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Geburtstag in Florenz - Guarnaccias neunter Fall

Magdalen Nabb

 

Verlag Diogenes, 2014

ISBN 9783257605907 , 272 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

[31]2


»Wenn Sie Ihre Proben beisammenhaben, können wir dann das Badewasser ablassen?« Mit diesem Arzt hatte der Maresciallo noch nie zu tun gehabt, und er bemühte sich redlich, ihn mit seiner bulligen Gestalt in dem kleinen Bad nicht zu behindern.

Gurgelnd und glucksend floß das rote Wasser langsam ab. Der Arzt hob vorsichtig einen Fuß des Leichnams an, der den Abfluß blockierte. »Sonst sind wir noch die ganze Nacht hier. Noch eine Aufnahme?«

Das Blitzlicht des Fotografen flammte emsig surrend auf, sobald der Wasserspiegel sank und die Leiche freigab. Dann trat wieder Ruhe ein, und die Männer wechselten einen Blick.

»Na, das ist aber mal ’ne Überraschung …« Der Arzt hob erst ein Handgelenk, dann das andere. Beide unversehrt. »Noch nicht mal ein Kratzer. Aber irgendwo muß das viele Blut ja herkommen. Können wir sie umdrehen? Haben Sie alles im Kasten?«

»Ich bin fertig«, bestätigte der Fotograf.

»Maresciallo?«

Guarnaccia, der sich schon vor ihrem Eintreffen alle für ihn wichtigen Notizen gemacht hatte, nickte nur.

Zu dritt drehten sie die Leiche auf den Bauch.

[32]»Ach! Na, auf so was ist man natürlich nicht gefaßt, aber es erklärt immerhin die Blutung.«

Ein zerbrochenes Weinglas, das unter der Toten lag, hatte ihr zwei sehr tiefe Schnittwunden in einer Gesäßhälfte beigebracht sowie eine Reihe von Schrammen unterhalb der Taille. Ein Scherbendreieck steckte immer noch tief im Fleisch.

»Die Todesursache haben wir damit freilich noch nicht. Ich stehe vor einem Rätsel …«

Und so ging es auch dem Maresciallo. Es kam vor, daß jemand in der Badewanne ohnmächtig wurde, auch wenn er selber noch nie einen solchen Fall gehabt hatte – und überhaupt, waren das nicht in der Regel alte Menschen? In Ohnmacht zu fallen war eine Sache, aber würde der Betreffende nicht wieder zu sich kommen, wenn er zu ertrinken drohte, und um sein Leben kämpfen? Eine schwache Person würde sich vielleicht nicht retten können, aber diese Frau …

»Wie alt schätzen Sie sie, Doktor?«

»Mitte vierzig, würde ich sagen. Jetzt, wo wir sie umgedreht haben, werde ich mal ihre Temperatur messen. Was meinen Sie, ist der genaue Zeitpunkt des Todes für Ihre Ermittlungen kritisch?«

»Nein. Nein … Man hat sie am späteren Nachmittag noch gesehen, und dann ist ja auch der Ehemann …«

Aus dem Schlafzimmer, wo der junge Fara sich wenig erfolgreich bemühte, den Betrunkenen zur Besinnung zu bringen, drang ein beträchtlicher Lärm.

»Womöglich war sie auch betrunken …«

»Also das bezweifle ich, auch wenn ich mich da im Moment natürlich noch nicht festlegen kann.«

[33]»Aha.«

»Wahrscheinlich ein Unfall.«

Faras mittlerweile verzweifelte Stimme entlockte dem Schläfer nebenan lediglich ein schwaches Stöhnen.

»Keine Sorge, ich bring ihn wieder zu sich«, sagte der Doktor. »Sobald ich hier fertig bin.«

Der Maresciallo unternahm abermals einen Rundgang durchs Haus, wanderte aber jetzt nicht mehr so ziellos umher wie zuvor. Er suchte, wenn auch eher halbherzig, nach einem Abschiedsbrief. In der oberen rechten Schublade eines Schreibtisches fand er den Paß von Celia Rose Carter, geboren 1947 in Großbritannien, und den von Julian Forbes, ebenfalls Brite, geboren 1959. Stirnrunzelnd klappte er noch einmal den Paß der Frau auf.

»Na, Maresciallo, was meinen Sie?«

Er merkte erst jetzt, daß die Leute vom Labor, die im Küchentrakt ihr Arbeitsgerät zusammenpackten, zu ihm gesprochen hatten. Guarnaccia, der kein Wort mitbekommen hatte, sah sie verständnislos an. »’tschuldigung. Hab nicht zugehört.«

»War auch nichts Wichtiges. Und Sie? Was Interessantes gefunden?«

Der Maresciallo blickte wieder in den Paß, doch alles, was er sagte, war: »Heute ist ihr Geburtstag …«

»Machen Sie sich um mich keine Sorgen, mir geht’s gut.« Julian Forbes wälzte sich wieder auf den Bauch und setzte bedächtig hinzu: »Sagen Sie den Leuten einfach, ich hätte mich schlafen gelegt.« Und wirklich schlief er gleich darauf [34]wieder wie ein Baby. Fara sah sich hilfesuchend nach dem Maresciallo um, doch der war hier auch nicht kompetent.

»Vielleicht müssen wir einfach warten, bis er seinen Rausch ausgeschlafen hat …«

In dem Moment kam der Arzt hinzu, der sich eben noch die Hände an einem Leinentuch abtrocknete.

»Na, dann wollen wir den Traumprinzen mal aufwecken.« Damit trat er ans Bett, drehte Forbes wieder um und rieb ihm mit dem ziemlich haarigen Rücken seiner noch feuchten Hand kräftig über Nase und Mund. Forbes öffnete die Augen, und im selben Moment zerrte der Doktor ihn zum Sitzen hoch. Die vom Rausch geröteten Wangen des Betrunkenen wurden aschfahl.

»Mir wird schlecht …«

»Nur zu!« Der Arzt kippte einen Strauß getrockneter Blumen aus einer Bodenvase, und Forbes erbrach einen guten Liter Rotwein hinein. Der Arzt reichte die Vase weiter. »Fragen Sie die vom Labor, ob sie davon eine Probe wollen – und wenn Sie einmal unten sind, könnten Sie auch gleich Kaffee kochen. Maresciallo, unser Freund hier gehört Ihnen.« Der Arzt ging zurück ins Bad, um sich die Kotzespritzer abzuwaschen. Der Maresciallo stand neben dem Bett und sah auf Forbes hinunter, dessen Haare sich ungeachtet seiner Jugend am Hinterkopf bereits zu lichten begannen. Die Hände, die er, in scheinbarer Abwehr drohender Kopfschmerzen, an die Schläfen preßte, waren langfingerig und blaß.

»Gott, ist mir schlecht! Was ist passiert? Doch kein Verkehrsunfall – ich setze mich nie ans Steuer. Bei uns fährt immer Celia …«

[35]»Betrinken Sie sich oft?«

»Nein, durchaus nicht.« Seine Stimme klang gereizt. »Bloß wirkt der Alkohol bei mir manchmal verheerend, das ist alles. Aber nun sagen Sie mir endlich, was los ist. Und wer sind all diese Leute?«

»Falls Sie’s bis rüber ins Bad schaffen …«

Das Wort traf ihn wie ein Messer in die Magengrube. Mit einem gequälten Winseln fiel er vornüber, krümmte sich dann seitwärts auf dem Bett zusammen und begann mit schriller Kinderstimme zu schluchzen.

Der Maresciallo seufzte verstohlen und machte sich auf eine lange Nacht gefaßt. Die plötzliche Unruhe draußen verriet ihm, daß der Beamte von der Staatsanwaltschaft eingetroffen war. Doch seine Erleichterung schwand, sobald er sah, wer da zur Tür hereinkam, die Augen spottfunkelnd, im Mund einen Zigarillo.

»Man hat mir schon gesagt, daß Sie’s sind. Hervorragend! Also, was haben wir – außer dem widerlichen Geruch von Erbrochenem?« Er streckte die Hand aus und lächelte hinterhältig süffisant in Richtung der schluchzenden Gestalt auf dem Bett.

Der Maresciallo nahm die dargebotene Hand.

»Seine Frau …« Er deutete mit dem Kopf aufs Badezimmer, und der Magistrato ging hinüber, um den Tatort in Augenschein zu nehmen.

Forbes fragte unter Tränen: »Wer ist das, um Gottes willen?«

»Stellvertretender Staatsanwalt Fusarri.« Und falls auch der Maresciallo ›um Gottes willen‹ dachte, so sprach er es jedenfalls nicht aus.

[36]Fusarri kam wieder hereingeschlendert, den Zigarillo behutsam in der erhobenen Hand balancierend. Nie rieselte auch nur ein Flöckchen Asche auf seine eleganten grauen Anzüge. Forbes, der die Hände vors Gesicht geschlagen hatte, schluchzte immer noch laut.

»Wie heißt er?« fragte Fusarri mit stummer Lippensprache.

Der Maresciallo hielt ihm sein Notizbuch hin.

»Na, nun mal sachte, Mr. Forbes. Was haben Sie denn mit Ihrer Frau angestellt?«

Das war eben das Problem mit Fusarri. Der Mann hatte keine Skrupel, kein Taktgefühl! Der Maresciallo, der sich genau das gleiche gefragt hatte, wäre nicht im Traum auf die Idee gekommen, es auszusprechen. Aber Fusarri war Mailänder, da konnte man natürlich nicht erwarten … Trotzdem hatte Guarnaccia immer ein ungutes Gefühl bei ihm, einfach, weil er nie wußte, ob der Bursche es nun ernst meinte oder nicht. Im Augenblick letzteres, seinem Gesicht nach zu urteilen, doch selbst da konnte man nicht sicher sein … Sicher war indes, daß Fusarri wußte, wie man einen Typen wie Forbes, gegen den der Maresciallo bereits eine heftige Abneigung gefaßt hatte, richtig in die Mangel nahm. Es machte direkt Spaß, ihm dabei zuzusehen.

»Ihre Frau ist tot, Signore, und sie starb unter für uns ungewöhnlichen Umständen. Es kann natürlich ein Unfall gewesen sein, was bedeuten würde, daß wir Sie nicht mehr zu behelligen bräuchten, sobald das Obduktionsergebnis vorliegt. In der Zwischenzeit aber werden Sie uns schon ein paar Fragen beantworten müssen.«

Forbes hielt immer noch den Kopf in den Händen, hatte [37]sich aber schon ein wenig gefaßt. Fusarri setzte sich neben ihn, und ein Wölkchen stechenden Zigarrenrauchs kräuselte sich aus dem lächelnden Mund auf Forbes’ Augen zu. Der mußte husten und hob den Kopf.

»Sehr schön, ich sehe, wir verstehen uns. Ist doch sehr viel angenehmer hier als in irgendeinem Büro, finden Sie nicht?«

»Na dann, Maresciallo.« Fusarri erhob sich und schritt, den Zigarillo in Schulterhöhe schwenkend, zur Tür. »Er gehört Ihnen!«

Der Maresciallo blieb mit gesenktem Blick stehen. Auf das Bett würde er sich nicht setzen, soviel stand fest. Fusarri … Der Maresciallo hatte nicht den Wortschatz, um mit einem wie Fusarri fertig zu werden. Polizei und Carabinieri beschwerten sich...