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Gaymasutra. Mehr Spaß mit den besten Sexstellungen - Sexratgeber für schwule Männer

Axel Neustädter

 

Verlag Bruno-Books, 2014

ISBN 9783867877527 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Pole Position: Das Rüstzeug für das Gaymasutra


Vom Kamasutra zum Gaymasutra


Dass dieses Buch Gaymasutra heißt, ist mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Es ist ein Zugeständnis an einen Wunsch, den ich schon seit der Pubertät hege. Damals habe ich mir auf einige Stellen aus dem echten Kamasutra einen runtergeholt, aber gleichzeitig bedauert, dass die geilsten Passagen sich immer nur auf den Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau bezogen. Beim Thema Oralsex gab es zwar ein Kapitel über Sex unter Männern, aber da ging es dann gleich wieder um das dritte Geschlecht und um »heimliches Begehren«, dessen Anhänger sich als Masseure tarnen mussten. Analsex kam sowieso nur indirekt vor. Ich habe also schon früh davon geträumt, eine schwule Version der großen »Liebeslehre« der Sanskrit-Literatur herauszubringen. Ganz klar: Das ist dieses Buch nicht. Dazu ist es viel zu zugespitzt auf Sexstellungen, um die es im echten Kamasutra allen Unkenrufen zum Trotz nur am Rande geht. Stattdessen gibt es langatmige Kapitel über Kurtisanen, Brautwerbung und die »Verführung fremder Ehefrauen«, die man nicht wirklich auf schwul umkrempeln kann und will.

Ich werde mich trotzdem auf Motive aus dem Original berufen und einige der in ihm vorkommenden Stellungen von vaginal auf anal ummünzen. Zum einen weil es eine Schande wäre, kuriose Disziplinen wie den »Stierstoß«, den »Kreisel« oder die »Gähnende Stellung« zu verschweigen, zum zweiten weil der Grundgedanke des Kamasutras mit der Motivation dieses Buches sehr verwandt ist. Hier wie dort geht es darum, lustvollen, kreativen und möglichst tabulosen Sex zu haben und dadurch sowohl sich selbst als auch den Partner zu bereichern. Diesen Aspekt finde ich angesichts des Alters der Kamasutra-Schriften (die immerhin vor über 1.700 Jahren entstanden) immer noch bemerkenswert. Zwar merkt man dem Text an, dass er im Bewusstsein des indischen Kastensystems und unter Anerkennung eines heterosexuellen Patriarchats entstand, hinter der Flut von Ritualen jedoch regiert eine unverkrampfte Freizügigkeit, die ihre Nachahmer vor allem dazu ermahnt, die Gleichberechtigung beider Sexualpartner zu berücksichtigen. Dieser Aspekt spielt auch beim Ausprobieren von Stellungen eine wichtige Rolle.

Zudem ist das Kamasutra eine Absage an »kraftlose« und »falsche« Gefühle und ein Plädoyer für »spontane« (also wahrhaftig und zwanglos empfundene) Liebe. Letzterer gibt man laut Original nach, indem man das Objekt der Begierde mit den 64 Kamasutra-Künsten umwirbt. Die bestehen nicht, wie häufig behauptet wird, aus 64 Sexstellungen, sondern reichen von Tanz über Gesang bis zur Intimpflege und dienen damit lediglich der Vorbereitung der körperlichen Vereinigung. Kommt letztere dann zustande, geht es pragmatisch zur Sache. Gleitgel, Dildos, Rollenspiel – im Kamasutra kommt das alles schon vor. Heutige Sexgewohnheiten deuten historische Modelle also lediglich um.

Sexuelle Kompatibilität: Der Schnelltest


Eine beeindruckende Passage des Kamasutras beschäftigt sich mit Penisgrößen und Lochtiefen – beziehungsweise mit den Ausmaßen von »Lingam« (Schwanz) und »Yoni« (Muschi). Demnach ist ein Kerl mit einem S-Pimmel in der Kategorie »Hase« zu verorten, während ein M-Kandidat »Bulle« und alles über L-Format »Hengst« ist. Man fühlt sich prompt an Planetromeo erinnert, oder? Was beim Online-Dating allerdings vernachlässigt wird, ist die Yoni-Kategorie. Sie ließe sich für den schwulen Bereich locker auf das Dehnungsvolumen des Anus übertragen. Ob man das mit den Kamasutra-Kategorien »Reh« (S), »Stute« (M) und »Elefantenkuh« (L) tun muss, sei dahingestellt, aber die aus den Zuordnungen resultierende Berechnung der sexuellen Kompatibilität zweier Partner ist allemal einen Gedanken wert. Sie folgt dem simplen Prinzip »Gleich und gleich gesellt sich gern«. Die »optimalen Verbindungen« lauten somit Hase-Reh, Bulle-Stute sowie Hengst-Elefantenkuh. Der Rest sind »hohe« und »niedrige« sowie »höchste« und »niedrigste« Verbindungen, wobei die »höchste« das Einstöpseln eines L-Schwanzes in ein S-Loch bezeichnet und die »niedrigste« das Einführen eines S-Schwanzes in ein L-Loch.

Soweit die Grundlagen. Ich weiß genau, dass jetzt viele mit offenem Mund dasitzen und entweder fragen »Wie war das jetzt?« oder schimpfen »Was ’n das für ’n Quatsch?«. Ich kann beide Reaktionen uneingeschränkt nachvollziehen. Schaffen wir also zunächst mit einer optischen Aufarbeitung Klarheit, danach geht es mit einer argumentativen Einordnung des ominösen Schelltests weiter.

In der schwanzfixierten Homoszene reagiert man auf Exkurse über Penisgrößen oft empfindlich bis zickig. Ein entspanntes Verhältnis zu diesem Thema setzt die völlige Zufriedenheit mit dem eigenen Gemächt und die Erhabenheit über Schwulenklischees voraus. Wer kann diese beiden Eigenschaften schon für sich beanspruchen? Bezogen auf den Kompatibilitäts-Schnelltest gebe ich zu, dass er mich in der Pubertät geil gemacht hat. Es ging halt um Schwanzgrößen. Das genügte damals, mich fickrig werden zu lassen. Die jüngste Wiederentdeckung des Lingam-Yoni-Schemas dagegen hat mich unweigerlich provoziert. Nach über einem Jahrzehnt schwuler Sozialisation samt Kamasutra-Abstinenz kamen mir die Theorien über »optimale«, »niedrigste« und »höchste« Kombinationen von körperlichen Attributen nur noch pauschalisierend und mackerhaft vor. Logisch, dass der Riesenschwanz in der Mini-Mumu die »höchste« Kür war, während der Winz-Dödel im Megaloch als »niedrigste Verbindung« abgetan wurde. Da schien wie üblich die Dominanz des Aktiven glorifiziert zu werden, während die Rolle des Passiven gering geschätzt wurde. Und was die »optimalen Verbindungen« anging – konservativer Blödsinn halt, der die Pflege des Normativen gegen den Bruch mit den Konventionen ausspielte.

Meiner theoretischen Empörung kam allerdings schnell die Besinnung auf praktische Erfahrungen in die Quere. Es gab in meiner frühen Schlampenphase nach dem Coming-out eine Zeit, in der ich sehr auf große Schwänze fixiert war, ihnen aber zumindest in der Rolle des Passiven selten gerecht wurde. Es war ein klassischer Fall von »Der Appetit ist größer als das Loch«. Mein Novizenhintern war einfach noch nicht fit für die ganz großen Hämmer. Umgekehrt gab es später Erlebnisse, wo ich an extrem gedehnte Fist-Schwestern geriet, bei denen ich überspitzt gesagt das Gefühl hatte, ich tauche meinen Ständer in einen Pudding. Ich sage damit nicht, dass man aus beiden Situationen nicht trotzdem eine für alle Beteiligten gewinnbringende Erfahrung herausholen kann, aber dafür bedarf es einer gewissen Entspanntheit und Erfahrung. »Optimal« sind sie als Grundvoraussetzung für eine erste geile Nummer also definitiv nicht – und um die Phase des sexuellen Kennenlernens und Erforschens geht es im Kamasutra nun mal.

Bei genauerer Betrachtung sind die Attributzuschreibungen aber sogar über die Pionierphase hinaus plausibel. Bezieht man die »höchste« Verbindung »Reh-Hengst« (also groß trifft auf eng) nicht auf ihren Status, sondern auf Schwierigkeitsgrad und Lustfaktor, wird die Kategorie auf einmal schlüssig. Durch das unvermeidliche Ausweiten körperlicher Grenzen ist diese Paarung mit dem »höchsten« Widerstand verbunden, kann bei beidseitiger Geduld und mit etwas Erfahrung aber auch zum »höchsten« Lustgewinn führen. Dagegen ist die Kombination Mikropenis-trifft-Rosebud mit dem vergleichsweise »niedrigsten« Überwindungsaufwand verbunden, aus erotischer Sicht aber auch mit der »niedrigsten« Stimulationsrate.

Prinzip Befriedigung: Wissen, sagen, machen


Werten wir den Kompatibilitäts-Schnelltest also ganz unprätentiös als das, was er sein sollte: eine Orientierungshilfe. Das Schema hilft dabei, Situationen schnell einzuordnen, Erwartungen abzustecken und Handlungsspielräume zu definieren. All das ist für ein sicheres Agieren mit einem Partner hilfreich. Wer die Lage peilt, lässt sich nicht so schnell von ihr aus der Bahn werfen. Und wer weiß, was er will, bewahrt sowohl seinen Lover als auch sich selbst vor Enttäuschungen. Genau das ist der Punkt, auf den ich mit dem Kompatibilitäts-Schnelltest hinauswill: das Wissen darüber, was man selber will. Es ist eine unbedingte Voraussetzung, um mit Sexstellungen Spaß haben zu können.

Das ist so ähnlich wie mit dem Aktiv-Passiv-Ding. Ich bin kein großer Freund von zementierten Rollenzuschreibungen und dem starren Einrichten in einer sexuellen Funktion. Ich finde auch, dass die Konfektionierung der eigenen Bedürfnisse im Online-Zeitalter überhandnimmt. Andererseits ist sie zumindest bei spontanen Sex-Dates mit Fremden einfach mal nötig. Sonst landet man am Ende in so lächerlichen Situationen, bei denen »Versatile«-Typ Nummer eins ganz un-versatile die Kiste von »Versatile«-Typ Nummer zwei im Visier hat, während »Versatile«-Typ Nummer zwei seinerseits versucht, die Kiste des Ersten vor die Lunte zu kriegen. Noch schlimmer ist es, wenn zwei Dosen aufeinandertreffen.

Wahrscheinlich kennt jeder Zweite solche Situationen. Dem Rest rate ich, sich das Elend zu ersparen und dem Motto zu folgen: Erst wissen, was du willst, dann sagen, was du willst, dann machen, was du willst! Natürlich im Einvernehmen mit dem Partner. Im besten Fall funktioniert das Motto ohnehin im Plural, aber wenn es zumindest einer der Beteiligten (also du) beherzigt, ist das schon die halbe Miete. Es gibt schließlich auch die Unentschlossenen, die ihren eigenen Bedürfnissen erst mithilfe der Willensbekundung des Gegenübers auf die Spur kommen. Aber das ist hohe Psychologie und gehört nicht hierher. Stattdessen...