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Von Skinheads keine Spur

Lutz Dijk

 

Verlag cbt Jugendbücher, 2009

ISBN 9783641010560 , 192 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,99 EUR

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Wendezeit (S. 101-102)

Inzwischen hatte ich begonnen, mich etwas an den Alltag im Lager zu gewöhnen. Etwa drei Viertel der Flüchtlinge hier waren Frauen und kleine Kinder. Obwohl niemand mehr besaß als das, was er auf dem Leibe trug, war die Versorgung im Lager erstaunlich gut. Mehrere internationale Hilfsorganisationen sowie die Regierung von Angola brachten genug Lebensmittel. Außerdem gab es für die rund 5000 Menschen in unserem Lager eine ausgezeichnet eingerichtete Krankenstation. Am meisten beeindruckte mich jedoch die schulische Versorgung. Alle Kinder erhielten täglich mehrere Stunden Unterricht in Englisch, Rechnen und Geschichte. Mehrere Jugendliche und Erwachsene, die bereits in Namibia eine Schule besucht hatten und lesen und schreiben konnten, betreuten täglich so eine Kindergruppe für mindestens zwei Stunden. Dafür konnten wir am Nachmittag selbst zwei bis drei Stunden studieren und wurden von anderen Arbeiten freigestellt.

Nie zuvor hatte ich als Lehrer gearbeitet. Trotzdem machte es mir großen Spaß, einer Gruppe von rund fünfzig Minis zwischen sieben und zehn Jahren die ersten Grundkenntnisse der englischen Sprache zu vermitteln.Wir hatten nur wenige Tafeln und schon gar keine Schulbücher oder gar Hefte und Schreibzeug. Deshalb versuchte ich, mir immer neue Dinge einfallen zu lassen, um ihre Lust am Lernen zu wecken. Unser Unterricht fand am Rand des Lagers unter einem großen Baum statt. Meistens saßen die Kleinen schon in kleinen Gruppen zusammen und sangen oder spielten. Manchmal stritten sich auch einige fürchterlich, sodass ich ihr Geschrei schon von weitem hörte. Zu Beginn ließ ich sie immer in zwei Kreisen aufstellen – einen Innen- und einen Außenkreis. Zuerst standen sie mit dem Rücken zueinander.

Dann grüßten wir alle die Sonne und den Baum, der uns Schatten gab, die Mütter, die auf dem Feld für uns arbeiteten, und die Väter, die für unsere Befreiung kämpften oder in Namibia im Gefängnis saßen. Dann drehten sie sich zueinander und begrüßten sich gegenseitig: »Good morning, Linda! How are you?« Wir sangen und tanzten und spielten so viel in Englisch, wie mir nur einfiel. Als ich endlich eine Tafel bekam, arbeiteten wir einen Tag daran, dass jedes Kind sich eine kleine, ebene Sandfläche schuf, in die es später mit einem Stöckchen Buchstaben und Worte ritzen konnte.

Oft vergingen die zwei Stunden wie im Flug, und ich hätte noch gern weiterunterrichtet, hätte ich nicht noch andere Pflichten im Lager gehabt. Ich wünschte mir jedenfalls, später in einem freien Namibia einmal als Lehrer arbeiten zu können. An einem Tag im März überraschten mich meine Minis mit einem ganz besonderen Lied, das nicht ich ihnen beigebracht hatte. Aus fünfzig kleinen Kehlen schmetterte mir entgegen:

»Happy birthday to you!« Fünfmal hintereinander, immer wieder dieser Refrain. Dann klatschten sie alle mir zu – und ich natürlich ihnen für die perfekte Darbietung. Ich hatte gar nicht daran gedacht, dass an diesem Tag mein sechzehnter Geburtstag war. Etwas später sagte eine Mutter, die in einem der Lagerbüros arbeitete: »Sie wollten dir unbedingt eine Freude machen, Comrade Jim – aber ich wusste leider auch nicht genau, wie dieses Lied eigentlich weitergeht!« Ich lachte und bedankte mich bei ihr: »Es war perfekt, wirklich – noch nie habe ich so ein schönes Lied bekommen!«