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Sharpes Feind - . Sharpe Band 15

Bernard Cornwell

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2015

ISBN 9783732506972 , 431 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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PROLOG


Am 8. Dezember 1812 kamen die englischen Soldaten zum ersten Mal nach Adrados.

Das spanische Dorf war vom Krieg verschont geblieben. Obwohl es so nahe der nördlichen Grenze zu Portugal lag, waren nur wenige Soldaten über die einzige Straße gezogen.

Die Franzosen waren vor drei Jahren durch Adrados gekommen, aber sie waren auf der Flucht vor dem englischen Lord Wellington gewesen und hatten es so eilig gehabt, dass sie sich kaum Zeit zu einem Aufenthalt und zum Plündern hatten nehmen können.

Dann waren am 8. Mai 1812 die spanischen Soldaten gekommen, die Garnison von Adrados, doch es hatte die Dorfbewohner nicht besonders gestört. Es waren nur fünfzig Soldaten mit vier Kanonen, und als die Geschütze im alten Castillo de la Virgen und im Wachtturm außerhalb der Stadt in Position gebracht worden waren, hatten die Soldaten den Krieg anscheinend als erledigt betrachtet. Sie tranken in der Dorfschänke und flirteten mit den Frauen, die am Bach auf flachen Steinen die Wäsche wuschen. Zwei Dorfschöne heirateten im Sommer Kanoniere.

Wegen eines Versehens in der spanischen Armee schickte man der »Garnison« einen Pulver-Konvoi, der für Ciudad Rodrigo bestimmt war, und die Soldaten prahlten damit, mehr Pulver und weniger Waffen zu haben als irgendeine andere Artillerietruppe in Europa. Sie arrangierten primitive Feuerwerke für die Hochzeiten, und die Dorfbewohner bewunderten die Explosionen, die in ihrem abgelegenen Tal blitzten und widerhallten.

Im Herbst desertierten einige der spanischen Soldaten, weil sie es leid waren, in einem Tal Wache zu schieben, in das keine Soldaten kamen, und weil sie in ihre Heimatorte und zu ihren Frauen zurückkehren wollten.

Dann kamen die englischen Soldaten.

Adrados war kein besonders wichtiger Ort. Dort gab es Schafe und Dornbüsche, und der Priester sagte den Dorfbewohnern, dies mache das Dorf zu einer heiligen Stätte, denn Christi Leben habe mit dem Besuch der Schäfer begonnen und mit einer Dornenkrone geendet. Der Priester brauchte den Dorfbewohnern jedoch nicht zu sagen, dass Adrados heilig war, denn nur eine einzige Attraktion brachte Besucher in das Dorf, und das war der Feiertag am 8. Dezember.

Vor vielen Jahren – keiner wusste, vor wie vielen, nicht einmal der Priester, aber in jenen Tagen, als die Christen gegen die Mauren in Spanien kämpften – war die Heilige Mutter nach Adrados gekommen. Jeder kannte die Geschichte. Kreuzritter waren durch das Tal zurückgewichen, hart verfolgt, und ihr Führer hatte bei einem Granitfelsen am Rande des Passes gebetet, der westwärts nach Portugal führte, und dann war es geschehen. Sie war erschienen! Sie stand auf dem Granitfelsen und sagte dem Kreuzritter, dass die Mauren, die ihn und seine Mannen verfolgten, bald hier halten würden, um ebenfalls zu beten und ostwärts zu ihrer heidnischen Heimat zu blicken. Wenn er und seine erschöpften Männer die Schwerter zogen und kämpften, dann würden sie dem Kreuz Ehre erweisen.

Zweitausend maurische Köpfe rollten an diesem Tag. Noch mehr! Keiner wusste genau, wie viele, und jedes Jahr wuchs die Zahl beim Erzählen der Geschichte. Geschnitzte maurische Köpfe zierten den Kreuzgang des Frauenklosters, das um die Stelle herum erbaut worden war, an der Sie erschienen war. In der Kapelle des Klosters, oberhalb der Treppe zum Altar, befand sich ein kleiner Fleck von poliertem Granit, dort hatte die Heilige Mutter den Fuß auf den Felsen gesetzt.

Jedes Jahr am 8. Dezember, dem Tag des Wunders, kamen Frauen nach Adrados. Es war ein Tag der Frauen, keiner der Männer, und die Männer trugen die Statue der Jungfrau, deren Juwelen unter dem vergoldeten Baldachin schwangen, durch das Dorf und wieder zurück zum Kloster. Anschließend gingen die Männer ins Gasthaus.

Die Nonnen hatten das Kloster vor zweihundert Jahren verlassen und Häuser in den Ebenen vorgezogen. Sie hatten nicht mit den Städten konkurrieren können, wo sich die Heilige Mutter in ihrem Erscheinen großzügiger gezeigt hatte. Die Klostergebäude waren jedoch noch gut erhalten. Die Kapelle wurde zur Dorfkirche, der obere Kreuzgang war ein Lagerraum, und an einem Tag im Jahr war das Kloster immer noch eine Stätte der Wunder.

Die Frauen betraten die Kapelle auf den Knien. Sie bewegten sich kriechend über die Steinplatten durch die Kapelle und die Treppe hinauf, wobei sie den Rosenkranz hielten und beteten. Der Priester intonierte sein Latein. Die Frauen verneigten sich und küssten den glatten, dunklen Granit. Es war ein Loch im Gestein, und die Legende besagte, wenn eine Frau diese Stelle küsste und mit der Zungenspitze den Grund des Lochs erreichen konnte, dann würde das Baby ein Junge werden.

Die Frauen weinten, wenn sie den Stein küssten, nicht aus Kummer, sondern aus einer Art Ekstase. Manche fielen in Ohnmacht und mussten weggetragen werden.

Einige beteten um Erlösung von Krankheit. Sie brachten ihre Tumorkranken, Verunstalteten und verkrüppelten Kinder mit. Andere beteten, um ein Kind zu bekommen, und ein Jahr später kamen sie wieder und dankten der Heiligen Mutter, weil sie jetzt Ihr Geheimnis teilten. Sie beteten zu der Jungfrau, die gebar, und sie wussten, wie kein Mann es wissen konnte, dass eine Frau ihre Kinder unter Schmerzen gebiert, doch sie beteten, Mutter zu werden, und schoben die Zunge durch das Loch im Granit bis zum Grund. Sie beteten im Kerzenschein der Klosterkapelle von Adrados, und der Priester stapelte ihre Geschenke hinter dem Altar, die Ernte eines jeden Jahres.

8. Dezember 1812. Die Engländer kamen.

Sie waren nicht die ersten Besucher. Seit dem Morgengrauen waren Frauen eingetroffen, die einen Weg von zwanzig Meilen oder mehr hinter sich hatten. Einige kamen aus Portugal, doch die meisten stammten aus den Dörfern, die so versteckt wie Adrados ringsum im Hügelland lagen. Dann trafen zwei englische Offiziere auf großen Pferden ein, und in ihrer Begleitung befand sich eine junge Frau. Die Offiziere halfen der Frau vor dem Kloster vom Pferd und ritten weiter zum Dorf, wo sie dem spanischen Kommandanten ihre Aufwartung machten und mit ihm den herben Rotwein der Region tranken, der im Gasthaus serviert wurde. Die Männer in der Schänke waren gut gelaunt. Sie wussten, dass viele der Frauen beteten, ein Kind zu bekommen, und dass man sie brauchte, um der Heiligen Mutter bei der Erfüllung des Gebets zu helfen.

Die anderen britischen Soldaten kamen von Osten, was sonderbar war, denn dort hätten eigentliche keine sein sollen, aber niemandem fiel das auf. Es gab keinen Alarm. Die Briten waren noch nicht in Adrados gewesen, doch die Dorfbewohner hatten gehört, dass diese heidnischen Soldaten anständig und respektvoll waren. Ihr General hatte ihnen befohlen, stillzustehen, als die Statue der Jungfrau durch das Dorf getragen wurde, und das war gut. Dennoch waren diese englischen Soldaten anders als die der spanischen Garnison. Diese Männer mit den roten Uniformröcken sahen verdorben, gemein und ungepflegt aus, und ihre Gesichter spiegelten Brutalität und Hass wider.

Hundert dieser Männer warteten am östlichen Rand der Stadt beim Waschplatz neben der Straße und rauchten kurze Tonpfeifen. Hundert andere Männer, angeführt von einem großen Mann zu Pferde, dessen roter Uniformrock reich mit goldenen Tressen verziert war, marschierten durch das Dorf. Ein spanischer Soldat, der von der Burg her zum Gasthaus kam, salutierte vor dem Colonel und war überrascht, als der englische Offizier ihn anlächelte, sich ironisch verneigte und einen fast zahnlosen Mund zeigte.

Der Spanier musste etwas in der Schänke gesagt haben, denn zwei britische Offiziere kamen mit offenen Uniformröcken auf die Straße und schauten den letzten der Soldaten nach, die zum Kloster marschierten. Einer der Offiziere runzelte die Stirn. »Wer zum Teufel sind Sie?«

Der Soldat, den er angesprochen hatte, grinste breit. »Smithers, Sir.«

Der Blick des Captains schweifte an der Reihe der Soldaten entlang. »Welches Bataillon?«

»Das Dritte, Sir.«

»Welches verdammte Regiment, Sie Narr?«

»Das wird Ihnen der Colonel sagen, Sir.« Smithers trat auf die Mitte der Straße, hielt eine Hand an den Mund und rief nach dem Colonel.

Der große Mann zog sein Pferd um die Hand, parierte es und ritt dann zum Gasthaus. Die beiden Captains standen stramm und salutierten.

Der Colonel zügelte sein Pferd. Er hatte anscheinend die Gelbsucht gehabt, vielleicht hatte er auf den Fieberinseln dienen müssen, denn seine Haut war gelblich wie altes Pergament. Das Gesicht unter dem Zweispitz zuckte krampfartig. Die blauen Augen blickten unfreundlich. »Knöpfen Sie die verdammten Röcke zu!«

Die Captains stellten ihre Weinbecher ab, knöpften die Uniformröcke zu und rückten die Koppel zurecht. Einer der beiden, ein rundlicher junger Mann, runzelte missbilligend die Stirn, weil der Colonel sie beide vor grinsenden Privates angeschnauzt hatte.

Der Colonel ritt zwei Schritte näher an die beiden Captains heran. »Was treiben Sie hier?«

»Hier, Sir?« Der größere, dünnere Captain lächelte. »Wir sind nur zu Besuch hier, Sir.«

»Nur zu Besuch, wie?« Das Gesicht zuckte wieder. Der Colonel hatte einen sonderbar langen Hals, der von einem Halstuch verhüllt war, das er hoch an der Kehle zusammengebunden hatte. »Nur ihr beide?«

»Jawohl, Sir.«

»Und Lady Farthingdale, Sir«, fügte der rundliche Captain hinzu.

»Und Lady Farthingdale, wie?« Der Colonel ahmte den Tonfall des Captains nach, und dann schrie er jähzornig: »Ihr seid eine verdammte Schande, das seid ihr! Ich hasse euch! Verdammt noch mal! Ich hasse euch!«

Auf der Straße war es plötzlich still.

Die Soldaten, die sich zu beiden Seiten des Reiters versammelt hatten, grinsten die...