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Neuropsychologie der Epilepsien
Hans Mayer
Verlag Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2011
ISBN 9783840919763 , 121 Seiten
Format PDF, OL
Kopierschutz Wasserzeichen
8 Falldarstellungen (S. 91-92)
8.1 Fall 1
Frau P. ist 22 Jahre alt und leidet seit dem 12. Lebensjahr an einer Temporallappenepilepsie links mit komplex fokalen Anfällen, die mit einer abdominellen, angstbesetzten Aura beginnen und in ausgeprägten Angstzuständen münden. Während der Anfälle sucht sie wimmernd um Hilfe, ohne dass sie ihre Angst spezifizieren kann. Die Ätiologie der Erkrankung kann zunächst nicht geklärt werden, d. h. es wurde eine kryptogene fokale Epilepsie diagnostiziert. Die antiepileptische Therapie bewirkte über mehrere Jahre eine vergleichsweise stabile Anfallssituation. Dennoch verliert die Patientin postpubertär und vor allem nach dem Hauptschulabschluss jeglichen außerhäusigen Kontakt. Sie lebt ohne Ausbildung bei ihren Eltern und ist wegen starker Depressionen in psychiatrischer Behandlung.
Gleichzeitig kommt es zu einer deutlichen Verschlechterung der Anfallssituation. Nach mehreren erfolglosen Therapieversuchen (CBZ, OXC, GVG, TPM, LTG, VPA) ist von Therapieresistenz auszugehen. Ein MRT hat die Ätiologie der Epilepsie mittlerweile geklärt, ihr liegt eine Dysplasie im anterioren Teil des linken, lateralen Temporallappens zugrunde. Darüber hinaus besteht eine Sklerose des linken Hippokampus. Das EEG zeigt ein linkshemisphärisches Anfallsmuster mit lateralem und frontotemporalem Schwerpunkt. Eine PET-Untersuchung weist in die gleiche Region (links-temporal-mesial, links-temporal-anterior, links-temporal-lateral).
Der neuropsychologische Befund (im Rahmen der prächirurgischen Diagnostik) bestätigt Ergebnisse von Voruntersuchungen, die von einem unterdurchschnittlichen Intelligenzniveau berichten. Das Leistungsprofil ist durch verbale (VLMT) wie non-verbale Gedächtnisstörungen (DCS) geprägt. Störungen des Arbeitsgedächtnisses ließen sich nicht nachweisen. Interiktal konnten keine 92 Sprach- oder Sprechauffälligkeiten diagnostiziert werden. (Iktal kommt es zu einer Bewusstseinstrübung, die Patientin kann nicht sprechen, ist aber in der Lage einfache Instruktionen zu verstehen.)
Die Aufmerksamkeitsfunktionen wie auch das mentale Tempo präsentieren sich deutlich unterdurchschnittlich. Der Verdacht auf erhebliche medikamentöse Nebenwirkungen kann im Rahmen der prächirurgischen neuropsychologischen Diagnostik (unter Medikamtenreduktion) bestätigt werden. Nach intensiven Beratungen konnte die Patientin wie ihre Eltern von der medikamentösen Therapieresistenz und der Indikation für einen epilepsiechirurgischen Eingriff überzeugt werden. Es erfolgte eine Resektion des linken Temporalpols sowie eine Amygdalohippokampektomie. Seit dem Eingriff ist die Patientin unter einer Monotherapie mit OXC und TPM anfallsfrei.