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Der helle Horizont - Roman

Wieslaw Mysliwski

 

Verlag btb, 2009

ISBN 9783641010171 , 641 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

KAPITEL 3 (S. 157-158)

Mohrchen Ich weiß nicht, wie der Wunsch in mir aufgekommen war, einen Windhund zu haben. Zumal es Mohrchen schon gab. Und seit wir ins Dorf gekommen waren, zu den Großeltern, bei Ausbruch des Krieges, war Mohrchen mein treuester und wohl mein einziger wahrer Freund und der Mitwisser meiner geheimsten Kümmernisse. Ich könnte sogar sagen, es war Mohrchen, der mir Eingang in eine mir unbekannte Welt verschafft hatte, in die Wiesen, die Kühe, die Jungs auf der Weide.

Und so sah ich in Mohrchen nicht den Hund. Keiner sah den in ihm bei den Großeltern. Mohrchen war Mohrchen, ein Hausgenosse, zur Familie gehörig, eingebunden in ihre Sorgen, Nöte, Mühen, Schmerzen und Ängste, doch auch in die seltenen Augenblicke der Freude. Er war übrigens empfänglich für alle diese Stimmungen, und sobald etwas Betrübliches geschah, verfiel er sofort in Schwermut, kam nicht aus der Hütte und hatte für die Schüssel mit dem Fressen, die ich ihm brachte, denn diese Aufgabe fiel mir zu, nur einen gleichgültigen Blick. Er bellte dann nicht, selbst wenn ein Fremder den Hof betrat, und die Hühner, Gänse, Enten konnten ihm regelrecht auf der Nase herumtanzen.

Nachts jaulte er nicht, mochte der Mond rund sein wie eine Plinse, nicht einmal dann, wenn einer im Dorf im Sterben lag. Und wenn man ihn von der Kette ließ, sauste er nicht ins Dorf, sondern kam in die Kate, legte sich unter den Tisch und blieb so liegen, fühllos gegen die zärtlichsten Worte oder gegen Streicheln. So gar die Katze konnte dann ungeniert auf der Ofenbank liegen. Schon gar nicht aber vertrug er, wenn einer im Haus weinte. Dann schwänzelte er ihm um die Beine herum, kletterte ihm auf den Schoß, kläffte ihn an oder winselte zur Abwechslung, aber irgendwie so seltsam, dass es einen kalt überlief.

Dann hieß es, wein nicht, sonst weint Mohrchen. In den seltenen Augenblicken der Freude hingegen war das Haus erfüllt von Mohrchen, er sprang, rannte, von Onkel Wladek zu Onkel Stefan, vom Großvater zur Großmutter, von der Mutter zu Tante Jadwinia, von Tante Marta zum Vater, zu mir. Er zerrte an Hosen, Röcken, tat, als wollte er beißen. Er zog unter den Betten hervor, was er gerade fand, Schuhe, Latschen, Fußlappen, Socken, Strümpfe, schleifte sie durch die Stube, beutelte sie, knurrte, als hätte er es mit etwas Lebendigem zu tun, und zuweilen geriet er dermaßen außer Rand und Band, dass man ihn hinauswerfen musste, anders war seiner nicht Herr zu werden.

Einmal stieß er vor lauter Freude den Melkeimer um, den Tante Jadwinia hereingebracht hatte. Ein andermal fiel er in den Spülichtzuber. Dann wieder zertepperte er eine Lampe, sie hatte am Rand des Tischs gestanden, und er war nach einer Schmeißfliege gesprungen, die sich eben dort niederließ. Und das alles, um zu bezeugen, wie er sich mit uns freute. Neben den gewöhnlichen Pflichten versah er in der Familie also noch viele andere Aufgaben, in einer, wie man sagen könnte, nicht genau zu bezeichnenden, einzig einem Hund vorbehaltenen Sphäre. Genau dieses Thema hatte mir einmal der Herr Lehrer gestellt, bei dem ich Stunden nahm, der Hund im Leben des Menschen. Und als ich über Mohrchen schrieb, hatte er Zweifel geäußert, ob das ein Hund sei.