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Goethe

Waldtraut Lewin

 

Verlag cbj Kinder- & Jugendbücher, 2009

ISBN 9783641011673 , 384 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR


 

Die Ausbeute (S. 181-182)

Während des Italienaufenthaltes steht die literarische Produktion eindeutig zurück hinter dem malerisch-zeichnerischen Werk – aber das Zeichnen ist sozusagen der Ersatz der Kamera, die jeder Reisende heute um den Hals trägt. Goethe »nimmt auf«. Fast neunhundert Zeichnungen sind überliefert. Infolgedessen ist das, was nun während dieser Zeit als Dichtung entstanden ist, vergleichsweise wenig. Aber ein Ergebnis muss ja nicht immer gleich sichtbar sein. Erlebtes und Verinnerlichtes haben oft Langzeitfolgen. Aus Rom schickt er eine überarbeitete Fassung der »Iphigenie « an Freund Herder. Aus dem Prosatext sind jetzt wun derschöne Verse geworden, die dem Stoff besser zu Gesicht stehen als die alte Form.

Zwei große Theaterstücke verdanken wir dem Italienaufenthalt: »Egmont« und »Tasso«. Der »Egmont« gehört eigentlich zu den frühen Projekten, er war schon zwölf Jahre vorher in Angriff genommen worden und Vater Goethe mochte diesen Stoff besonders wegen seines »freiheitlich-bürgerlichen« Inhalts. Worum geht es? Das Stück beruht auf historischen Tatsachen. Im 16. Jahrhundert befreiten sich die Niederländer von der kolonialistischen Bevormundung durch das mächtige Spanien – der historische Graf Egmont ist, genau wie im Drama, einer der Führer dieser Rebellion.

Durch seine allzu vertrauensvolle, ja leichtsinnige Haltung verliert er das Leben und wird von den Spaniern hingerichtet. Aber sein Märtyrertod bewegt die Revolution vorwärts. »Egmont« ist das politischste aller Goethe-Stücke. Hier münden seine Erfahrungen als Staatsmann und seine Meinungen über Freiheit und Selbstbestimmung des Volkes einerseits und Herrschaftsanspruch der Obrigkeit andererseits. Das sind zum Teil bittere Wahrheiten: Der Wankelmut und die Verzagtheit des Volkes, das nur so lange aufmuckt, bis es die Faust im Nacken spürt, und die Erkenntnis, dass eine Regierung, die sich auf Kompromisse einlässt und auf Forderungen von Aufständischen eingeht, zum Scheitern verurteilt ist. Der Konflikt zwischen Regierung und Volk ist nicht lösbar, zu tief sind die Gegensätze der Interessen.

Die nachgiebige spanische Regentin, bemüht um Übereinstimmung der Parteien, muss scheitern, erst Herzog Alba, der Egmont kurzerhand einkerkern lässt und mit Angst und Schrecken regiert, schafft wieder »Ruhe im Land«. Es gibt im »Egmont« eine der schönsten Frauengestalten, die Goethe je geschaffen hat: das Klärchen. Klärchen ist die bürgerliche Geliebte des Adligen Egmont, ein junges Mädchen voller Tapferkeit, Leidenschaft und Hingabe – sie geht sogar auf die Straße und versucht, die Bürger zu mobilisieren, als Egmont in den Kerker kommt.

Es ist bezeichnend für Charlotte von Stein, als sie das Stück denn zu Gesicht bekommt, dass sie für diese literarische Figur kein Gespür entwickelt. Naserümpfend schreibt sie, das Klärchen sei doch nichts weiter als eine Dirne, und Goethe kontert verärgert, dass ihr wohl seit eh und je nicht ganz klar sei, welche Abstufungen es zwischen Dirne und Göttin gibt… Sie wird geschluckt haben.