dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Glennkill - Ein Schafskrimi

Leonie Swann

 

Verlag Goldmann, 2008

ISBN 9783894803919 , 384 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

7,99 EUR

  • Mieses Karma
    Nicht mein Tag - Roman
    Resturlaub - Das Zweitbuch
    Ein todsicherer Job - Roman
    Der faule Henker - Ein Lincoln-Rhyme-Thriller
    Bei den drei Eichen - Roman
    A.S. der Unsichtbare - Roman

     

     

 

 

Gestern war er noch gesund', sagte Maude. Ihre Ohren zuckten nervös.
'Das sagt gar nichts', entgegnete Sir Ritchfield, der älteste Widder der Herde, 'er ist ja nicht an einer Krankheit gestorben. Spaten sind keine Krankheit.'
Der Schäfer lag neben dem Heuschuppen unweit des Feldweges im grünen irischen Gras und rührte sich nicht. Eine einzelne Krähe hatte sich auf seinem wollenen Norwegerpullover niedergelassen und äugte mit professionellem Interesse in sein Innenleben. Neben ihm saß ein sehr zufriedenes Kaninchen. Etwas entfernter, nahe der Steilküste, tagte die Konferenz der Schafe.
Sie hatten Ruhe bewahrt, als sie ihren Schäfer an diesem Morgen so ungewohnt kalt und leblos vorgefunden hatten, und sie waren sehr stolz darauf. Natürlich hatte es im ersten Schrecken ein paar unüberlegte Rufe gegeben: 'Wer bringt uns jetzt Heu?' etwa, oder 'Ein Wolf! Ein Wolf!' Aber Miss Maple hatte schnell dafür gesorgt, dass keine Panik ausbrach. Sie erklärte, dass mitten im Sommer auf der grünsten und fettesten Weide Irlands sowieso nur Dummköpfe Heu fressen würden und dass selbst die raffiniertesten Wölfe ihren Opfern keinen Spaten durch den Leib jagten. Und ein solches Gerät ragte ganz zweifellos aus den morgenfeuchten Innereien des Schäfers.
Miss Maple war das klügste Schaf von ganz Glennkill. Manche behaupteten sogar, sie sei das klügste Schaf der Welt. Doch niemand konnte das nachweisen. Es gab zwar einen jährlichen Smartest-Sheep-of-Glennkill-Contest, doch Maples außerordentliche Intelligenz erwies sich gerade darin, dass sie an solchen Wettbewerben nicht teilnahm. Der Gewinner verbrachte nach seiner Krönung mit einem Kranz aus Klee (den er anschließend fressen durfte) mehrere Tage auf einer Tournee durch die Pubs der angrenzenden Orte. Dort musste er immer wieder das Kunststück aufführen, das ihm irrtümlich seinen Titel eingebracht hatte, blinzelte in den Tabaksqualm, bis ihm die Augen tränten, und wurde von den Menschen so lange mit Guinness abgefüllt, bis er nicht mehr richtig stehen konnte. Außerdem machte ihn von da an sein Schäfer für jeden Schabernack verantwortlich, der auf der Weide geschah: Der Schlauste war immer der Hauptverdächtige.
George Glenn würde nie wieder ein Schaf für etwas verantwortlich machen. Er lag aufgepfählt nahe des Feldwegs, und seine Schafe beratschlagten, was nun zu tun sei. Sie standen zwischen dem wasserblauen Himmel und dem himmelblauen Meer an der Steilküste, wo man das Blut nicht riechen konnte, und fühlten sich verantwortlich.
'Er war kein besonders guter Schäfer', sagte Heide, die noch fast ein Lamm war und die nicht vergessen konnte, dass George nach dem Winter ihren stattlichen Lämmerschwanz kupiert hatte.
'Genau!' Das war Cloud, das wolligste und prächtigste Schaf, das man sich vorstellen konnte. 'Er hat unsere Arbeit nicht geschätzt. Die norwegischen Schafe machen es besser! Die norwegischen Schafe haben mehr Wolle! Er hat sich Pullover von fremden Schafen aus Norwegen schicken lassen - eine Schande, welcher andere Schäfer hätte seine Herde so gekränkt!'
Es entspann sich eine längere Diskussion zwischen Heide, Cloud und Mopple the Whale. Mopple the Whale bestand darauf, dass die Güte eines Schäfers sich schließlich an Futtermenge und -qualität erweisen würde und dass es hier nichts, aber auch gar nichts gegen George Glenn zu sagen gäbe. Schließlich einigte man sich darauf, dass der ein guter Schäfer sei, der niemals den Lämmern die Schwänze kupiert, keinen Schäferhund einstellt, Futter in Hülle und Fülle verabreicht, vor allem Brot und Zucker, aber auch gesunde Sachen wie Kräuter, Kraftfutter und Rüben (ja, sie waren alle sehr vernünftig) und sich ganz und gar in die Produkte seiner eigenen Herde kleidet, etwa mit einem Ganzkörperfell aus gesponnener Schafswolle. Das würde dann sehr schön aussehen, beinahe so, als sei er auch ein Schaf. Natürlich war allen klar, dass ein solch vollkommenes Wesen auf der ganzen Welt nicht zu finden war. Aber ein schöner Gedanke war es trotzdem. Man seufzte ein bisschen und wollte dann wieder auseinander gehen, hochzufrieden damit, alle offenen Fragen geklärt zu haben.
Doch bisher hatte sich Miss Maple noch nicht an der Diskussion beteiligt. Jetzt sagte sie: 'Wollt ihr denn gar nicht wissen, woran er gestorben ist?'
Sir Ritchfield sah sie erstaunt an. 'Er ist an dem Spaten gestorben. Du hättest das auch nicht überlebt, so ein schweres Eisending mitten durch den Leib. Kein Wunder, dass er tot ist.' Ritchfield schauderte ein bisschen.
'Und woher der Spaten?'
'Jemand hat ihn hineingesteckt.' Für Sir Ritchfield war die Sache damit erledigt, aber Othello, das einzige schwarze Schaf der Herde, begann auf einmal, sich für das Problem zu interessieren.
'Nur ein Mensch kommt in Frage - oder ein sehr großer Affe.' Othello hatte eine bewegte Jugend im Zoo von Dublin verbracht und versäumte es nie, bei Gelegenheit darauf anzuspielen.
'Ein Mensch.' Maple nickte zufrieden. Die Zahl der Verdächtigen ging rapide zurück. 'Ich denke, wir sollten herausfinden, was das für ein Mensch war. Das sind wir dem alten George schuldig. Wenn ein wilder Hund eines unserer Lämmer gerissen hatte, versuchte er auch immer, den Schuldigen zu finden. Außerdem gehörte er uns. Er war unser Schäfer. Keiner hatte das Recht, einen Spaten in ihn zu stecken. Das ist Wolferei, das ist Mord!'
Jetzt waren die Schafe doch erschrocken. Auch der Wind hatte gedreht, und der frische Blutgeruch zog in feinen, aber deutlich wahrnehmbaren Witterungsfäden Richtung Meer.
'Und wenn wir den Spatenstecker gefunden haben?', fragte Heide nervös. 'Was dann?'
'Gerechtigkeit!', blökte Othello.
'Gerechtigkeit!', blökten die anderen Schafe. Damit war es beschlossene Sache, dass die Schafe von George Glenn den gemeinen Mord an ihrem einzigen Schäfer aufklären würden.

Zuerst ging Miss Maple die Leiche besichtigen. Gerne tat sie es nicht. In der irischen Sommersonne hatte George schon begonnen, einen Verwesungsgeruch auszuströmen, der ausreichte, um jedem Schaf einen Schauer über den Rücken zu jagen.
Anfangs umkreiste sie den Schäfer in respektvollem Abstand.
Die Krähe krächzte missbilligend und flatterte auf schwarzen Flügeln davon. Maple wagte sich näher heran, betrachtete den Spaten, schnupperte an Kleidern und Gesicht. Schließlich - die in sicherer Entfernung zusammengeballte Herde hielt den Atem an - steckte sie sogar ihre Schnauze in die Wunde und wühlte darin herum. Zumindest sah es von weitem danach aus. Mit blutiger Nase kehrte sie zu den anderen zurück.