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Einfach hin und weg - Auf dem Jakobsweg bis ans Ende der Welt

Gerhard Jansen

 

Verlag Tredition, 2008

ISBN 9783868500844 , 132 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR


 

Nachlese (S. 112-114)
Seit fast vier Wochen bin ich zu Hause. Es ist schwierig, sich wieder an den normalen Trott zu gewöhnen. In den ersten Nächten träumte ich nur vom Camino. Ich wanderte und wanderte. Vorwärts, vorwärts. Keine speziellen Personen, Orte oder Landschaften vor Augen. Ich wanderte und musste mich erst einmal entwöhnen. Weg von Schlafen, Essen, Trinken, einen Fuß vor den anderen setzen, den Blick nur auf die Straße, in Gedanken irgendwo zwischen rosa Wölkchen und Höllenqualen an den Füßen. Nach fast zwei Wochen meinte meine Frau, ich wäre erst halb durch die Türe und sollte doch bitte ganz eintreten. Wie gut, dass ich ohne Erwartungen losgezogen bin. Vieles hat mich überrascht und berührt. Kein Buch der Welt konnte mir vorher das erzählen oder geben, was ich erlebt habe. Obwohl er durch Presse und Fernsehen und hunderte von Internetartikeln geistert, erschließt der Jakobsweg sich erst während des Laufens. Die Faszination des Pilgerns liegt in der völlig anderen Art des Lebens. Eine Form der Askese, der Verzicht auf vieles, was sonst als unentbehrlich gilt. Pilgern mit wenig Gepäck führt dazu, sich auf das Wenige zu besinnen, was wirklich wichtig ist, weg vom Überfluss. Wenig Gepäck auf dem Rücken und auch wenig Gepäck im Kopf! Zurück zu den Quellen des Lebens, zurück zur Natur, auch wenn die Form des heutigen Pilgerns nicht mehr viel mit Askese zu tun hat. Auf dem Jakobsweg lernte ich, Menschen neu einzuschätzen. Ich habe erfahren, wie sehr man auf den anderen angewiesen ist. Alleine hätte ich den Weg nie geschafft. Ich habe Pilgern als Abenteuer innerer Erfahrung erlebt, als Stille. Ich habe Pilgern als fröhliches Zusammensein mit anderen Leuten bei einer Flasche Wein erlebt mit oberflächlichen Diskussionen. Das ist das schöne: Der Camino ist voller Gegensätze.
Ich hätte die 5 Wochen anders nutzen können, als unzählige Blasen zu verarzten oder im strömenden Regen durch den Matsch zu stampfen. Nein, ich wollte es so. Ich habe Erfahrungen gemacht die ich nicht missen und die ich hier auch nicht näher beschreiben kann und möchte. Unterwegs habe ich mir viele Fragen gestellt. Auf einige habe ich eine Antwort bekommen, andere blieben offen. Patentlösungen bietet auch der Camino nicht an. Ich habe das gesehen, was sonst im normalen Leben in der Flut der Gedanken und Bilder untergeht. Ich habe mein Herz geöffnet und vieles zugelassen. Die Wanderung auf dem Jakobsweg war eine der besten Erfahrungen, die ich jemals in meinem Leben gemacht habe. Und ich habe in den 60 Jahren meines Lebens vieles erleben und erfahren dürfen.
Am Ende meiner Reise nach Fisterra, als ich abends auf dem Felsen saß, bemerkte ich, wie sich jemand neben mich setzte. Es war ein Mitarbeiter des Heiligen Jakob, der mir auf seine eigene Art ein paar Worte ins Ohr flüsterte: „So, Gerhard Wilhelm Jansen, jetzt hast Du es also geschafft, was Du Dir vorgenommen hast. Aller Achtung! Aber wenn Du meinst, Dir wären alle Sünden vergeben, liegst Du falsch. Da musst Du wohl ein paar Kilometer mehr laufen. So einfach mache ich es Dir nicht. Du bist und bleibst ein Schlitzohr. Aber es gibt böse und weniger böse und Du gehörst zu den letzteren. Einen Heiligenschein wirst Du nicht bekommen. Aber wenn Du Dich anstrengst, kann es vielleicht mal was werden mit uns beiden. Gib Dir gefälligst Mühe und lass vor allem…..und dies und jenes solltest Du auch nicht mehr tun.“ Und dann hat er mir noch einiges zugeraunt, das ich hier nicht wiedergeben möchte. Das bleibt unter uns. Sprach’s und verschwand. Traum oder Realität? Seitdem ich auf dem Jakobsweg war, kann ich es manchmal nicht mehr unterscheiden.
Vielleicht treffe ich ihn ja noch einmal in 5 oder 10 Jahren. Dann werde ich wieder den Zug nach Saint-Jean-Pied-de-Port nehmen und über die Pyrenäen in Richtung Santiago wandern. Natürlich nur dann, wenn der liebe Gott es gut mit mir und meinen Füßen meint. Ich werde ihn täglich darum bitten.
Bis dahin
„ Buen Camino“!
Wickrath, im Juli 2007