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Lassen Sie es mich so sagen ... - Dombrowski deutet die Zeichen der Zeit

Georg Schramm

 

Verlag Blessing, 2009

ISBN 9783641017910 , 273 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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7,99 EUR


 

7 Der Sozialdemokrat – eine aussterbende Spezies (S. 103-105)

»Das 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Sozialdemokratie « – den Satz hat vor langer Zeit der große Liberale ralf Dahrendorf gesagt, einer der wenigen Deutschen, die es in england zu hohem rang und ansehen gebracht haben. Das 20. Jahrhundert liegt nun hinter uns, und die Kraft der Sozialdemokratie schwindet im gleichen maß wie die Bedeutung der arbeiter für das Wirtschaftswachstum. mir bot sich die Gelegenheit für ein kurzes resümee, als im mai 2003 Dieter hildebrandts letzter »regulärer« »Scheibenwischer« gesendet wurde. (Danach folgte im oktober 2003 die große abschiedssendung, dazu siehe »ein starker abgang«, S. 152.)

Die Ära hildebrandt ging zu ende, die Ära des sozialen Friedens im Land ebenfalls, dazu die agonie des Sozialstaats und das schrille Triumphgeheul der Neoliberalen in Union und FDP. abschiedsstimmung und Wehmut lagen in der Luft, als die letzte Sendung begann: für die Zuschauer im Studio, für die langjährigen mitarbeiter der Sendung, die hildebrandt in all den Jah ren nach jeder Sendung in den »Preußischen Landgasthof « eingeladen hatte, und nicht zuletzt für mich. Ich habe einen – im alltag meist sorgfältig verborgenen – hang zur Sentimentalität und bin dem Pathos nicht abgeneigt, wenn sich eine gute Gelegenheit bietet.

Und dieser abend war eine gute Gelegenheit. Der Sozialstaat, die SPD und Dieter Hildebrandt Wir erleben das ende einer Ära, der wir noch lange nachtrauern werden. Wenn wir über den Niedergang des Sozialstaates geredet haben, sollten wir auch noch kurz einen Blick auf seine preußischen anfänge werfen. an einem solchen abend ein klein wenig auszuholen, halte ich für angemessen. »Die soziale Frage lässt alle regierungen schaudern«, hat Bismarck gesagt. er wollte sie lösen. »Um Sozialisten und Sozialdemokraten zu bekämpfen, muss man den berechtigten Teil ihrer Forderungen erfüllen.«

Sein Plan war, durch ein minimum an Staatssozialismus zugunsten einer Sozialversicherung die SPD dauerhaft von ihrem radikalen Teil abzuspalten. Finanzieren wollte er das Ganze durch umfassende Tabakbesteuerung und materielle Zugeständnisse des Kapitals. So dachte der alte Bismarck vor 120 Jahren. Sein Finanzierungsmodell scheiterte an der Lobby des Kapitals. Damals schon. Seine Sozialreformen fi­, e len so mickrig aus, dass die SPD weiter wuchs. Das 20. Jahrhundert wurde das Jahrhundert der Sozialdemokratie. Sie löffelte nach dem ersten Weltkrieg die Suppe für andere aus. Sie verhinderte 1919 die revolution, was ihr das Bürgertum niemals dankte. Sie milderte nach dem Zweiten Weltkrieg die großen Lebensrisiken der kleinen Leute, verlieh der Industriegesellschaft zusammen mit den Gewerkschaften menschliche Züge.

Und nun ist das Jahrhundert der Sozialdemokratie vergangen. Zu Beginn des neuen, des 21. Jahrhunderts wird ihre Gefolgschaft nicht mehr als arbeitskraft gebraucht. Die SPD hat ihre Schuldigkeit getan und kann gehen. Wir erleben das ende eines äußerst erfolgreichen Gesellschaftsvertrages, der auf Wachstum und Vollbeschäftigung basierte. Wir ahnen, dass Vollbeschäftigung nur eine kurze episode der Industriegesellschaft gewesen ist und massenarbeitslosigkeit ihr Normalzustand. Wir ahnen, dass unser geliebtes und gelobtes Wachstum kein Naturgesetz ist. aber kann eine zivile Gesellschaft ohne Wachstum leben? Wenn das zum Leben Notwendige so effi­,zient produziert wird, dass dauerhaft 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung erwerbslos sind, wie kriegen wir das unter ein Dach? Wäre das nicht die Stunde der opposition, des Bürgertums?