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Das Reich des Teufelsfürsten - Historischer Roman

Silvia Stolzenburg

 

Verlag Bookspot Verlag, 2014

ISBN 9783937357928 , 464 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR


 

Kapitel 2


Kronstadt, Juli 1456


»Sobald Wladislaw vertrieben ist, komme ich zurück«, versprach Vlad Draculea und machte sich von seinem Kronstädter Gastgeber los, der ihn in eine rippenbrechende Umarmung gezogen hatte. »Und dann wird Verlobung gefeiert.« Die Worte hinterließen einen schalen Geschmack in seinem Mund, doch er zwang sich zu einem dünnen Lächeln. Gegen seinen Willen schielte er dennoch zu der Tochter des Mannes, die sich halb hinter ihrem Vater versteckt hatte. Der Magistrat folgte seinem Blick, nickte und gab der jungen Frau mit einem Wink zu verstehen, sich ebenfalls von Vlad zu verabschieden. Mit schüchtern niedergeschlagenen Augen trat diese nach kurzem Zögern vor und deutete einen Knicks an, wobei ihr flammende Röte in die Wangen stieg. Ihr blondes Haar war im Nacken zu einer Schlaufe geflochten. Den Kopf bedeckte ein zwar durchsichtiger, aber züchtiger Schleier.

»Bis bald, Herr«, murmelte sie ohne Vlad anzusehen. »Gott schütze Euch.« Es fiel Vlad schwer, ein Stirnrunzeln zu unterdrücken, als er auf die zierliche Fünfzehnjährige hinabsah. Zwar war sie keineswegs unansehnlich – im Gegenteil – aber jede Geste und jedes Wort verrieten ihm, dass sie sich entsetzlich vor ihm fürchtete. Er strich sich mit der Linken über den dichten, schwarzen Schnurrbart, der seinen Mund umrahmte und ihm ein strenges Aussehen verlieh.

»Ich danke dir für die guten Wünsche, Elisabeta«, erwiderte er so sanft wie möglich und ignorierte das nur schlecht durch ein Räuspern überspielte Prusten in seinem Rücken. »Ich bin bald wieder bei dir«, log er. Dann nickte er seinem Gastgeber ein letztes Mal zu und bedeutete seinem Vetter Stefan von der Moldau ihm ins Freie zu folgen.

»Ich danke dir für die guten Wünsche, Elisabeta«, äffte Stefan ihn nach, kaum saßen die Männer im Sattel und trabten auf den Marktplatz zu. Dort wartete ein Teil der Reiterei, welche die Städter Vlad – auf Befehl des ungarischen Königs – zur Verfügung stellten. »Gib’s zu, du hättest die Kleine doch schon längst am liebsten entjungfert«, lästerte der Moldawier. Er fuhr sich mit der Hand durch die lange blonde Mähne und stülpte sich seinen Helm auf den Kopf. »Sie ist aber auch wirklich ein süßer Happen«, platzte es aus ihm heraus, als er Vlads sauertöpfische Miene sah.

Sein Lachen steckte Vlad an, obwohl der Gedanke an Elisabeta ihn eigentlich nicht besonders erheiterte. Irgendwie gelang es seinem Vetter immer, seine düstere Stimmung aufzuhellen und Leichtigkeit zu finden, wo Vlad keine entdecken konnte. Seit ihrer Flucht aus dem Fürstentum Moldau waren Stefan und er – mit einigen Unterbrechungen – Gast im Hause des Kronstädter Magistrats gewesen. Vor sechs Wochen hatte dieser Vlad schließlich die Hand seiner Tochter angeboten. Allerdings erst, nachdem Johan Hunyadi dem jungen Walachen die Schutzwacht Transsylvaniens anvertraut hatte. Außerdem war klar geworden, dass der bisherige Woiwode der Walachei, Wladislaw, sowohl die Gunst des ungarischen Königs als auch die der transsylvanischen Händler endgültig verspielt hatte.

»Warum hast du nicht sofort zugegriffen?«, drang Stefan zum wiederholten Mal in ihn. Aber Vlad blieb dem Freund und Vetter auch an diesem Tag die Antwort schuldig, obwohl ein Teil von ihm sie laut herausschreien wollte. Er biss sich auf die Zunge. Mit keinem einzigen Wort wollte er die Erinnerung an Zehra beschmutzen. Kein Mensch würde von ihr und seinem Sohn erfahren, bis Vlad sie endlich wieder in den Armen halten konnte! Niemand, am allerwenigsten Stefan, würde jemals die Macht der Gefühle begreifen, die er für sie hegte. Der wohlbekannte Druck in seiner Magengegend führte dazu, dass sich seine Rüstung plötzlich wie Blei anfühlte und ihm das Atmen schwer fiel. Um eine ausdruckslose Miene bemüht, schüttelte er scheinbar tadelnd den Kopf und trieb sein Reittier an, sodass er eine halbe Pferdelänge vor Stefan trabte. Als nach einigen Minuten endlich die ersten berittenen Streiter vor ihnen auftauchten, war er froh über die Ablenkung.

»Vodă – mein Fürst«, begrüßte ihn einer der abtrünnigen walachischen Bojaren, die zu ihm übergelaufen waren. »Die Männer sind bereit.«

Vor den Mauern der Inneren Stadt warteten weitere Truppen, mit denen Vlad in Gewaltmärschen über die Karpaten in die Walachei ziehen würde. Der Sultan war geschlagen – diese Nachricht hatte sie kurz nach dem Wunder von Belgrad erreicht. Im selben Schreiben hatte der ungarische König den Befehl gegeben, Wladislaw zu entmachten. Schon bald würde Vlad wieder auf dem Thron sitzen, der ihm von Geburt wegen zustand!

»Vorwärts!«, donnerte er, sobald sich die Reiter um ihn und seinen Begleiter geschart hatten. Wenig später befanden sie sich in der Oberen Vorstadt, von wo aus die Straßen allesamt nach Süden zu den Bergpässen führten. Einige Meilen entfernt ragten die schroffen Gipfel der Karpaten empor, auf denen immer noch ein wenig Schnee lag. Wenn sie sich beeilten und Pferde und Menschen bis zum Äußersten antrieben, konnten sie in zwei Tagen vor Tirgoviste stehen – der Hauptstadt seines Reiches. Dann würde Wladislaw das Schicksal teilen, das Vlads Bruder Mircea und seinen Vater vor beinahe zehn Jahren ereilt hatte! Er presste die Kiefer aufeinander und ließ zu, dass die Vorfreude auf die kommende Schlacht Besitz von ihm ergriff und die Gefühle für Zehra betäubte. Er fasste die Zügel kürzer. Als sie sich einen halben Tag später hoch im Gebirge befanden, reckte er die Nase in die Luft und atmete tief ein und aus. Bildete er es sich nur ein oder konnte er die Heimat bereits riechen?

****

Es dauerte ein wenig länger Tirgoviste zu erreichen, als er gedacht hatte, da sie bereits in den Bergen in einige kleinere Geplänkel verstrickt wurden. Aber am vierten Tag nach ihrem Aufbruch aus Kronstadt marschierte Vlad mit seinen Truppen auf die Hauptstadt der Walachei zu. Diese buk wie ein Fladen in der Sommerhitze. Auf den Feldern des Umlandes waren die Bauern dabei, die erste Ernte einzubringen. Golden erstreckte sich ein Meer aus Ähren bis zum Horizont, der von Hitzeschleiern verwischt wurde. Gierig sog Vlad den wohlbekannten Duft der Flussniederung ein. Er zügelte sein Ross, um die Stadt ins Auge zu fassen, die ihm bald zu Füßen liegen würde. Der Anblick der Mauertürme und Bojarenhäuser, der Gehöfte und Kirchen trieb ihm Tränen der Freude in die Augen. Allerdings währte diese Sentimentalität nicht lange. Gewarnt von seinen Spionen brach Wladislaw aus der Stadt hervor, kaum hatte Vlad die Dächer des Fürstenpalastes ausgemacht. Die Freude über die Heimkehr wich dem Blutdurst. Wäre Wladislaw nicht gewesen, hätte Vlad nicht aus der Walachei fliehen und Zehra zurücklassen müssen! Sein Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken an die zahllosen Stunden, in denen er gefürchtet hatte, sie nie wiederzusehen. Ein alles überwältigender Hass ergriff Besitz von ihm.

»Löscht diese Verräter aus!«, donnerte er, zog sein Schwert und presste seinem Hengst die Fersen in die Flanken. Dann preschten er und seine Kämpfer über den von der Hitze ausgedörrten Boden und fuhren zwischen die Verteidiger, ehe diese begriffen hatten, wie ihnen geschah. Unaufhaltsam mähte Vlad einen Feind nach dem anderen nieder. Schon bald stank die Luft nach Blut, Pferdeschweiß und Exkrementen. Wer nicht sofort sein Leben aushauchte, wurde von den Hufen zu Tode getrampelt. Das Geschrei der Verwundeten verjagte selbst die Vögel am Himmel. Mehrere Stunden dauerte das Schlachten, doch dann warfen die ersten Bojaren ihre Waffen zu Boden und ergaben sich den Angreifern.

»Verschont unser Leben«, flehte ein Kämpfer, dessen Gesicht Vlad allzu bekannt vorkam. War er nicht schon an der Seite seines Vaters in die Schlacht gezogen? Seine Schwerthand zuckte, aber in letzter Sekunde hielt er sich davon ab, den Mann zu töten. Er sollte langsam sterben! So, wie es ein Verräter verdiente!

»Treibt die Gefangenen zusammen«, befahl er seinen Männern. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit zurück auf das letzte Häuflein verzweifelter Ritter, die versuchten, ihren Fürsten vor dem sicheren Ende zu bewahren. Eingekeilt zwischen der Stadtmauer und Vlads Truppen fochten sie einen aussichtslosen Kampf, der eine Stunde später beendet war.

Inmitten von Erschlagenen funkelte Wladislaw seinen Widersacher mordlustig an, spuckte zu Boden und fauchte: »Ich hätte dich zertreten sollen, wie eine Ameise, als ich Gelegenheit dazu hatte!« Vlad lachte freudlos und gab seinen Gefolgsleuten ein Zeichen, den Besiegten in Ketten zu legen.

»Das hättest du«, versetzte er kalt. »Aber jetzt werde wohl eher ich dich zertreten.« Mit diesen Worten wandte er sich von Wladislaw ab, um sich nicht durch eine unbedachte Handlung um das Schauspiel einer öffentlichen Hinrichtung zu bringen. Den Einwohnern von Tirgoviste musste unmissverständlich klar gemacht werden, wer der neue Machthaber war! Ansonsten würde man ihn für schwach oder gar milde halten. Etwas Schlimmeres konnte einem Fürsten nicht passieren!

Die Sonne stand immer noch hoch am Himmel, als Wladislaw auf das Schafott am Marktplatz geführt wurde. Die ganze Stadt war zusammengeströmt, um sich dem Bezwinger zu unterwerfen und das Ende des Besiegten mit anzusehen. Einige zornige Augenblicke lang hatte Vlad erwogen, auch unter den einfachen Männern und Frauen Exempel zu statuieren. Doch dann hatte er es sich anders überlegt. Was war ein Fürst ohne Untertanen? Er...