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Ein MORDs-Team - Band 3: Eine verhängnisvolle Erfindung (All-Age Krimi)

Ute Bareiss

 

Verlag Greenlight Press, 2014

ISBN 9783958340398 , 143 Seiten

3. Auflage

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,49 EUR


 

 

Barrington Cove, 1984


Rektorat der Barrington High

 

Das Sekretariat wurde nur vom Licht der Straßenlaternen und der mageren Funzel erhellt, die Marietta King in der Hand hielt. Gespenstische Schatten tanzten an den Wänden. Billy Tarnowski wischte die vor Aufregung schweißfeuchten Hände an seiner Jeans trocken und versuchte erneut vergeblich, den Schlüssel, den Shannon hatte nachmachen lassen, im Schloss der Tür zum Rektorat zu drehen.

Verdammt! Irgendwie schien ihr ganzer Plan, die Prüfungsfragen für morgen kurz und unkompliziert abzugreifen, in die Hose zu gehen.

„Hast du eine Nagelfeile in deiner Tasche?“

Doch Marietta reagierte nicht auf seine Frage, blickte nur gedankenverloren zur Tür, durch die Jamie und Shannon Arm in Arm verschwunden waren.

Er stupste sie an. „Hallo! Nagelfeile?“ Sie feilte doch öfter im Unterricht unter dem Pult die Nägel, bestimmt hatte sie auch jetzt eine dabei.

Marietta zuckte zusammen, legte die Taschenlampe auf das Sideboard und machte sich daran, in ihrer bunten Stofftasche zu wühlen. „Glaubst du, das funktioniert?“

Billy zuckte die Schultern. „Einen Versuch ist es allemal wert. Ich denke, es wird nicht viel fehlen, dass er passt, die Kopie des Schlüssels kann ja nicht so falsch sein.“

Außerdem musste er sich irgendwie beschäftigen, während Jamie und Shannon nach dem Ersatzschlüssel suchten. Die nächtliche Stille im Schulgebäude, das Wissen um das Verbotene, das sie taten, die Schatten an den Wänden - das alles verursachte ein Grummeln in seiner Magengegend.

Auch Marietta wirkte nervös, ihre Hand zitterte, als sie ihm die Nagelfeile reichte.

Er musste reden, diese unheimliche Stille vertreiben. Doch in Mariettas Gegenwart fühlte er sich immer leicht befangen. Sie hatte diese sexy Ausstrahlung, der die Jungs sämtlicher Jahrgangsstufen zum Opfer fielen. Selbst die Lehrer gafften sie an. Wo sie ging, erregte sie Aufmerksamkeit: Ihr langes kastanienbraunes Haar, das manchmal fast rötlich schimmerte, die Katzenaugen – sie schien sogar geschmeidig wie eine Katze zu gehen. Selbst als sie zwischendurch mal ein paar Kilo zugelegt hatte, war sie immer noch ziemlich scharf gewesen. Neben ihr kam er sich immer wie ein dummer Junge vor, obwohl sie ein paar Wochen jünger war als er. Jamie war ein verdammter Glückspilz, als Erster bei ihr gelandet zu sein.

Der Schlüssel wurde warm in seiner Hand. Billy wischte mit dem Daumen ein paar Metallspäne weg und hobelte mit der feinen Seite der Feile die Unebenheiten glatt.

Warum hatte Marietta den beiden so wehmütig nachgesehen? Nachdem mit Jamie Schluss gewesen war, hatte sie keinen festen Freund mehr gehabt, von dem er wusste, auch wenn es Gerüchte um einen Zirkusjungen gegeben hatte - aber auch das war schon eine Weile her. Sie war im Sommer eine ganze Zeit lang von der Bildfläche verschwunden gewesen, hatte sie vielleicht dort jemanden gehabt?

„Macht es dir was aus, dass deine beste Freundin jetzt mit Jamie zusammen ist?“ Am liebsten hätte er sich auf die Zunge gebissen - was war das denn für eine bescheuerte Frage?

Marietta kicherte fast schrill. „Wie kommst du denn darauf?“

Billy hoffte, dass die Hitze, die in seine Wangen schoss, im Halbdunkel nicht zu sehen war. Er beugte den Kopf und ließ die schulterlangen dunklen Locken über sein Gesicht fallen, während er eingehend die Schlüsselkanten prüfte. „Nur so. Du hast so geguckt.“

Marietta pustete ihren Pony aus dem Gesicht. „Quatsch. Ich habe mich gefragt, ob sie es da unten wohl tun werden.“

Billy hätte beinahe den Schlüssel fallenlassen, den er gerade wieder zur Probe ins Schloss stecken wollte.

Als würde sie eher mit sich selbst sprechen, fuhr sie, mit dem Blick gegen die Decke gerichtet, fort. „Nein, wahrscheinlich nicht. Shannon wird’s noch nicht tun. Sie glaubt an diesen Mist mit Liebesbeweisen, wenn er wartet. Als ob …“ Sie brach ab und das darauffolgende Lachen klang verbittert.

„Was …“ Mitten im Satz erstarrte Billy. War da ein Geräusch auf dem Flur gewesen? Geistesgegenwärtig legte er seine freie Linke auf Mariettas Mund und deutete mit dem Kopf gegen die Tür. Ihm wurde eiskalt.

„Das sind doch bestimmt Shannon und Jamie“, hauchte sie fast lautlos.

Ihr Atem fühlte sich unnatürlich warm auf seiner Wange an.

Billy schüttelte den Kopf. Die wären doch lauter, Jamie kannte keine Vorsicht. Fieberhaft schaute er sich um, sein Blick flog über den großen, penibel aufgeräumten Schreibtisch, die Sideboards, einige Aktenschränke an den Wänden, eine große Zimmerpalme. Es gab kein vernünftiges Versteck.

Wieder dieses seltsame Scharren.

„Unter den Schreibtisch“, wisperte er.

Hoffentlich würden diese verfluchten Rollen nicht quietschen, wenn er den Stuhl zurückzog. In einem Bruchteil von Sekunden, der ihm wie Stunden erschien, zog er den Stuhl unter dem Schreibtisch hervor. Millimeter um Millimeter. Das leichte Kratzen auf dem Linoleum erfüllte den kompletten Raum. Billy biss die Zähne zusammen, bis sie knirschten. Endlich konnte er den Stuhl anheben und beiseitestellen.

Falls ihnen jemand auf die Schliche kommen wollte, verhielt­­ sich derjenige jedenfalls äußerst leise. Wieder nur ein Klacken, es schien von draußen zu kommen. Gerade so, als wollte ihnen jemand auflauern. Warum gab sich derjenige nicht zu erkennen, wenn er sie erwischen wollte? Das war das Unheimlichste, was Billy je in seinem Leben widerfahren war. (Es schlug die Story um Längen, als ihn auf dem Friedhof um Mitternacht plötzlich eine Katze von hinten angesprungen hatte.)

Billy quetschte sich zwischen Marietta und den Papierkorb unter den Schreibtisch. Sie war nicht groß, aber er musste seinen Kopf gewaltig einziehen. Plötzlich überkam ihn die Angst, sein lautes Herzklopfen könnte bis auf den Flur zu hören sein.

Was, wenn sie erwischt wurden? Würden sie alle von der Schule fliegen? Collegepläne adieu? Was war das eigentlich für eine schwachsinnige Idee gewesen, die Prüfungsfragen zu klauen?

Die Gedanken rasten durch seinen Kopf. Schon nach kurzer Zeit schmerzte jeder Körperteil.

Draußen blieb es ruhig.

Seine Anspannung ließ nach, dafür fing sein rechtes Bein an zu kribbeln, gleich würde es einschlafen. Marietta bewegte sich auch unruhig, ihre Brust drückte gegen sein Knie. Auf einmal wurde er sich ihrer Nähe bewusst. Er roch den Duft dieses parfümierten Deos, das gerade in war. Nach Blumen. Irgendwas mit „J“. Eins dieser neuen treibgasfreien Pumpsprays - Glasflasche mit einer hellgrünen Blume, er hatte es vorher in ihrer Tasche gesehen. Der Name fiel ihm nicht ein. Er versuchte, seine Gedanken auf das Finden des Namens zu lenken, es war doch dauernd in der Werbung. Marietta bewegte sich wieder an seinem Körper.

Er musste raus hier.

Gerade als er sich daran machte, unter dem Schreibtisch hervorzukriechen, klopfte es gegen das Fenster. Billy zuckte zusammen, schlug mit dem Kopf gegen die Schreibtischplatte. Der Schlag hallte durch den Raum, während der Schmerz in seinen Schädel schoss. Marietta gab einen unterdrückten Laut von sich. Dann war es wieder still. Erst als er das Gefühl hatte zu platzen, merkte Billy, dass er die Luft angehalten hatte.

Verdammt, er ertrug das nicht mehr.

Ein Klacken gegen die Fensterscheibe jagte ihm einen Heidenschreck ein. Dann folgte ein lautes Gurren. Plötzlich wallte ein hysterisches Kichern in ihm auf. Er schlug die Hand vor den Mund. Tauben vor dem Fenster. Es waren wohl nur die Tauben, die den Lärm gemacht hatten!

Marietta schien es ebenfalls realisiert zu haben, denn auch sie prustete heraus, während sie unter dem Tisch hervorkroch. Sie konnten sich beide nicht mehr einkriegen vor Lachen, die Anspannung entlud sich in albernem Gekicher, das nicht enden wollte.

Nach einer Weile stöhnte Billy auf. „Scheiße, Mann, ich dachte echt, die erwischen uns.“

Marietta winkte ab. „Ach was, dann wären wir halt davongelaufen. Einfach weg. Weit, weit weg.“ Ein sehnsüchtiger Ausdruck trat auf ihr Gesicht, das von den Schatten weichgezeichnet wurde. Sie bückte sich, um einen imaginären Faden von ihrer schwarzen Cordhose zu zupfen, die sie wahrscheinlich, wie alle Mädels zurzeit, selbst noch mal ein Stück enger genäht hatte; sie klebte an ihr wie eine zweite Haut.

Bevor Billy antworten konnte, fing sie an zu singen.

Ooh, she's a little runaway,

Daddy's girl learned fast,

All those things he couldn't say,

Ooh, she's a little runaway …”

Das Lied von Bon Jovi, das Anfang des Jahres die Charts gestürmt hatte. Es würde Billy zukünftig immer an diesen Moment erinnern, verbunden mit dem Bild, wie Marietta mit angehobenen Armen durch den Raum tanzte und sang.

Sie stoppte und wischte sich eine Träne unter dem Auge weg. Kam das jetzt noch vom unkontrollierten Lachen? Er trat...