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Schmitz' Häuschen - Wer Handwerker hat, braucht keine Feinde mehr

Ralf Schmitz

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2014

ISBN 9783838758503 , 336 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Wer nicht wagt, der gewinnt – oder so


Seit Monaten hatte sich diese kleine fixe Idee in meinem Kopf bequem gemacht, hatte ich mich mit dem verrückten Gedanken herumgeschlagen, eine Wohnung oder ein kleines Häuschen eventuell, vielleicht, unter bestimmten Umständen käuflich zu erwerben.

Warum? Tja, irgendwann bekam ich so ein drängendes Gefühl zur Veränderung. Das geht uns doch allen hin und wieder so, oder? Okay, vielleicht müssen wir uns eingestehen, dass wir eben vollends der Konsumwelt erlegen sind – außer Tiernahrung –, und dass man sich irgendwann satt gelebt hat, an den immer gleichen lahmen Lampen, eingesessenen Sesseln, fiesen Fliesen und nahen Nachbarn … Selbst die Küche steht ja immer noch an derselben Stelle. Mann, wie langweilig. Vielleicht spüren wir aber auch in solchen Momenten, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt und dass dazu ein anderes Zuhause gehören soll.

Ich hatte dafür sogar ein bisschen gespart. Iiiiih … Ja, ich weiß, so spießig wollte ich eigentlich niemals werden. Deswegen habe ich auch niemandem von meinen Überlegungen erzählt. Aber die Argumente, DIE ARGUMENTE, die einem die anderen immer um die Ohren hauen … Na, Sie wissen schon: Man kann in den eigenen vier Wänden machen, was man will, die Musik so weit aufdrehen, bis das Trommelfell platzt, Erspartes vor der Inflation retten, für später vorsorgen, und so weiter und so weiter …

Alles Quatsch! Den Lautstärkeregler drehe ich höchstens einmal im Jahr bis an die Schmerzgrenze, meine Nachbarn gehen oft nach mir schlafen, und das Ersparte, nun ja, so viel zu retten gibt es da nicht. Ähem. Das alles habe ich bei meinen Überlegungen damals aber irgendwie nicht berücksichtigt. Vielleicht war ich ja auch einfach nur neugierig und wollte in diese andere Welt der Groß- und Kleingrundbesitzer hineinblinzeln.

Wie dem auch sei. Ich machte mich also auf die Suche.

Als Erstes drückte ich mir die Nase an der digitalen Auslage platt und sah mir auf Immopfadfinder√576.de und ähnlichen Seiten all die schönen, irre teuren Sachen an. Na, leck mich am beheizten Pool … Da gibt es vielleicht Paläste! Wer braucht denn so was? Wenn ich auf dem Weg zum Klo drei Mal umsteigen muss, komme ich doch immer zu spät. Und wie soll man bitteschön in vier Schlafzimmern übernachten? Muss man sich da den Wecker stellen und alle zwei Stunden Decke und Kissen raffen und ins nächste weiterziehen? Und muss man die goldenen Wasserhähne nachts abschrauben und in den Safe packen?

Schnell habe ich aber gemerkt, dass eben nicht alles Gold ist, was glänzt, und dass die Leute einem schon mal gern eine Garage für eine Villa vormachen. Hier wird geschönt, geschummelt und geschniegelt, was innen drin zusammenfällt.

Da wird dank Photoshop die an allen Ecken und Enden leckende Bruchbude mal eben schnell zum Taj Mahal. Da steht der saftig grüne Ficus vom Bobi-Baumarkt plötzlich vor der gesprungenen Glasterrassentür von Zahnarzt Winkler. Und die Mona Lisa ist von Frau Krämer kurzerhand aus dem Pariser Louvre geborgt worden, um ganz unschuldig den Schimmelfleck über der Essecke zu kaschieren.

Manchmal aber, wenn die müffelnde Ranzigkeit eines Objekts zu offensichtlich wird, nützt selbst die beste Schönfummelei nichts mehr. Und dann benebelt den Leser eine dermaßen aberwitzige, schwülstige, gehirnwaschende Objektbeschreibung, dass ich mich fragen musste, ob die Immobilienfuzzis und -fuzzines ihren eigenen Text überhaupt gelesen oder aus Versehen die Fotos vertauscht haben:

»Leben und arbeiten im Grünen. Stilvoll und gesund.

Beeindruckendes Designobjekt in traumhafter Waldrandlage mit unverbaubarem Weitblick, individueller Architektur, schlappe 156 Fahrminuten bis zur Zivilisation. Exponierte Nordost- bzw. Südwestschieflage, klare Blickachsen nach überall. Herrliche, extrem lichtdurchflutete Räume, teils abgestufte Deckenhöhen.

Über die offene Terrasse direkter Zugang zum riesigen Garten.

Der ländlich typische Baustil wurde natürlich erhalten. Absolut und überhaupt kein Schnickschnack. Ganz wirklich.

Die Beletage auf der Rückseite des Gebäudes kann mittels einer rustikalen, leiterähnlichen Konstruktion problemlos erreicht werden.

Auf fließendes Wasser und Stromanbindung wurde mit Rücksicht auf die Erhaltung des ländlich-gediegenen Charakters natürlich verzichtet.

Ökologisch wertvoll, liefert das Haus für jeden Raum eine eigene Regenwassersammelstation, mitten im Zimmer.

Öffentliche Verkehrsmittel vorhanden (in ca. 20 Jahren).

Kindergärten und Schulen sind mittels Flugzeug schnell erreichbar.

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz.«

Oder hier ein kleiner Auszug aus einem anderen Inserat:

»… verfügt über topmoderne Ausstattung und bodentiefe Fenster …«

Noch ein Fundstück? Sehr gern. Bitte schön:

»… große romantische Schlaflandschaft im voll ausgebauten Dachboden …«

Eins noch:

»… im Preis inbegriffen ist natürlich auch die Einbauküche Ihrer Träume.«

Doch noch eins:

»… alles, was Ihr Herz begehrt. Hier werden keine Wünsche offengelassen.«

Und weil es so schön ist:

»Verkehrsgünstige Lage … Schnellstraße in der Nähe …«

Wenn man einmal angefangen hat … hier, schauen Sie mal:

»Appartement mit modern integriertem Bad …«

(Mit kleinem Suchbild: Finde die Toilette!)

Scheint in Mode zu kommen:

»Hier kriegt der Begriff ›Wohnküche‹ eine völlig neue Bedeutung …«

So, danach ist aber wirklich Schluss:

»… Sie müssen bis an Ihr Lebensende nie wieder umziehen. Versprochen!«

Aber jetzt:

»Das ideale Anwesen für Raucher …«

All diese tollen Angebote waren natürlich ganz offensichtlich unglaublich verlockend. Aber auch wenn Sie mir das jetzt nicht glauben wollen, irgendwie schien es trotzdem schwierig, das Richtige herauszupicken. Ich verstehe natürlich, dass Sie mein Zögern bei den ganzen Sensationsofferten nicht ganz nachvollziehen können, dennoch muss man leider sagen, dass nur eine Handvoll Sahnestückchen übrig blieb.

Einmal ins Wunderland und zurück bitte


Nachdem es anscheinend gar nicht so leicht war, das eigene Traumhäuschen zu finden, durchstöberten meine Freundin, die bereits richtig Feuer gefangen hatte, und ich immer sonntags, wenn sie bei mir war, das Internet und die Zeitungsinserate. Eigentlich hatte ich ja gar nicht richtig vor umzuziehen, aber wie die Frauen eben so sind (kleine Klischeekeule!), ließ sie nicht locker und trieb mich an. Sie wollte mit aussuchen, mitreden, vorschlagen, angucken, entscheiden, aber erst mal nicht mit einziehen. Aha! Ihre süße, alte, eigene Mädchen-Eigentumswohnung musste erst noch ein bisschen abgewohnt und genossen werden. Richtig so. Eigenständig, emanzipiert und entspannt wie wir waren, ließen wir den Dingen ihren natürlichen Lauf.

Ich muss zugeben, dass wir eine Zeit lang sehr großen Spaß daran hatten, all die Anzeigen zu durchforsten. Wie eine kleine Schatzsuche fühlte sich das an. Und träumen wird ja wohl erlaubt sein!

Nachdem eines Tages Langweiliges von Spannendem getrennt war, mussten die kostbaren und teilweise irren Fundstücke natürlich schnell besichtigt werden. Meine Immobilienberaterfreundin und ich stopften also alle Besichtigungstermine in einen Tag, packten Proviant ein und freuten uns tierisch auf unsere kleine Schnitzeljagd und Schatzsuche, auf unsere vielleicht sogar gefährliche Safari durch fremde Büsche, Steppen und Vorgärten mit all den wilden bis bedrohlichen Eigenheimbesitzern, Fabelwesen und Hobbits. Es wurde ein toller Ausflug in die Vorort- und Großstadtgalaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hatte.

Die eiserne Lady


Bei der ersten Wohnung öffnete uns eine unglaublich lieb aussehende ältere Dame. Kaum hatten wir den Flur betreten, bot sie uns auch schon selbstgebackene Plätzchen an. Das war ein wenig früh, aber sehr freundlich. Und weil wir beim ersten Kennenlernen noch nicht einschätzen konnten, ob wir uns vielleicht später in dieses potenzielle Traumheim verlieben würden, nahmen wir die nette Einladung natürlich an. Im Hinterkopf rechnete ich die nächste Wegstrecke noch einmal nach und biss in den ersten Keks.

Diesen täuschend echt wirkenden Brocken Spritzgebäck hatte die süße Oma ganz sicher aus Epoxidharz gebacken. Er war steinhart, knochentrocken und mindestens so alt wie die Besitzerin selbst. Es war vollkommen unmöglich, diesen Steinklumpen in die Knie zu lutschen, geschweige denn zu zerbeißen. Dagegen wäre es absolut möglich gewesen, das Plätzchen als Puck beim Eishockey einzusetzen. Dennoch gab ich mein Bestes, weil ich die ältere Dame natürlich nicht vor den Kopf stoßen wollte.

Als wir nach unserem kurzen »Schlimmbiss« dann unseren Besichtigungs-Rundgang starteten, verschlug uns der Zustand der Wohnung geradewegs den Atem. Wir mussten, als wir die Wohnung betreten hatten, irgendwie versehentlich durch...