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Mannschaftstour - Drei Vollpfosten in Brasilien

Damir Balboa

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2014

ISBN 9783838757247 , 150 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,99 EUR

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»Eine WM ohne mich, die ist es nicht wert, dass man sie sich anguckt!«(Zlatan Ibrahimovic)

Man konnte nicht sagen, dass das Leben in den kommenden Wochen wie zuvor verlief – jedenfalls nicht für alle Beteiligten. Während Moritz und Björn sich mühten, den Alltag einkehren zu lassen, tat Litti alles dafür, sein Leben wieder so zu gestalten, wie es vor seiner Beziehung zu Alina war. Alles stand unter dem Motto »Wieder mehr«. Er aß wieder mehr Fleisch. (Es hatte Litti zwar nicht besonders berührt, dass Alina überzeugte Vegetarierin war, aber ihre moralischen Vorträge über den Verzehr von Tieren gingen ihm derart auf den Sack, dass er nur noch heimlich Burger und Bratwurst gegessen hatte.) Er machte wieder mehr Sport. (Alina hatte ständig alles zu zweit machen wollen. Da Pilates, Walking und Cardio für Litti aber die Plätze zwei bis vier auf seiner Liste der schlimmsten Dinge auf der Welt belegten – Platz 1 belegte HIV -, hatte er das Thema Leibesübungen schnell ad acta gelegt.) Und er trank wieder mehr. (Diese Frau war wie Hitler!) Kurzum: Er lebte wieder. Wahrscheinlich war dies auch der Grund, warum die Trauerphasen im Tagesverlauf nahezu ausblieben. Er war zwar immer wieder versucht, Alina anzurufen oder ihr eine SMS zu schreiben – aber das hing mehr mit der Gewohnheit zusammen und weniger mit der Tatsache, dass er sie wirklich vermisste. Dass Alina sich nicht melden würde, war Litti ohnehin klar. Ihre Sachen holte ihre Freundin Lisa ab, die Litti versicherte, »wie waaaaahnsinnig leid« ihr das Ganze tue.

Auch während der Arbeit wurde Litti kaum mit seinem neuen Beziehungsstatus konfrontiert. Als Sachbearbeiter bei der Stadt Köln musste er zwar das Leid ertragen, sich ein Büro mit den Zwillingen Ursula und Ulrike zu teilen, die – zwar nicht ganz so schlau – so etwas wie die Zwei-Drittel-Neuauflage der Jakob Sisters waren. Wobei mit zwei Drittel nur die Anzahl an Körpern gemeint war. Ihr Gewichtsvolumen betrug eher 17/6 der Jakob Sisters. Weil Litti seine Kolleginnen auch nach drei Jahren immer noch nicht auseinanderhalten konnte, nannte er beide einfach immer Ursula. Dass Ulrike ihm stets angesäuert »Ich bin doch die Ulli« entgegenspie, war eine der wenigen Freuden in seinem Job. Beide Frauen sprachen ununterbrochen von ihren Ehemännern, den Brüdern Matthias und Markus, die sie – wie konnte es anders sein – auf einem Zwillingstreffen in Las Vegas kennengelernt hatten. Da Litti nicht wusste, wer von beiden Ulrike und wer Ursula war, versuchte er erst gar nicht, sich zu merken, wer mit wem verheiratet war. Falls einer der Männer mal im Büro vorbeischaute, nannte er ihn einfach Markus. Über Litti selbst wussten seine Kolleginnen folgende Wahrheiten: seinen Vornamen, seinen Nachnamen … Das war’s. Ansonsten vermied Litti jedes außerdienstliche Thema. Da Ursula und Ulrike ohnehin lieber von sich sprachen, blieb ihm eine Darstellung seiner Lebensumstände vollkommen erspart.

Ganz egal, wie sehr sich Littis Leben seit der Trennung auch verändert hatte, nichts gab ihm so viel wie der Traum von Brasilien. 2006, bei der WM im eigenen Land, hatte er mitten im Lernstress für die Abschlussprüfung seiner Ausbildung gesteckt. Natürlich hatte er versucht, so viele Spiele wie nur möglich zu sehen. Aber er hatte sich dennoch in dieser Zeit nie richtig frei gefühlt. Als Deutschland im Halbfinale an Italien scheiterte, war zwar auch für ihn ein Traum zerbrochen, aber er hatte nicht das Gefühl, dass er die deutsche Mannschaft mit ausreichend Herz unterstützt hatte.

Das Weisweiler (benannt nach Hennes Weisweiler, Trainerlegende, einmal deutscher Meister, zweimal DFB-Pokal-Sieger mit dem FC Köln) gehörte wahrlich nicht zu Littis Lieblingskneipen. Was aber auch daran lag, dass er Fußballkneipen im Allgemeinen nicht ausstehen konnte. In seinen Augen hingen dort nur Typen herum, die so viel Scheiße von sich gaben, dass sie nur von Leuten ertragen werden konnten, die ebenso viel Scheiße erzählten. Um sich bewusst von solchen Menschen abzugrenzen, mied Litti diese Lokalitäten so gut es ging. Björn hingegen blühte in solchen Läden richtig auf. Hier fühlte er sich unter Gleichgesinnten, unter Leuten, die wussten, wer Just Fontaine war (Rekordtorschützenkönig mit dreizehn Toren bei einer WM) und warum Andi Brehme den Elfmeter im Finale von 1990 schoss und nicht Lothar Matthäus. (Matthäus’ Schuh ging im Verlauf des Spiels kaputt, mit seinen Ersatztretern fühlte er sich nicht sicher genug.) Im Umkehrschluss hätte das für Litti heißen müssen, dass auch Björn einer dieser Trottel war. Aber das war er für ihn nicht. Björn war sein Freund. Moritz’ Ansprüche an Restaurants oder Bars waren noch geringer. Die einzige Bedingung für ihn bestand darin, dass mindestens eine anwesende Kellnerin kopulierbar war. Da man im Weisweiler auf die wunderschöne Jana traf, dem einzigen Menschen, der es schaffte, in einem Raum voller Bier, Schweiß und Männerfürze immer noch zu riechen, als hätte er sich gerade erst mit Bodylotion eingecremt, war diese Forderung erfüllt.

Litti traf als Erster ein und setzte sich an den äußersten Tisch. Diese ganze Sache hatte immer noch einen geheimen Charakter, und das würde sie – so, wie Litti die Frauen seiner Freunde einschätzte – auch noch lange haben. Jana eilte zu ihm, als sie ihn erblickte. Sie trug – wie immer, wenn sie arbeitete – Jeans und enges T-Shirt, was ihre hervorragend geformten Brüste optimal zur Geltung brachte. Sie lächelte, wie sie es immer tat, wenn sie ihn begrüßte.

»Hey Litti, schön, dich mal wieder zu sehen! Ist lange her, was?«

»Ja, sehr lange – zu lange. Wie läuft es denn bei dir?«

»Och, na ja. Eigentlich ist alles so wie immer. Egal, ob Sommer oder Winter: Solange hier Fußball gezeigt wird, kommen die Leute immer! Verrücktes Spiel! Bist du auch so ’n Freak – oder geht’s so bei dir?«

Litti wusste keine rechte Antwort auf ihre Frage. Was hätte er auch sagen sollen? Nein, ich bin kein Fußball-Freak, aber wenn ich es nicht zum Eröffnungsspiel schaffe, dann bringe ich mich um – an meinem dreißigsten Geburtstag! Er entschied sich, den Verdacht von sich abzuwälzen. »Ich ein Freak? Um Himmels willen, nein. Mein Kumpel Björn, der ist ein Freak. Der weiß alles über Fußball!«

Fragend tippte Jana sich mit ihrem Zeigefinger auf die Zähne. »Welcher von den beiden ist noch mal Björn? Der Hübsche?«

Neid durchfuhr sein Blut. Es war immer dasselbe: Moritz war immer der Hübsche, Björn der Trottel und er war einfach nur Litti. Sein Spitzname war die Kurzform von »Der Typ, der ein bisschen scheiße aussieht, aber kein kompletter Goofy ist«.

»Ne, der andere. Der Hübsche ist Moritz«, sagte er sichtlich genervt.

»Ah, okay. Der Hübsche ist Moritz und Björn ist …«

»… der Freak, genau! Oh, da kommen sie. Also: Nichts mehr sagen von wegen Freak und so!«

»Geht klar!«, antwortete sie und zwinkerte ihm dabei so zu, dass er sich ihr sehr verbunden fühlte.

Moritz und Björn kamen meistens im Doppelpack. Trotzdem sahen sie immer so aus, als würden sie sich nicht kennen. Moritz, groß, blond und mit dem Gesicht eines Sunnyboys, den man sonst nur von Urlaubsplakaten kennt. Und Björn, klein, pummelig und Brillenträger seit Tag drei nach seiner Geburt. Als sie zu seinem Tisch kamen, sprang Litti auf, um seine Freunde zu umarmen. Im Laufe der vergangenen ein, zwei Jahre hatte sich das zwischen ihnen eingebürgert, was vor allem daran lag, dass ihre Frauen das immer taten. Jana wartete auf das Ende der Begrüßungsparade, um die Getränkebestellungen aufzunehmen. Als Litti ihr signalisierte, sie solle ihnen drei Kölsch bringen, war sie zwar ein wenig verdutzt, dass auch er Bier trank (Sie wusste von Alinas Alkoholverbot), dennoch fragte sie nicht nach, sondern tat, worum man sie gebeten hatte.

Litti begann das Gespräch mit dem üblichen Geplänkel: Wie geht’s? Was machen eure Frauen? Mo, wie geht es deinem Sohn? Björn, was macht die Kinderplanung?

Und wie üblich stellten Moritz und Björn die natürlichen Gegenfragen: Ist alles in Ordnung? Kommst du auf die Trennung klar? Hast du noch mal was von Alina gehört?

Blablabla.

Nachdem Jana die zweite Runde Kölsch gebracht und er ausreichend Auskunft über sein Wohlbefinden gegeben hatte, war es für Litti an der Zeit, zum Wesentlichen zu kommen. Er faltete seine Händen, legte seinen Kopf darauf und schaute entschlossen in die Runde. »Also, wie schaut’s aus?«

»Wie schaut was aus?«, fragte Moritz auf eine Art, als wüsste er nicht genau, um was es geht. Björn hingegen sagte gar nichts, was Litti veranlasste, konkret zu werden.

»Na, was wohl? Brasilien, ihr Ficker! Habt ihr mit euren Frauen gesprochen?« Als Björn betroffen wegschaute, wurde Litti wütend. »Björn, hast du mit Silvia gesprochen?«

Björn nahm seine Brille ab, um sich die Augen zu reiben. »Nein, habe ich nicht«, nuschelte er vor sich hin.

»Und wieso nicht?«

»Na, weil das nicht so einfach ist, du Spaßvogel. Was soll ich ihr denn sagen: Du, Schatz. Ich bin mal für ein paar Wochen weg. Du weißt schon: Brasilien, WM, Copa Cabana und so. Hast du dir das so in etwa vorgestellt?«

»Ja, genau so – außer das mit der Copa Cabana, das hat so was Verbotenes. Da könnten sie allergisch drauf reagieren.« Er schaute Moritz ins Gesicht, der seinem Blick standhielt. »Mo, ich gehe davon aus, dass du nicht gefragt hast?«

»Natürlich nicht«, sagte Moritz mir großer Selbstverständlichkeit.

»Und willst du mir auch sagen, warum nicht?«, fragte Litti ihn auf väterliche Weise.

»Klar. Aus...