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Universität und Lebenswelt - Festschrift für Heinz Abels

Wieland Jäger, Rainer Schützeichel

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2008

ISBN 9783531910772 , 251 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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40,46 EUR


 

Non universitati, sed vitae discimus! Employability als Herausforderung für Lehre und Studium (S. 134-135)

Hans Georg Tegethoff

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Universitäten in Deutschland befin den sich im größten Umbruchprozess der letzten fünfzig Jahre. Nicht nur dass die Wissenschaftspolitik durch Förderung von Spitzenforschung exzellente, weltweite Konkurrenzfähigkeit erreichen will, im Bereich der Lehre hat die Bologna Initiative der europäischen Gemeinschaft das Ziel gesetzt, einen europäischen Hochschul raum zu schaffen, der in drei Ausbildungsstufen europaweit vergleichbare und anerkannte Studienprogramme anbietet.

Bei der Beobachtung der Szene drängt sich einem das bekannte Wort non scho lae sed vitae discimus auf, da es unter den Promotoren des Bologna Prozesses zu nehmend mehr Seneca Anhänger zu geben scheint. Anders als Aristoteles, der es für die Pädagogik unziemlich empfand, „immer nur nach dem Nützlichen zu fra gen (Politik VIII, 3, 2)" hatte Seneca ja bekanntlich beklagt, dass man immer nur für die Schule lerne (Epistulae 106, 12).

Deswegen hatte er formuliert: „Non vitae, sed scholae discimus" (Wörterbuch der Antike 199510). In der Debatte um die Studienreform, in der um mehr Effektivität und Effi zienz, Qualität und Internationalität auf der einen Seite, um zu viel Nutzenorien tierung und Verschulung auf der anderen Seite gestritten wird, geht es im Kern um die Frage, welche Konsequenzen die Betonung des Ziels der Employability für die Lehre und das Studium mit sich bringt. Ich möchte hier den Folgen für die So zial und Kulturwissenschaften nachgehen und den Bogen schlagen von der Bil dungsplanung bis zur Wissensverwendungsforschung, um Hinweise für konzep tionelle Änderungen von Lehre und Studienorganisation zu erhalten.

1. Zum Verhältnis von Bildungs und Beschäftigungssystem, Studium und Beruf

Die Idee einer stärkeren Ausrichtung des Studiums an den Erfordernissen des Ar beitsmarktes ist nicht neu. Bezieht man die Entstehung technischer Hochschulen und deren Integration in den Kreis der Universitäten ebenso mit ein wie die Ge schichte der Berufswissenschaften Medizin und Jurisprudenz, so sind Freiheit von Forschung und Lehre oder der Elfenbeinturm des Philosophen ja auch schon vor der Humboldtschen Universitätsreform bedroht gewesen. Insofern gehe ich davon aus, dass Bildung und Ausbildung, Grundlagen und Anwendungsforschung die zwei Seiten der Medaille waren und sind, die alle Veränderungen der Universität bislang überlebt haben.

In den sechziger Jahren wurden im Kontext der großen Bildungsreform bil dungsökonomische Ansätze aus den USA rezipiert, die den Nachweis zu führen versuchten, dass mit Bildungsinvestitionen unmittelbar und nachhaltig Wirt schafts und Wohlstandswachstum zu fördern sei (z.B. Tohidipour 1974). Eigene Versuche der Modellentwicklung für eine auf Daten gestützte Bildungsplanung wurden gestartet, werden heute jedoch nicht mehr verfolgt. Inzwischen spricht vieles für die Erkenntnis, dass das Wirtschaftssystem und das Bildungssystem nur lose miteinander verkoppelt sind.

So demonstrieren die USA bereits seit langem, dass man einerseits Quoten von 30% eines Jahrgangs ohne Highschool Abschluss (Bridgeland u. a. 2006, Greene u. a. 2005) verkraften kann, wenn man andererseits Bildungs und vor allem Wissensressourcen importiert. Die Wanderung von hoch Qualifizierten und Gebildeten in wirtschaftlich erfolgreiche Regionen spielt auch in Europa inzwischen zunehmend eine Rolle, sowohl was die Arbeitsmigration in nerhalb Europas betrifft als auch die Auswanderung in außereuropäische Länder. Ein anderes Beispiel dafür, dass in den Zeiten zunehmender weltweiter Vernet zung der Produktion die Wirtschaftsleistung sich von den nationalen Bildungs märkten abkoppelt, ist der Online Import von produktionsnahen Dienstleistungen aus Asien.