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Wildes Begehren - Die Leopardenmenschen-Saga 3 - Roman

Christine Feehan

 

Verlag Heyne, 2011

ISBN 9783641059927 , 560 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR

  • Magisches Feuer - Ein Shapeshifter-Roman
    Wilde Magie - Die Leopardenmenschen-Saga 1 - Roman
    Eine sündige Nacht - Roman
    Der Tod ist mein - Roman
    Eine unzüchtige Lady - Roman
    Lockruf der Gefahr - Roman
    Der verborgene Garten - Roman
    Nachtflamme - Roman
  • Vögelfrei - Roman

     

     

     

     

     

     

     

     

 

 

1
Zuerst hörte er die Vögel. Es mussten Tausende sein, unzählige Arten, jede mit einer eigenen Melodie. Für ein untrainiertes Ohr klang das Gezwitscher wahrscheinlich wie ohrenbetäubender Lärm, für ihn dagegen wie Musik. Tief in seinem Innern erhob sich brüllend der Leopard, dankbar, den Duft des Regenwaldes wieder einatmen zu können. Er stieg aus dem Boot auf den wackligen Landungssteg und betrachtete die Bäume, die wie grüne Türme ringsherum emporragten. Sein Herz schlug höher. Wo immer er sich auch befand – der Regenwald blieb seine Heimat. Im Grunde jeder Regenwald, aber hier, in der Wildnis Panamas, war er geboren worden. Als Erwachsener hatte er den Urwald von Borneo zu seiner Heimat gemacht, doch seine Wurzeln lagen hier. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er Panama vermisst hatte.
Er wandte den Kopf und sah sich um, genoss die Gerüche und Geräusche des Dschungels. Jeder Laut, vom vielstimmigen Gesang der Vögel über die Schreie der Brüllaffen bis hin zum Summen der Insekten übermittelte eine Fülle von Informationen, wenn man sie zu entschlüsseln verstand. Und darin war er ein Meister. Conner Vega straffte die Schultern, es war nur eine kleine Bewegung, doch sein ganzer Körper schien zum Leben zu erwachen; jeder Muskel, jede Zelle reagierte auf den Wald. Er konnte es kaum erwarten, sich die Kleider vom Leib zu reißen und frei in der Wildnis herumzulaufen, wie seine Natur es verlangte. In seiner Jeans und dem einfachen T-Shirt wirkte er recht zivilisiert, doch direkt unter dieser dünnen Hülle lauerte das Ungezähmte.
»Der Wald ruft dich«, sagte Rio Santana mit einem Blick auf die wenigen Menschen am Ufer. »Aber warte noch, bis wir außer Sichtweite sind. Im Moment haben wir Publikum.«
Conner gönnte weder ihm noch den anderen einen Blick. Sein Herz pumpte das Blut durch seine Adern, dass es rauschte wie der Saft in den Bäumen; er vibrierte vor Energie, genau wie der wuselnde Insektenteppich auf dem Waldboden. Sein Leopard wollte die Freiheit der Heimat genießen, und die vielfältigen Grüntöne – in allen Schattierungen der Welt – begannen bereits zu bunten Schemen zu verschwimmen.
»Reiß dich zusammen«, stieß Rio zwischen den Zähnen hervor. »Verdammt, Conner, jeder kann uns sehen. Nimm deinen Leoparden an die Kandare.«
Panama-Jaguare gehörten zu den wildesten, unberechenbarsten Unterarten ihrer Gattung, und Conner war das Produkt der Gene dieser Großkatzen. Von allen Männern im Team war er der gefährlichste – blitzschnell, heißblütig und todesmutig. Er brachte es fertig, einfach im Wald zu verschwinden und dort Nacht für Nacht das Lager der Gegner zu terrorisieren, bis diese aus Angst vor dem geisterhaften, unsichtbaren Feind fluchtartig ihre Zelte abbrachen. Er war so unbezahlbar wie unberechenbar – und sehr schwer im Zaum zu halten.
Bei dieser Mission waren Conners Fähigkeiten besonders gefragt. Er gehörte zu jenem Stamm der Leopardenmenschen, die im Urwald von Panama heimisch waren, und das würde von großem Nutzen sein, falls sie diesen scheuen – und überaus gefährlichen – Gestaltwandlern begegnen sollten. Außerdem war es für das Team von Vorteil, dass Conner die hiesigen Indianerstämme kannte. In dem in weiten Teilen unerforschten Regenwald konnte selbst Gestaltwandlern die Orientierung schwerfallen. Doch da Conner in diesem Dschungel aufgewachsen war und ihn als seinen Spielplatz betrachtete, konnte er ihnen den Weg weisen, wenn es schnell gehen musste.
Mit einer langsamen, stockenden Bewegung, die an einen Leoparden auf der Lauer erinnerte, wandte Conner den Kopf. Bald würde sich seine Gestalt ändern – sehr bald. Die Hitze, die er verströmte, transportierte den Geruch des Raubtiers, das fauchend um seine Freiheit kämpfte, den eines starken, schlauen Leoparden auf der Höhe seiner Kraft.
»Es ist ein Jahr her, dass ich das letzte Mal im Regenwald gewesen bin.« Conner stellte Rio seinen Rucksack vor die Füße. Seine Stimme klang heiser, beinahe krächzend. »Und von zu Hause war ich noch länger weg. Lass mich gehen. Wir treffen uns dann im Basislager.«
Es war ein kleines Wunder und zeugte von Conners Disziplin, dass er auf Rios Nicken wartete, ehe er eilig auf die Baumreihe am Ufer zuging. Kaum zwei Meter hinter der Waldgrenze waren vom Sonnenlicht nur noch ein paar Sprenkel auf den üppigen, fleischigen Pflanzen übrig. Der Waldboden unter den Füßen – Schichten aus Holz und Pflanzen – fühlte sich vertraut schwammig an. Conner knöpfte sein Hemd auf, das bereits schweißgetränkt war. Die drückende, schwüle Hitze war den meisten Menschen unangenehm, auf ihn jedoch wirkte sie belebend. Nicht umsonst trugen die Eingeborenen kaum mehr als ein Lendentuch. Hosen und Oberteile waren schnell durchnässt und scheuerten auf der Haut, was zu Ekzemen und wunden Stellen führte, die sich im Regenwald schnell entzünden konnten. Conner streifte sein T-Shirt ab, zog die Stiefel aus, rollte das Oberteil zusammen und stopfte es in einen der Stiefel, damit Rio die Sachen mitnehmen konnte.
Dann richtete er sich wieder auf, sog die Luft ein und betrachtete die Vegetation ringsum. Die Bäume ragten wie Kathedralen in den Himmel und bildeten ein so dichtes Blätterdach, dass der Regen Mühe hatte, die vielförmigen Blätter zu durchdringen und die dichten Büsche und Farne am Boden zu bewässern. Orchideen und andere Blumen wetteiferten mit den Moosen und Pilzen, die jeden Zentimeter der Baumstämme bedeckten; auf der Suche nach Luft und Licht strebten alle dem Baumkronendach entgegen.
Während Conner die Jeans auszog und sie in den anderen Stiefel steckte, wand sich der Leopard bereits unter seiner juckenden Haut. Nichts auf der Welt brauchte er mehr, als ungestört in seiner anderen Gestalt umherzustreifen. Es war so lange her. Ohne Rücksicht auf seine bloßen Füße rannte Conner in den Wald, sprang über einen faulenden Ast und wünschte die Verwandlung herbei. Er konnte schon immer schnell die Gestalt wechseln; das war eine Notwendigkeit, wenn man umgeben von Raubtieren im Dschungel lebte. Conner war nicht ganz Leopard und nicht ganz Mensch, sondern eine Mischung aus beidem. Seine Muskeln verzerrten sich und ein befreiender Schmerz durchzuckte ihn, als der Leopard Gestalt annahm und mit dicken Muskelsträngen unter dem dichten Pelz zum Vorschein kam.
Wo Füße gewesen waren, tappten nun Pranken über den gepolsterten Waldboden. Conner lief über mehrere umgestürzte Bäume und durch dichtes Unterholz. Drei Meter weiter war das Sonnenlicht gänzlich verschwunden. Der Dschungel hatte ihn verschluckt, und er atmete erleichtert auf. Während das Blut heiß durch seine Adern strömte, hob er den Kopf und ließ die Tasthaare arbeiten wie ein Radar. Zum ersten Mal seit vielen Monaten fühlte er sich wohl in seiner Haut. Er streckte sich und trottete tiefer in den vertrauten Urwald hinein.
Conner bevorzugte die Leopardengestalt. Als Mensch hatte er zu viel Schuld auf sich geladen, um sich noch wohlzufühlen. Das bewiesen die tiefen Kratzspuren auf seiner Wange, die ihn für alle Zeit brandmarkten.
Er dachte nicht gern darüber nach, wie er zu diesen Narben gekommen war und warum er Isabeau Chandler erlaubt hatte, ihn damit zu zeichnen. Er war bis in die Vereinigten Staaten geflüchtet und hatte eine möglichst große Distanz zwischen sich und seine Frau – seine Gefährtin – gebracht, doch es war ihm nicht gelungen den Ausdruck in Isabeaus Gesicht zu vergessen, als sie die Wahrheit über ihn erfuhr. Die Erinnerung daran verfolgte ihn Tag und Nacht.
Er hatte sich eines der schlimmsten Verbrechen schuldig gemacht, das man in seinem Volk begehen konnte. Er hatte seine Gefährtin belogen. Dass er sie noch nicht als solche erkannt hatte, als er den Job übernahm sie zu verführen, um über sie an ihren Vater heranzukommen, spielte dabei keine Rolle.
Der Leopard hielt den Kopf in den Wind und bleckte stumm die Zähne. Seine Tatzen sanken lautlos in die verrottenden Pflanzen auf dem Boden. Er schlich durch das dichte Unterholz, und sein Fell glitt an den Blättern zahlreicher Büsche entlang. Hin und wieder stellte er sich auf die Hinterbeine und zog die Krallen an einem Baumstamm herunter, um sein Revier zu markieren und seine Ansprüche anzumelden, damit die anderen Männchen wussten, dass er wieder daheim war und dass sie mit ihm rechnen mussten. Er hatte diesen Auftrag angenommen, weil er ihn von Borneo fernhielt, dem Regenwald, in dem Isabeau lebte. Er wagte es nicht, dorthin zurückzukehren, denn er wusste, dass er dann wohl die zivilisierte Hülle abstreifen und als Leopard nach ihr suchen würde. Und Isabeau wollte nichts – absolut gar nichts – mit ihm zu tun haben.
Leise knurrend versuchte Conner diese Gedanken zu verscheuchen. Er sehnte sich nach ihr. Tag und Nacht. Obwohl ein ganzer Ozean sie trennte. Nun, da er wusste, dass seine Gefährtin lebte und wo sie zu finden war, spielte Entfernung keine Rolle mehr. Conner besaß alle Eigenschaften, die für Leoparden typisch waren: Reflexe, Aggression und List, sowie das Ungezähmte und die Eifersucht, doch vor allem anderen den Drang, seiner Gefährtin stets nahe zu sein. Auch wenn der Mann in ihm verstand, dass man nicht mehr nach den Gesetzen des Dschungels leben konnte, war es ihm im Regenwald nicht möglich zu verhindern, dass seine primitiven Bedürfnisse sich stark und drängend zurückmeldeten.
Conner hatte geglaubt, dass es ihm guttun würde, wieder zu Hause zu sein, doch stattdessen überkam ihn das Wilde in ihm mit einer solchen Wucht, dass er irgendetwas zerfleischen und seine Qual in den Himmel brüllen wollte. Er musste Isabeau aufspüren und für sich...