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Nachtjägerin - Roman

Jeaniene Frost

 

Verlag Penhaligon, 2010

ISBN 9783641059798 , 416 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR

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    Verdammnis - Roman

     

     

 

 

1
»Ich glaube, Amber wurde ermordet.«
Denise starrte ihren Cousin fassungslos an. Sie hatte zwar schon ihre dritte Margarita intus, konnte sich aber unmöglich verhört haben. Vielleicht hätten wir nach der Beerdigung doch keinen trinken gehen sollen. Aber Paul hatte darauf bestanden. Innerhalb eines Monats waren seine Mutter und seine Schwester verstorben. Wenn es Paul also nach einem Drink besser ging, wer scherte sich da um Anstandsregeln?
»Aber die Ärzte haben gemeint, es wäre das Herz gewesen.«
»Ich weiß, was die gemeint haben«, knurrte Paul. »Die Polizei hat mir auch nicht geglaubt. Aber einen Tag vor ihrem Tod hat Amber mir erzählt, sie würde sich verfolgt fühlen. Sie war dreiundzwanzig, Denise. Wer kriegt mit dreiundzwanzig einen Herzinfarkt?«
»Deine Mutter ist gerade an einem Herzinfarkt gestorben«, rief Denise ihm sacht in Erinnerung. »Herzkrankheiten können erblich sein. So junge Menschen wie Amber leiden zwar selten darunter, aber deine Schwester stand unter enormem Stress …«
»Nicht mehr als ich gerade«, schnitt Paul ihr in bitterem Tonfall das Wort ab. »Heißt das, ich bin der Nächste?«
Die Vorstellung war so entsetzlich, dass Denise sie gar nicht näher in Betracht ziehen wollte. »Mit dir ist bestimmt alles in Ordnung, aber es könnte trotzdem nicht schaden, wenn du dich mal durchchecken lässt.«
Paul beugte sich vor. Bevor er sprach, sah er sich verstohlen um. »Ich glaube, hinter mir ist auch jemand her.« Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
Denise antwortete zunächst nichts darauf. Nach Randys Tod hatte sie monatelang hinter jedem Schatten ein Ungeheuer vermutet, das über sie herfallen wollte. Selbst ein Jahr später hatte sie das Gefühl noch nicht gänzlich abschütteln können. Nun waren ihre Tante und ihre Cousine innerhalb eines Monats verstorben, und Paul schien sich ebenfalls vom Tod verfolgt zu fühlen. War das eine normale Phase der Trauerbewältigung? Das Gefühl, der Tod hätte es auf einen selbst abgesehen, nachdem er sich einen geliebten Menschen geholt hatte?
»Willst du ein paar Tage bei mir wohnen?«, fragte sie ihn. »Ich könnte ein bisschen Gesellschaft vertragen.«
Eigentlich wäre Denise lieber allein gewesen, aber das wusste Paul nicht. Ihr von Randy angelegtes Geld war dem Börsencrash zum Opfer gefallen, sodass ihr gerade genug geblieben war, um seine Beerdigung und eine Anzahlung auf ein neues Haus fernab vom Großteil ihrer Verwandtschaft finanzieren zu können. Ihre Eltern hatten es zwar nur gut gemeint, in ihrer Sorge aber versucht, Denises Leben in allen Einzelheiten zu regeln. An ihrem Arbeitsplatz mied sie den Kontakt zu Kollegen, und das Alleinsein hatte ihr geholfen, das lange harte Jahr nach Randys Tod zu bewältigen.
Wenn es allerdings Paul bei der Bewältigung seines eigenen Verlusts half, würde sie ihr Einsiedlerinnendasein mit Freuden aufgeben.
Ihr Cousin machte ein erleichtertes Gesicht. »Ja. Wenn das für dich okay geht.«
Denise winkte dem Barkeeper. »Na klar. Gehen wir, bevor ich noch mehr in mich reinschütte. Du hast sowieso schon zu viel getrunken, wir nehmen meinen Wagen. Deinen holen wir morgen früh.«
»Ich kann fahren«, protestierte Paul.
Denise warf ihm einen strengen Blick zu. »Nicht heute Abend.«
Paul zuckte mit den Schultern. Denise war froh, dass er nicht versuchte, sich mit ihr anzulegen. Sie hätte es sich nicht verziehen, wenn Paul nach dem Barbesuch einen Unfall gebaut hätte. Nach ihren Eltern war er ihr nächster Verwandter.
Pauls Protesten zum Trotz zahlte sie die Rechnung, dann gingen sie zum Parkplatz. Nach dem Zwischenfall drei Monate zuvor stellte Denise ihren Wagen nur noch an gut beleuchteten Plätzen so nahe wie möglich am Eingang einer Kneipe ab. Jetzt war zwar Paul bei ihr, als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme trug sie aber trotzdem immer Reizgas am Schlüsselbund. Zwei verschiedene Dosen, um genau zu sein; in der einen war Pfefferspray, in der anderen Silbernitrat. Menschen waren nicht die Einzigen, die ihre Angriffe gern im Dunkeln starteten.
»Das Gästezimmer ist zwar klein, hat aber einen Fernseher«, verkündete Denise, als sie den Wagen erreicht hatten. »Willst du …«
Ihr Satz endete in einem Schrei, als Paul von einem Mann zurückgerissen wurde, der hinter ihm aus dem Nichts aufgetaucht war. Auch Paul wollte schreien, aber ein Arm, der ihm die Kehle zudrückte, hielt ihn davon ab. Mit glühenden Augen sah der Fremde von Denise zu ihrem Cousin.
»Noch einer«, zischte er und legte Paul die Faust auf die Brust.
Denise schrie, so laut sie konnte, griff sich ihr Pfefferspray und sprühte dem Mann ins Gesicht. Der blinzelte nicht einmal, nur Pauls Augen schwollen zu, als das Reizgas ihn traf.
»Hilfe!«, brüllte Denise und sprühte, bis die Dose leer war. Der Mann rührte sich nicht, während Pauls Gesicht allmählich blau anlief.
Sie schnappte sich das Silbernitrat und sprühte viermal. Nun kniff der Mann in der Tat die Augen zusammen, aber eher aus Überraschung. Schließlich lachte er.
»Silber? Wie interessant.«
Denise waren die Waffen ausgegangen, und der Mann hatte seinen Griff keinen Millimeter gelockert. In Panik ballte sie die Fäuste und stürzte sich auf ihn … nur um einen Augenblick später auf ihrem zu Boden gesackten Cousin zu landen.
»Was ist da draußen los?«, rief jemand aus der Bar.
Denise blickte hoch. Der Fremde war verschwunden. Etwa einen Meter entfernt saß ein großer Schäferhund, das Maul zu einem breiten Hundegrinsen geöffnet. Er drehte sich um und lief davon, als aus der Bar eine Handvoll Leute näher kam.
»Rufen Sie den Notarzt!«, rief Denise, die entsetzt feststellte, dass Paul nicht mehr atmete. Sie legte die Lippen auf seine, blies mit aller Kraft … und musste würgen, als sie Pfefferspray in den Mund bekam.
Hustend und röchelnd sah Denise zu, wie ein junger Mann sich an einer Herzdruckmassage versuchte und dann ebenfalls keuchend aufgab. Sie legte zwei Finger an Pauls Hals. Nichts.
Fast ein Dutzend Leute standen um sie herum, von denen es aber anscheinend niemand für nötig hielt, zum Handy zu greifen.
»Rufen Sie doch endlich einen verdammten Krankenwagen«, keuchte sie, während sie unablässig auf Pauls Brust einschlug und versuchte, ihn zu beatmen, obwohl sie selbst kaum Luft bekam. »Komm schon, Paul! Mach das nicht!«
Undeutlich sah sie, wie das Gesicht ihres Cousins immer dunkler anlief. Sein Mund stand offen, sein Brustkorb unter ihren Händen bewegte sich nicht. Aber Denise trommelte weiter auf seine Brust ein, legte die Hände um seine Lippen und versuchte, ihm Atem zu spenden, ohne dabei selbst noch mehr Pfefferspray abzubekommen. Sie hörte erst auf, als nach einer scheinbaren Ewigkeit die Rettungssanitäter eintrafen. Als sie sie von Paul lösten, atmete er noch immer nicht.
 
»Sie sagen also, der Mann ist einfach so … verschwunden?«
Der Polizeibeamte konnte den Unglauben in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken. Denise musste sich schwer zusammennehmen, sonst hätte sie ihn geohrfeigt. Wie viel konnte sie noch ertragen? Sie hatte bereits ihre Angehörigen anrufen und ihnen das Unvorstellbare mitteilen müssen, mit ihnen getrauert, als sie im Krankenhaus eingetroffen waren, und schließlich bei der Polizei ausgesagt. Wo man ihr offenbar nicht recht glauben mochte.
»Wie gesagt; als ich aufgesehen habe, war der Killer verschwunden.«
»Die Leute aus der Bar haben draußen niemanden gesehen«, stellte der Beamte zum dritten Mal fest.
Denise platzte der Kragen. »Ja, weil sie drinnen waren, als wir angegriffen wurden. Hören Sie, der Typ hat meinen Cousin erwürgt; hat Paul keine Blutergüsse am Hals?«
Der Polizist wandte den Blick ab. »Nein. Der Leichenbeschauer war zwar noch nicht da, aber die Sanitäter haben keine Würgemale feststellen können. Anzeichen für einen Herzstillstand allerdings schon …«
»Er ist erst fünfundzwanzig!«, fuhr Denise ihn an und verstummte dann. Ein eisiger Schauder überkam sie. Wer kriegt mit dreiundzwanzig einen Herzinfarkt?, hatte Paul sie vor wenigen Stunden erst gefragt und dann etwas hinzugefügt, dem sie im Grunde genommen keinerlei Beachtung geschenkt hatte. Ich glaube, hinter mir ist auch jemand her.
Und nun war Paul tot – gestorben an einem vermeintlichen Herzinfarkt. Genau wie Amber und Tante Rose. Denise wusste, dass sie sich den Mann, dem weder Pfefferspray noch Silbernitrat etwas anhaben konnte, nicht nur eingebildet hatte. Diesen Mann, der einfach so wieder verschwunden war … und dann den großen Hund, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war.
Das alles konnte sie dem Beamten natürlich nicht erzählen. Er schaute sie jetzt schon an, als hielte er sie für grenzdebil. Denise war nicht entgangen, dass man ihr auch Blut abgenommen hatte, als sie gegen das Pfefferspray behandelt worden war, vermutlich um ihren Alkoholspiegel zu testen. Schon beim Verlassen der Bar war sie mehrmals gefragt worden, wie viel sie getrunken hätte. Und sobald der Leichenbeschauer den Herzinfarkt als Todesursache bestätigt hatte, würde man sie überhaupt nicht mehr ernst nehmen, nicht mal wenn sie alles Übernatürliche aus dem Spiel ließ.
Na ja, sie kannte Leute, die ihr zumindest insofern glauben würden, dass sie bereit wären, ihr bei ihren Nachforschungen zu helfen.
»Kann ich jetzt heimgehen?«, fragte Denise.
Ein erleichterter Ausdruck huschte über das Gesicht des Beamten. Jetzt hätte Denise...