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Symbol und Eros - Die Bildwelten Richard Müllers (1874-1954) mit dem Katalog des Gesamtwerks

Corinna Wodarz

 

Verlag Edition Ruprecht, 2015

ISBN 9783897441941 , 1106 Seiten

Format PDF

Kopierschutz Wasserzeichen

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84,00 EUR


 

I. Richard Müller – zu Recht vergessen?

I.1 Warum Richard Müller?

Die Autorin stieß Anfang 1992 zufällig auf zwei Radierungen eines unbekannten Künstlers mit einem erschreckend unpretenziösen Namen und war sogleich fasziniert. Was hatte es mit den bizarren Bogenschützen, die im Kampf monumentalen Chamäleons zu unterliegen drohen (G 97 und G 108), auf sich? So begann die Odyssee dieser Arbeit, deren Umfang und vielschichtige Problematik am Anfang gar nicht zu erkennen waren. Zunächst ging es nur darum, den kulturhistorischen Hintergrund dieser seltsamen Blätter zu erarbeiten, sie zu verstehen und in einen größeren kunsthistorischen Zusammenhang einzuordnen.
Wer war Richard Müller, fragte 1974 Thomas Schröder anläßlich der großen Ausstellung in Hamburg zum 100. Geburtstag des Künstlers.Müller war zu diesem Zeitpunkt fast völlig vergessen, Klinger gerade wiederentdeckt worden, doch der Rest der symbolistischen Kunst trat nicht ins Bewußtsein, sehen wir einmal von Franz von Stuck und Gustav Klimt ab. Die Wiederentdeckung ihres Werkes förderte nur kurze Zeit auch andere Künstler, die schon zu Lebzeiten in ihrem Schatten gestanden hatten, zu Tage. Doch sie wurden nicht kunsthistorisch erschlossen. Die Viten vieler dieser Künstler waren mit einer Anbiederung an den Nationalsozialismus belastet, die eine Beschäftigung zunächst ausschloß. Die erste Generation der großen symbolistischen Künstler starb in den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts, sie hatte großen Ruhm in Pracht und Pomp des Kaiserreiches geerntet; die zweite Generation wurde von der heute als Klassische Moderne bezeichneten Kunst nach 1918 hinweggeschwemmt, als ihre Künstler im besten Künstleralter von 40 bis 50 Jahren waren. Fünfzehn Jahre später erhofften sie sich neue Meriten und Anerkennung durch eine veränderte, staatlich befohlene Kunstpolitik. Für keinen von ihnen erfüllten sich diese Hoffnungen, sie blieben geduldet, andere gelangten zu Ruhm.
Es ist die besondere Tragik dieser Künstler, daß sich gerade diese Jahre als größter Hemmschuh für ihre Aufarbeitung erweisen sollten. Sie waren unbedeutende Mitläufer und wurden deshalb nicht in ihrem Verhältnis zum Dritten Reich erforscht und ihre Kunst, mit all ihren symbolistischen Bezügen, fand keine Lobby. Symbole waren in Kunst und Gesellschaft aus der Mode geraten und zu viele verfehmte Künstler galt es aufzuarbeiten. So war auch Müller vollständig aus der kunsthistorischen Wahrnehmung verschwunden bis 1974 die Galerie Brockstedt mit einem Großteil des künstlerischen Nachlasses Müllers jene Ausstellung vorlegte, die kurzfristig aufhorchen ließ. Zumindest in Sammlerkreisen. Die deutsche Teilung machte zunächst eine wissenschaftliche Bearbeitung Müllers vom Westen aus unmöglich, im Osten bestand daran überhaupt kein Interesse, galt er doch als persona non grata.

I.2 Zu Recht vergessen?

Sicher nicht, auch wenn der Dresdner Malerkollege Hans Grundig 1957 schrieb: „Schande über Richard Müller, sein Name sei nicht mehr genannt“.

Aber was veranlaßte einen Maler, so über einen Kollegen zu schreiben? Verbitterung, Irrtum und politische Gegebenheiten waren es, wie wir heute wissen. Damit sind wir bei einem der größten Probleme, vor dem diese Arbeit stand. Grundig war im Dritten Reich als Maler und Kommunist diskreditiert, mit Berufsverbot belegt und schließlich ins Konzentrationslager gesperrt worden. Als die Propaganda der DDR nach dem Weltkrieg begann, Otto Dix als großes antifaschistisches Künstlervorbild Dresdens aufzubauen, bediente sie sich zwecks besserer Schwarzweißmalerei eines faschistischen Gegenbildes, das sie in dem vorgeblich neidischen Richard Müller zu finden glaubte. Müllers künstlerischer Ruhm war längst verblaßt, Akten zerstört oder verschwunden, der über 70jährige Müller nicht in der Lage sich zu wehren. Aber wie war es wirklich? Was können uns die nach dem Ende der DDR erstmals zugänglichen Akten der ‚Gauckbehörde‘ über die wirklichen Vorgänge erzählen? Und wie können sie Irrtümer, Lügen und Propaganda entlarven, die über 40 Jahre auch in der seriösen Forschung wiederholt wurden? Sie können einiges auf den Kopf stellen, wie sich zeigen wird.