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Friedhof der Kuscheltiere - Roman

Stephen King

 

Verlag Heyne, 2011

ISBN 9783641053901 , 608 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

36 (S. 260-261)

Die Ansicht, es gäbe irgendwelche Grenzen für das Grauen, das der menschliche Geist zu erfassen vermag, ist vermutlich irrig. Im Gegenteil: Es sieht so aus, als stellte sich, wenn die Dunkelheit tiefer und tiefer wird, ein exponentieller Effekt ein - die menschliche Erfahrung neigt, so ungern man es auch zugeben mag, in vieler Hinsicht zu der Vorstellung, dass, wenn der Albtraum schwarz genug ist, Grauen weiteres Grauen hervorbringt, ein zufälliges Unglück weitere, oft vorsätzliche Unglücke zeugt, bis schließlich die Schwärze alles zudeckt.

Und die erschreckendste Frage dürfte sein, wie viel Grauen der menschliche Geist zu ertragen vermag, ohne seine wache, offene, unnachgiebige Gesundheit einzubüßen. Dass solchen Ereignissen eine eigene Rube-Goldberg-Absurdität innewohnt, versteht sich fast von selbst. Von einem bestimmten Punkt an wird alles fast komisch, und das kann der Punkt sein, an dem die geistige Gesundheit entweder obsiegt oder einknickt und zusammenbricht, der Punkt, an dem sich der Sinn eines Menschen für Humor wieder durchzusetzen beginnt.

Gedanken dieser Art hätten Louis Creed durch den Kopf gehen können, wenn er nach der Beisetzung seines Sohnes Gage William Creed am 17. Mai logisch gedacht hätte, aber jedes logische Denken - oder auch nur der Versuch - endete im Bestattungsinstitut, in dem eine Schlägerei mit seinem Schwiegervater (schlimm genug) zu einem noch grauenhafteren Ereignis führte: dem letzten Akt eines Melodrams aus der Schauerromantik, der das, was von Rachels schwacher Selbstbeherrschung noch übrig war, vollends zusammenbrechen ließ.

Die Folge der Groschenroman-Katastrophen dieses Tages war erst zu Ende, als sie schreiend aus dem Ostsalon des Bestattungsinstituts von Brookings-Smith herausgeführt wurde, in dem Gage in seinem geschlossenen Sarg lag, und sie im Foyer von Surrendra Hardu eine Beruhigungsspritze bekommen hatte. Die Ironie lag darin, dass ihr diese letzte Episode - dieser Überfluss des Grauens, könnte man sagen - erspart geblieben wäre, wenn die Schlägerei zwischen Louis Creed und Mr. Irwin Goldman aus Lake Forest während der Besuchszeit am Vormittag (10 bis 11.30 Uhr) stattgefunden hätte und nicht während der Besuchszeit am Nachmittag (14 bis 15.30 Uhr).

Am Vormittag war Rachel nicht anwesend; sie war einfach nicht in der Lage gewesen zu kommen. Sie saß mit Jud Crandall und Steve Masterton zu Hause. Louis konnte sich nicht vorstellen, wie er die voraufgegangenen achtundvierzig oder mehr Stunden ohne Jud und Steve durchgestanden hätte. Es war gut für Louis - gut für alle drei noch lebenden Familienmitglieder -, dass Steve so prompt erschienen war. Louis war zumindest zeitweise unfähig, irgendeine Entscheidung zu treffen, selbst eine so geringfügige wie die, seiner Frau eine Spritze zu geben, um ihren größten Schmerz zu betäuben.