genannt wurde, die komplette Seraphina-Blythe-Behandlung zuteilwerden würde. Saffy war sogar auf die Idee gekommen, das Krönungsbriefpapier ihrer Großmutter, oder was davon noch übrig war, auszupacken und Tischkärtchen daraus zu basteln, aber Percy hatte sie davon überzeugen können, dass bei vier Personen, von denen drei Schwestern waren, ein derartiger Aufwand überflüssig war.
Jemand berührte sie am Unterarm, und als sie hinschaute, sah sie, dass die kleine alte Dame, die neben ihr saß, ihr eine offene Konservendose hinhielt und sie mit Blicken aufforderte zuzugreifen. »Mein eigenes Rezept«, sagte sie gut gelaunt. »Kaum Butter, aber gar nicht so schlecht, muss ich sagen.«
»Oh«, sagte Percy. »Nein danke. Behalten Sie die lieber für sich selbst.«
»Nehmen Sie nur.« Die Frau hielt ihr die Dose ein bisschen dichter unter die Nase, während sie anerkennend ihre Uniform betrachtete.
»Also gut.« Percy nahm einen Keks und biss hinein. »Köstlich«, sagte sie und dachte wehmütig an die herrliche Zeit zurück, als sie noch Butter gehabt hatten.
»Sie sind beim Sanitätsdienst?«
»Ich bin Fahrerin. Das heißt, ich war Fahrerin. Während der Bombardements. In letzter Zeit bin ich aber meistens damit beschäftigt, die Wagen zu waschen.«
»Sie finden bestimmt eine andere Möglichkeit, unserem Land zu dienen. Ihr jungen Leute seid doch nicht zu bremsen.« Dann schien ihr eine Idee zu kommen, und ihre Augen weiteten sich. »Aber ja, Sie könnten sich einem Nähkränzchen...