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Romantrilogie: Mit Feuer und Schwert + Sintflut + Pan Wolodyjowski, der kleine Ritter - Historische Romane (Polnische Geschichte des 17. Jahrhunderts)

Henryk Sienkiewicz

 

Verlag e-artnow, 2014

ISBN 9788026822387 , 310 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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1,99 EUR


 

2. Kapitel


Als Herr Skrzetuski den nächsten Tag früh in Tschechryn eintraf, nahm er Quartier im Hause des Fürsten Jeremias, wo er sich eine Zeitlang aufhalten wollte, um die Leute und Pferde nach der langen Reise aus der Krim, welche infolge des hohen Wasserstandes und der starken Strömung des Dniepr, die eine Fahrt mit Flußkähnen stromaufwärts durchaus unmöglich machten, also zu Lande gemacht werden mußte, verschnaufen zu lassen. Skrzetuski selbst pflegte sich eine Weile, dann erst ging er zu Herrn Sazwilichowski, dem früheren Kommissarius des Freistaates, welcher ein guter Soldat, wenn auch nicht in Diensten des Fürsten Jeremias, doch ein vertrauter Freund Skrzetuskis war. Der Statthalter war begierig zu hören, ob für ihn keine Dispositionen aus Lubnie gekommen waren. Der Fürst hatte nichts Besonderes hinterlassen. Er hatte dem Statthalter sagen lassen, daß für den Fall, daß die Antwort des Khans eine günstige wäre, er langsam heimkehren solle, damit Pferde und Menschen möglichst geschont würden. Die Angelegenheit mit dem Khan war aber folgende: Es handelte sich um die Bestrafung einiger schwarzer Tataren, welche sich widerrechtlich in seine Hinter-Dnieprschen Besitzungen eingedrängt, und welche er selbst schon tüchtig zusammengehauen hatte. Der Khan hatte auf seine diesbezüglichen Klagen wirklich eine günstige Antwort gegeben. Er hatte versprochen, die Ungehorsamen zu strafen, im April einen besonderen Gesandten zu schicken, und da ihm daran lag, sich die Geneigtheit eines so berühmten Kriegers, wie der Fürst war, zu erwerben, so sandte er demselben durch Herrn Skrzetuski ein Pferd edelster Rasse. Skrzetuski war froh, längere Zeit in Tschechryn verweilen zu können, nachdem er seine Botschaft so ehrenvoll durchgeführt hatte, eine Botschaft, deren Zweck allein schon eine ehrenvolle Auszeichnung für ihn war. Dafür war Herr Sazwilichowski sehr bekümmert um das, was seit einiger Zeit in Tschechryn vorging. Sie gingen also zusammen zu dem Walachen Dopula, welcher in der Stadt eine Ausspannung und Weinstube hielt, und dort trafen sie trotz der frühen Stunde eine Menge Adlige, denn es war Markttag. Außerdem hielten an diesem Tage in Tschechryn zahlreiche Viehherden Rast, welche in das Lager des Kronenmilitärs getrieben wurden, was wieder eine Ansammlung von vielen Fremdlingen mit sich brachte. Die Adligen nun versammelten sich am Markte in dem sogenannten Glockenviertel bei Dopula. Es waren dort Pächter der Koniezpolski, Tschechryner Beamte, und Besitzer privilegierter polnischer Ländereien, unabhängiger seßhafter Adel, ferner landwirtschaftliche Beamte, einige Kosakenhauptleute und polnischer Kleinadel, teils in Stellungen, teils auf eigenen Höfen lebend.

Die einen wie die anderen nahmen die Bänke längs der langen eichenen Tische ein, sich laut unterhaltend von der Flucht Chmielnizkis, welche in der Stadt große Bewegung hervorgerufen hatte. Skrzetuski und Sazwilichowski setzten sich abseits in einen Winkel, und der Statthalter fing an zu fragen, wer denn dieser Chmielnizki sei, daß alle von ihm sprächen.

»So wißt Ihr das nicht?« antwortete der alte Soldat. »Es ist der Schreiber der Saporogen-Regimenter, der Besitzer von Subotowo und – setzte er leiser hinzu – mein Gevatter. Wir kennen uns schon lange. Manche Not haben wir gemeinschaftlich durchgemacht, immer erreichte er sein Ziel, was er besonders bei Cecora bewies. Einen in Militärsachen erfahreneren Menschen gibt es kaum noch in der Republik. Man darf nicht laut davon sprechen, aber das ist ein echter Führer, ein kluger, willensstarker Mensch; ihm gehorcht das gesamte Kosakenvolk mehr als allen Hauptleuten und Feldherren. Er ist ein Mensch, welchem auch Tugenden nicht fehlen, aber stolz, unruhig, und wenn Haß ihn befällt, so kann er erschreckend grausam sein.«

»Was ist ihm denn geschehen, daß er aus Tschechryn floh?«

»Er hatte fortwährend Streit mit dem Starosten Tschaplinski, aber das ist Nebensache. Wie das so ist, aus Feindschaft flickte ein Edelmann dem anderen was am Zeuge; bald er diesem, bald dieser ihm. Man sagt noch, daß er der Frau des Starosten den Kopf verdreht hat; der hatte ihm in früheren Jahren die Liebste weggeheiratet, dafür machte er sie jetzt in sich verliebt, und das ist kein unmöglich Ding, denn – das Weib ist leichtfertig. Seht, Herr Statthalter, die Sache ist die: In Tscherkessien wohnt der alte Barabasch, ein Kosakenhauptmann, unser Freund. Er besaß einige Privilegien und königliche Urkunden, von denen man sagt, daß sie dazu dienten, die Kosaken zum Widerstand gegen den Adel zu reizen. Aber da er ein Menschenfreund ist, behielt er sie bei sich und veröffentlichte sie nicht. Nun schickte Chmielnizki, während er den Barabasch hierher nach Tschechryn in sein Haus zu einem Festessen geladen hatte, Leute auf seinen Hof, welche der Frau desselben diese Urkunden gewaltsam abnehmen mußten – und mit ihnen entfloh er. Wir sind in Angst, daß er sie benutzt, einen Kosakenaufstand anzuzetteln, denn wie gesagt: er ist ein schrecklicher Mensch, und niemandem ist bekannt, wohin er ging.«

»So hat dieser Fuchs mich ins Feld geführt,« sagte Herr Skrzetuski. »Er stellte sich mir als Kosakenhauptmann des Fürsten Saslawski vor. Ich habe ihn ja in der letzten Nacht in der Steppe getroffen und vom Lasso befreit.«

»Um Gottes willen, was sprecht Ihr? Das ist unmöglich!«

»Was ist unmöglich! Es ist wahr. Er sagte mir, der Fürst Saslawski sende ihn nach Kudak mit Briefen an den Herrn Grodschitzki, aber ich glaubte ihm das nicht, da er nicht zu Wasser reiste, sondern sich durch die Steppe schlich.«

»Der Mann ist listig wie Ulysses! Und wo traft Ihr ihn?«

»Am Omelnitschko, an der rechten Seite des Dniepr. Augenscheinlich zog er nach der Sitsch.« Sitsch = verschanztes Lager der Kosaken.

»Und wollte Kudak vermeiden. Jetzt verstehe ich. Waren viel Leute bei ihm?«

»Etwa vierzig Mann. Aber sie kamen zu spät. Wären nicht die Meinigen zur Stelle gewesen, so hätten die Diener des Starosten ihn erwürgt.«

»Wartet, gnädiger Herr, das ist ein wichtig Ding. Die Diener des Starosten sagt Ihr?«

»Er selbst nannte sie.«

»Woher sollte der Starost wissen, wo er ihn zu suchen hatte, da hier in der Stadt sich alle die Köpfe zerbrechen, wohin er sein könnte.«

»Das kann ich auch nicht wissen. Vielleicht log Chmielnizki und machte gewöhnliche Raubmörder zu Dienern des Starosten, um das ihm getane Unrecht zu betonen.«

»Das kann nicht sein! Aber es ist doch eine wunderliche Sache. Wißt Ihr, daß der Großhetman Briefe erlassen hat mit dem Befehl, den Chmielnizki zu fangen, tot oder lebendig?«

Der Statthalter vermochte nicht mehr zu antworten, denn in diesem Augenblick betrat die Stube ein Edelmann in lärmender Weise. Er schlug ein und das andere Mal heftig die Tür zu, sah sich herausfordernd in dem Raume um und rief: »Ich grüße die Herren!«

Er schien ein Mann von nahezu vierzig Jahren, niedrigen Wuchses mit dem Ausdruck des Jähzornes im Gesicht, der noch erhöht wurde durch zwei pflaumenartig vorstehende, bewegliche Augen – ein lebhafter, stürmischer und leicht zu Zorn geneigter Mensch.

»Ich grüße die Herren!« wiederholte er lauter und schärfer, als ihm nicht sofort gedankt wurde.

»Wir grüßen! Wir grüßen!« ließen sich einzelne Stimmen vernehmen.

Der Angekommene war Herr Tschaplinski, Unterstarost in Tschechryn, der vertraute Diener des jungen Fähnrichs Koniezpolski. In Tschechryn war er nicht beliebt, denn er war ein Streithahn und Prahler. Aber er hatte sozusagen einen breiten Buckel, deshalb politisierten manche mit ihm, sie gingen ihm um den Bart. Herr Sazwilichowski war der einzige, welchen er respektierte, seiner Würde, Tugend und Tapferkeit wegen. Sobald er ihn erblickte, schritt er auf ihn zu, und nachdem er sich stolz vor Skrzetuski verneigt hatte, setzte er sich mit seiner Kanne Met zu ihnen.

»Ehrwürdiger Starost,« fragte Herr Sazwilichowski, »wißt Ihr, was mit Chmielnizki vorgeht?«

»Er hängt, gnädigster Herr, so wahr ich Tschaplinski bin, er hängt, und wenn er bis jetzt dem Strick nicht entlaufen ist, so wird er hängen. Jetzt, wo die Fehdebriefe des Fürsten im Umlauf sind, soll er nur in meine Hände fallen.«

Indem er dies sagte, schlug er mit der Faust auf den Tisch, daß die Kannen schwankten und einen Teil ihres Inhalts vergossen.

»Vergießt den edlen Met nicht, Herr!« sagte Skrzetuski.

Sazwilichowski unterbrach ihn:

»Und glaubt Ihr ihn denn zu fangen? Er ist ja entflohen, und niemand weiß wohin.«

»Niemand weiß? Ich weiß – so wahr ich Tscharlinski bin. Ein verfluchter Teufelssohn!«

Er schlug wieder heftig auf den Tisch.

»Vergießt den Wein nicht!« wiederholte Skrzetuski mit Nachdruck. Ein sonderbarer,...