dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

nolens volens - Kurzgeschichten von Rudyard Kipling - Band I

Joseph Rudyard Kipling, Klassische-Erfolgsromane.Com

 

Verlag Be Yourself, 2015

ISBN 9783959263740 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

Geräte

9,99 EUR


 

Das Letzte, was Findlayson vom Tiefbauamt erwartet hatte, war ein C.I.E., ein „Companion of the Order of the Indian Empire“, ein eher nachrangiger Ritterorden. Er hatte sich einen C.S.I(1) erträumt. Ein solcher Namenszusatz stand für den „Companion of the Order of the Star of India“. Und - darin waren sich auch seine Freunde einig - das wäre das Mindeste gewesen, was er verdient hätte.

Drei Jahre lang hatte er nun Hitze und Kälte, Enttäuschungen, Beschwerlichkeiten, Gefahren und Krankheiten unter einer Verantwortung zu ertragen, die für ein einziges paar Schultern beinahe zu schwer wog; Tag für Tag war die große Kashi-Brücke über den Ganges unter seiner Leitung herangediehen. Wenn alles gut ginge, würde Seine Exzellenz der Vizekönig die Brücke in weniger als drei Monaten einweihen, ein Erzbischof würde sie segnen und die erste Bahnladung mit Soldaten würde darüber marschieren und natürlich gäbe es auch Ansprachen.

Findlayson, C.E., saß auf einer Feldbahn, die an einer der Ufermauern der großen Steindämme - riesige mit Steinen bewehrte Ufersicherungen, die sich auf beiden Flussseiten drei Meilen nach Norden und Süden aufwölbten - verlief, auf seiner Draisine und gestattete sich, an die Fertigstellung zu denken.

Alles in allem, die Rampen miteingerechnet, erstreckte sich sein Bauwerk über eindreiviertel Meilen, eine Fachwerkbrücke, von einem Findlayson-Sprengwerk abgesprengt und auf siebenundzwanzig Backsteinpfeilern ruhend. Jeder dieser Stützpfeiler hatte einen Durchmesser von vierundzwanzig Fuß, war mit einem roten Naturstein aus Agra(2) überkront und achtzig Fuß tief in den Treibsand des Gangesbettes eingelassen. Darüber befand sich ein fünfzehn Fuß breites Eisenbahngleis, und über diesem eine achtzehn Fuß breite und beidseitig von Gehwegen flankierte Wagenfahrbahn.

An beiden Enden ragten aus roten Backsteinen gemauerte Türme, mit Schießscharten für Musketen und Durchbrüchen für schwere Geschütze, empor, und die Wegrampe führte an den Flügelmauern herab. An ihren rauen noch unfertigen Straßenabschnitten wimmelte es vor Hunderten aus den gähnenden Schottergruben herauskriechender, mit gefüllten Säcken beladener Esel, und die heiße Nachmittagsluft war vom Getrampel der Hufe, dem Aufschlagen der Stöcke der Treiber und dem Aufklatschen niederrollender Erde erfüllt.

Der Wasserstand des Flusses war sehr niedrig und auf dem blendenden weißen Sand zwischen den drei mittleren Pfeilern waren Schwellenstapel(3) aufgerichtet, deren Zwischenräume innen mit Erde ausgestampft waren und außen mit Erde beschmierte waren, um die Last der Gitterträger bis zur abgeschlossenen Vernietung zu tragen. Im kleinen tiefen Gewässer, das die Dürre noch übrig gelassen hatte, wanderte ein Brückenkran entlang seiner Kranbahnen hin und her und ruckelte Eisenteile, schnaufte und grunzte wie ein Elefant auf dem Zimmerplatz. Hunderte von Nietmonteuren schienen an das Gitterwerk und auf das Eisendach der Eisenbahnlinie hingeklebt zu sein und hingen an unsichtbaren Gerüsten unter den Bäuchen der Träger herab, ballten sich um die Gurgeln der Stützpfeiler und saßen rittlings auf den auskragenden Fußsteigen, ihre Feuertöpfe(4) und die jeden Hammerschlag beantwortenden Flammenspritzer leuchteten schwachgelb im glänzenden Sonnenlicht.

Östlich, westlich und nördlich ratterten und quietschten Bauzüge die Kais hinauf und hinunter, während auf den Kastenkippern braun-weiße Steine herumflogen, bis die Seitenbretter lose waren, und dann wurden mit Getöse und Geknurre wieder ein paar tausend Tonnen Material ausgeschüttet, um so den Fluss im Zaum zu halten.

Findlayson, C.E., wandte sich auf seiner Draisine(5) um und blickte über die Landschaft, welche im Umkreis von sieben Meilen ihr Gesicht verändert hatte.

Er warf einen Blick auf das summende Dorf mit seinen fünftausend Arbeitern, betrachtete die Spuren und den Sand, blickte dann über den Fluss zu den weit entfernt stehenden, im Dunstschleier kaum erkennbaren Brückenpfeilern hin, dann weiter zu den Wachtürmen - von denen nur er wusste, wie stark sie waren - und nahm dann mit einem Seufzer der Befriedigung zur Kenntnis, dass sein Werk gut gelungen war.

Dort im Sonnenlicht entstand vor seinen Augen eine Brücke, welche nur noch ein paar Wochen Arbeit an den Tragbalken der drei mittleren Pfeiler benötigte - seine Brücke, so rau und hässlich wie die Erbsünde zwar, aber vortrefflich und dauerhaft. Sie würde auch noch stehen, wenn die Erbauer keine Erinnerung mehr daran haben würden, ja sogar dann noch, wenn das hervorragende Findlayson-Sprengwerk verblichen wäre. Diese Aufgabe war so gut wie abgeschlossen.

Der zweite Ingenieur Hitchcock, sein Assistent, kam auf einem kleinen Kabuli-Pony(6) mit einem gertendünnen Schweif, das durch langes Training auch sicher über einen Brückenbock geritten werden konnte, die Bahnlinie entlang galoppiert und nickte seinem Chef zu.

„So gut wie fertig“, sagte er lächelnd.

„Hab gerade daran gedacht“, antwortete der Senior. „Keine schlechte Arbeit für zwei Männer, nicht wahr?“

„Eineinhalb! Wenn ich bloß daran denke, was für ein Grünschnabel aus dem Lederstrumpf(6) ich war, als ich hier anfing!“ Jetzt, nach dreijähriger Erfahrung, die ihm Verantwortung und Kompetenz gelehrt hatte, fühlte er sich sehr gealtert.

„Ja, Ihr wart ein blutiger Anfänger“, sagte Findlayson. „Frage mich, wie Euch das Kantorleben schmecken wird, wenn Ihr hier fertig seid.“

„Ich werde es verabscheuen!“, erwiderte der junge Mann und er folgte Findlaysons Blick. „Ist verdammt gut geworden!“

„Ich denke, wir sollten zusammenbleiben“, sagte Findlayon zu sich selbst. „Ihr seid viel zu gut, um Euch an jemand anderen zu verschwenden. Ihr wart ein grüner Junge und jetzt seid Ihr Assistent. Persönlicher Assistent in Shimla solltet Ihr werden, wenn mir in dieser Sache irgendein Verdienst zufällt.“

In der Tat hatte die Arbeitslast auf Findlayson und seinem Assistenten gemeinsam gelegen. Für diesen jungen Mann hatte er sich entschieden, um ihn für diese Aufgabe zu formen. Vorarbeiter gab es fünfzigerweise - Monteure und Nieter, von den Eisenbahngesellschaften ausgeliehene Europäer mit vielleicht zwanzig weißen und Halbblutuntergebenen, welche unter ihrer Oberanleitung Schwärme von Männern führen konnten, aber keiner wusste besser Bescheid als diese beiden, die sich auf eine Weise aufeinanander verlassen konnten, wie den Untergebenen nicht vertraut werden konnte.

Sie hatten gar manche Krise miteinander zu meistern gehabt - ein weggleitender Ausleger, ein gerissener Flaschenzug, ein gebrochener Kran oder die Wut des Flusses - aber keine Beanspruchung hatte irgendeinen der anderen Männer so herausgefordert, dass er sich so unbarmherzig wie sie selbst hätte ins Zeug legen müssen. Findlayson ließ all das nochmals in seinem Kopf Revue passieren: die monatelange Arbeit an den Zeichentischen, welche auf einen Schlag vernichtet wurde, als die indische Regierung im letzten Augenblick die Breite der Brücke um zwei Fuß erweiterte, wohl der Meinung war, dass Brücken aus Papier herausgeschnitten würden, was einen Stoß von Berechnungen hinfällig machte - und den mit Enttäuschungen noch unvertrauten Hitchcock, der seinen Kopf in seinen Armen vergrub und zu schluchzen anfing; die herzzerreißenden Verzögerungen bei den Vertragsabschlüssen mit England; den zwecklosen Schriftverkehr, in dem saftige Provisionen angedeutet wurden, wenn dieses oder jenes zweifelhafte Zugeständnis durchginge; der im Schlepptau der Ablehnung nachkommende Krieg; die auf den Kampf folgende vorsichtige, höfliche Behinderung auf der anderen Seite, bis der junge Hitchcock unter Zusammenlegung seiner Urlaubszeiten und Hinzunahme von zehn Tagen von Findlayson seine Ersparnisse eines ganzen Jahres zusammenkratzte, um eine wilde Spritztour nach England anzutreten, wo er - wie er anschließend selbst bezeugte und es durch spätere Abmachungen belegt wurde - einem Mann so viel Gottesfurcht einflößte, dass dieser nur noch das Parlament fürchtete und dies immer wieder beteuerte, bis Hitchcock mit ihm zusammen alles an dessen eigenen Esstisch ausgearbeitet hatte, woraufhin er vor der Kashi-Brücke und allen, die in ihrem Namen sprachen, einen Heidenrespekt hatte. Dann war da die Cholera, welche über Nacht ins Dorf bei den Brückenarbeiten kam. Nach der Cholera wüteten die Pocken. Das Fieber(8) war ohnedies immer bei ihnen.

Um mehr Ordnung in die Gemeinschaft zu bringen, hatte Hitchcock einen Amtmann dritter Rangklasse(9) mit Peitschbefugnis ausgestattet, und Findlayson sorgte dafür, dass er diese Befugnis gemäßigt wahrnehmen ließ und lernte, worüber er hinwegsehen und worauf er achten solle.

Es war ein langer, langer Tagtraum, in dem alles vorkam, von Stürmen, plötzlichen Hochwassern, Tod in jeder Form und auf jede Weise, gewalttätiger und fürchterlicher Wut gegen den Amtsschimmel, welche einen Mann, der weiß, dass er sich sinnvollerweise mit anderen Dingen beschäftigen sollte, zur Raserei bringen kann bis zur Dürre, Kanalisierung, Finanzen, Geburten, Eheschließungen, Beerdigungen und dörflichen Aufruhr unter zwanzig verfeindeten Kasten; Streitigkeiten, Protesten, Überredungsversuchen und der schieren Verzweiflung, mit der ein Mann zu Bett geht, dankbar dafür, dass sein Gewehr zerlegt in einem Waffenkoffer liegt.

Hinter all dem erhob sich die Kashi-Brücke - Blech um Blech, Pfeiler um Pfeiler, Träger und Träger riefen beim allgegenwärtigen Hitchcock, der seinem Chef von Anfang an zur Seite gestanden hatte, Erinnerungen hervor.

Die Brücke war also die Arbeit von zwei Männern - es sei denn, man...