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Das Schicksal der Templer - Roman

Martina André

 

Verlag Aufbau Verlag, 2015

ISBN 9783841209856 , 576 Seiten

2. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz frei

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9,99 EUR


 

KAPITEL 1

HERBST 2005

Hauptquartier der National Security Agency (NSA Fort George G. Meade /Maryland USA)

Crypto City

»Dr. Stevendahl wird sich nur schwer davon überzeugen lassen, jetzt schon in Pension zu gehen.« Alexander Lafour, General der National Security Agency – kurz NSA – Sektion Deutschland, warf seinem Vorgesetzten und Deputy Director Warren B. White, der auf der anderen Seite des Schreibtisches saß, einen zweifelnden Blick zu. Dann lehnte er sich mit seiner ganzen Masse, die seine mit Orden übersäte dunkelgrüne Uniform zu sprengen drohte, in seinem Besucherstuhl zurück und nahm einen Schluck Whisky, den ihm die weiß uniformierte Ordonnanz seines Chefs kurz zuvor mit einem Spritzer schottischen Quellwassers in einem Kristallglas serviert hatte. Erst nachdem der junge Soldat auf Befehl von White abgetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, fuhr Lafour mit seinen Erläuterungen fort. »Stevendahl ist noch nicht einmal fünfunddreißig und als Quantenphysiker sicher ein begnadetes Talent. Etwas, das ihn auszeichnet, aber auch ein Risiko birgt«, erklärte er seinem Vorgesetzten mit düsterer Miene. »Sein Ehrgeiz kennt so gut wie keine Grenzen. Professor Hagen hat ihn bereits vor seinem Tod als seinen Nachfolger aufgebaut. Danach hat er bis auf die Wartung des Fusionsreaktors lückenlos dessen Aufgaben übernommen. Einen besseren Mann hätten wir als Ersatz für die Projektleitung von C.A.P.U.T. nicht bekommen können. Dass am Ende alles schiefgelaufen ist, hat nichts mit seiner Qualifikation zu tun, sondern eher mit seiner Unkenntnis in militärischen Angelegenheiten. Er ist nun mal Wissenschaftler, kein Soldat, und auch seine Menschenkenntnis hält sich in Grenzen, wenn Sie mich fragen.«

»Für mich hört sich das fast so an, als wollten Sie ihn in Schutz nehmen, General.« White, ein durchtrainierter fünfzigjähriger Marathon-Mann mit schmalem Windhundprofil, und damit das komplette Gegenteil von Lafour, der mit seiner Schulterbreite einem Kleiderschrank Konkurrenz machen konnte, schaute seinen Untergebenen misstrauisch an. Dabei trommelte er ungeduldig mit seinen schmalen Fingern auf dem Teakholztisch herum, als ob er es kaum erwarten könnte, den jungen dänischen Quantenphysiker endlich zum Abschuss freizugeben.

»Nein, nein«, beeilte sich Lafour zu sagen und nippte hastig an seinem Whisky, während White sich auf eine warme Tasse Jasmintee aus feinstem Chinaporzellan beschränkte, die er stets mit abgespreiztem Finger zum Mund führte. Eine Geste, die Lafour regelrecht erschauern ließ, weil sie ihm so unmännlich erschien. Doch hinter Whites weibischem Gehabe, das wohl eine gewisse britisch anmutende Eleganz verkörpern sollte, steckte ein eiskalter Taktiker, der – wenn es nötig wurde – ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen ging. Wobei er die Drecksarbeit, wie er es so schön formulierte, natürlich anderen überließ.

»Ich meine nur, Stevendahl ist viel zu sehr mit sich selbst und seinen Forschungen beschäftigt, als dass er auf seine Mitmenschen achtet«, versuchte Lafour seine vorherige Bemerkung abzuschwächen. »Das hätten wir vielleicht berücksichtigen müssen.«

White beäugte seinen Vertreter in Deutschland mit einem kritischen Blick und nahm noch einen Schluck Tee. Danach hielt er einen Moment inne und atmete hörbar ein, bevor er zu einer Antwort ansetzte. »Das ist genau der Grund, warum wir Dr. Stevendahl bei unserem aktuellen Projekt nicht mehr rekrutieren können. Zudem ist er, wie Sie bereits erwähnten, kein Plasmaphysiker. Das heißt, für die Reparatur des Kernfusionsreaktors kommt er ohnehin nicht infrage«, sagte White nachdenklich. »Und zu unserem großen Bedauern kann er nicht mit der wissenschaftlichen Bandbreite eines Professor Hagen aufwarten, der sich auf beinahe allen Feldern der Physik einen Namen gemacht hat.« White zuckte die Schultern und blickte Lafour mit seinen blassgrünen Augen über den Rand der Tasse hinweg intensiv an, während er noch einmal kurz daran nippte. »Wir vermissen das Knowhow dieses eigensinnigen Deutschen immer noch schmerzlich.«

»Hagen ist tot«, stellte Lafour ohne eine Spur von Bedauern fest. »Und was das mangelnde Vertrauen angeht, stand er Stevendahl in nichts nach. Schließlich hat er uns bis zum Schluss vorgemacht, die Erfindung des Timeservers basiere ausschließlich auf seinen eigenen Forschungen. Schlimmer noch – er hat auf unsere Kosten gemeinsame Sache mit den Arabern gemacht, indem er die Anleitung zum Bau seiner Anlage von einem libanesischen Architekten erhalten hat. Dass dessen sogenannter arabischer Freund die Pläne in einem achthundert Jahre alten Grab auf dem Tempelberg gefunden hat und nichts damit anzufangen wusste, werte ich nicht als Entschuldigung für Hagen. Er hätte uns über diesen Kontakt informieren müssen. Wenn er es getan hätte, wäre auch der Reaktor nicht in die Luft geflogen, was vielleicht ein noch viel größeres Übel ist. Mit diesem Ding hätten uns die arabischen Ölmultis auch ohne Fracking spätestens in fünf Jahren sonst wohin kriechen können, um ihre schwarze Brühe loszuwerden. Schließlich ging es bei der Sache nicht nur um Zeitreisen, sondern in erster Linie um die Unabhängigkeit von exorbitant überteuerten Rohstoffen.«

Lafour schnaubte kurz und heftig, bevor er sich White missmutig zuwandte.

»Nein«, war sein deutlicher Einwand. »Hagen war kein Mensch, der sich je an Regeln gehalten hätte.«

»Dafür war er ein Genie«, erwiderte White tonlos. »Genies sind dafür bekannt, dass sie sich nicht an Regeln halten, sonst wären sie wohl nicht so kreativ. Und Stevendahl war sein Schüler. Also, was schließen wir daraus?«

»Ich weiß, was sie meinen«, knurrte Lafour ungehalten. »Für unser Projekt auf dem Sinai benötigen wir zuverlässige Leute, und nicht solche, die, ohne uns zu informieren, einen Alleingang starten.«

»Wir müssen uns darüber hinaus verstärkt auf die Zukunft konzentrieren und weniger auf die Vergangenheit«, warf White leicht genervt ein. »Agent Tanner warnt uns in seinem Bericht vor einem Glaubenskrieg gigantischen Ausmaßes, in dem sich arabische Terrorgruppen flächendeckend gegen den Westen erheben. Was dazu führt, dass die USA den Iran angreifen, nachdem dieser einen vermeintlichen Angriff der Israelis mit einem atomaren Vergeltungsschlag beantwortet, obwohl die Geschichte in Wahrheit auf das Konto arabischer Terroristen geht. Danach bricht ein weltweites Chaos aus.«

»Ja, ungefähr so soll es ablaufen«, bestätigte Lafour und starrte zum Fenster auf den weitläufigen Hof hinaus, wo gerade eine Einheit der Navy Seals in strömendem Regen von einem morgendlichen Trainingslauf zurückkehrte. »Erst nach diesem Szenario kommen seinen Angaben zufolge Chinesen und Russen ins Spiel, die uns an unserer schwächsten Flanke, der kollabierenden Wirtschaft, angreifen. So, wie er sagt, wird die Welt, wie wir sie kennen, danach in verschiedene kapitalistische Kartelldiktaturen aufgespalten sein, die von mafiösen Wirtschaftsmagnaten regiert werden.«

»Ist das nicht jetzt schon der Fall?« White verzog seine schmalen Lippen zu einem fatalistischen Grinsen.

»Solange die Vereinigten Staaten von Amerika die Kontrolle behalten, ist alles in Ordnung«, antwortete Lafour. »Das ist zumindest die Meinung unseres geschätzten Präsidenten.«

»In Tanners Version kann davon aber nicht die Rede sein«, stellte White unmissverständlich fest. »Umso wichtiger erscheint es, die Quelle des Schicksals zu finden, wie Tanner jenen Ort nannte, von dem aus es ihm vollkommen ohne Technik gelungen sein soll, aus einer achthundert Jahre zurückliegenden Vergangenheit auf die heutige Ranch seines Vaters zu gelangen.«

Lafour stellte sein mittlerweile leeres Glas zurück auf den Tisch und schüttelte immer noch ungläubig den Kopf. »Ich frage mich, wie so was möglich sein soll, Sir.«

White streckte seine feingliedrige Hand nach der Teekanne aus, die ihm die Ordonnanz auf ein Stövchen gestellt hatte, und goss sich noch etwas von dem grünlichen Gebräu in die hauchdünne Porzellantasse. Nachdem er einen Schluck genommen hatte, seufzte er leise.

»Seit Hagen diese Maschine gebaut hat, die uns einen waschechten Templer aus dem Mittelalter samt seiner Mannschaft beschert hat, halte ich so gut wie nichts mehr für unmöglich. Wenn Tanner die Wahrheit sagt, könnte an dem Ort, der ihn, auf welche Weise auch immer, zurück in die Zukunft katapultiert hat, etwas verborgen sein, mit dem sich möglicherweise das gesamte Universum beherrschen lässt.«

»An was denken Sie?«, fragte Lafour unvermittelt.

»Die Bundeslade«, antwortete White ebenso spontan, wobei er ein fragwürdiges Lächeln aufsetzte, das den Ernst seiner Antwort nicht eben unterstrich. »Schon die Nazis waren daran interessiert.«

»Na ja«, erwiderte Lafour ein wenig perplex, »die haben sich ja so gut wie jedes Mysterium zu eigen machen wollen. Mit entsprechendem Misserfolg. Außerdem ist das nichts Neues. Schließlich wird seit jeher vermutet, dass die Templer Hüter der Bundeslade sind. Aber davon haben weder unsere Templer noch Tanner etwas berichtet. Er sprach lediglich von einem merkwürdigen Gestein, das offenbar dazu fähig ist, Menschen, die mit dem Material in unmittelbaren Kontakt kommen, besondere Fähigkeiten zu verleihen. Aber er konnte uns weder eine genaue Beschreibung dieses Wunders liefern noch seine Funktion erklären.«

»Diese temporären Wissenslücken und die damit verbundene Unsicherheit in einer so außerordentlich wichtigen Angelegenheit sind die Hauptgründe, warum der Präsident neben einer exzellenten Fachkompetenz nur die zuverlässigsten Leute duldet, um Tanners Geheimnis zu ergründen«, monierte White...