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Höhenrausch - Die wirklichkeitsleere Welt der Politiker

Jürgen Leinemann

 

Verlag Blessing, 2009

ISBN 9783641010201 , 496 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

  • Der Rächer - Roman
    Schwarzbuch Scientology
    Die Deutschlandakte - Was Politiker und Wirtschaftsbosse unserem Land antun
    Der Tod wird euch finden - Al-Qaida und der Weg zum 11. September - Ein SPIEGEL-Buch
    Weltmacht Indien - Die neue Herausforderung des Westens

     

     

     

     

 

 

V Die Trümmerkinder (1998–2004) (S. 276-277)

Nachträglicher Ungehorsam

Kurz nach 20 Uhr 30 am Freitag, den 14. November – gerade eröffnete Bundespräsident Johannes Rau mit dem traditionellen Walzer den Bundespresseball 2003 – drang der Berliner Außenminister in die Festsäle des Hotels Intercontinental ein. Mit robustem Körpereinsatz gelang es ihm, unterstützt von seinen rempelnden und schubsenden Leibwächtern, den ersten Ring der Presseleute zu durchbrechen.

Im hektischen Feuer der Blitzlichter bahnte sich Joseph A. Fischer – rechte Hand in der Tasche, linke Schulter vorgeschoben, Kopf gesenkt – mit unbewegt düsterer Miene seinen Weg durch die Sperrwand der Mikrofone. Wo war seine neue Freundin Minu Barati, 28? Würde sie nachkommen? Feierte er allein? Eher wirkte der einstige Streetfighter Joschka so, als wolle er den Saal besetzen.Durch die Gasse, die ihm seine Bodyguards frei drängelten, eilte Deutschlands beliebtester Politiker wortlos an den wartenden Journalisten vorbei in den Saal, in dem die Musik spielte. Was für ein Auftritt für die TV-Kameras. Was für ein Kick fürs eigene Ego.

Wieder einmal hatte der Mann, der seine atemberaubende Karriere von der Frankfurter Sponti-Szene in die obersten Ränge der Welt-Diplomatie auch den Medien verdankte, den Pressemenschen seine Verachtung gezeigt. »Nacht des Lächelns«? Nicht mit Joschka. Eine Freundlichkeitsgrimasse für den amerikanischen Botschafter, an dessen Tisch er Platz nahm, musste genügen. Griesgrämig inhalierte Fischer die Aufmerksamkeit, die er erregte, ein Weltmeister der doppelten Botschaften. Seine Leibwächter schreckten Neugierige ab. Belauert von Kameras und gierigen Reporteraugen hielten sie Frager auf Distanz.

Der Platz an seiner rechten Seite war leer geblieben. Ob er seine geheimnisvolle FreundinMinu, dieDeutschland bis dahin nur aus Fotos der Boulevard-Presse kannte, mitbringen würde wie fünf Jahre zuvor seine künftige vierte Ehefrau Nicola, hatte er vieldeutig offen gelassen. Dass man bei Joschka immer mit allem rechnenmuss, steigert seine Attraktivität. Fischer, der ein Mann des Witzes und des Wortes sein kann, ein Machtspieler von hohen Graden, liebt diesen Schwund von Selbstverständlichkeiten. Wie er das denn fände, dass Dieter Bohlen an diesem Abend in Berlin die politische Prominenz bereichern dürfe, wollte eine Journalistin wissen.

»Joschka Fischer macht sich nicht einmal die Mühe hochzugucken«, notierte die Kollegin. »Er legt die Mutter aller grantigen Tonfälle in seine Stimme und knurrt: ›Vergessen Sie’s!‹« Sollte sich der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, gewandet in Smoking mit roter Weste, um einen hergelaufenen Popstar im Straßenanzug kümmern? Popstar war er selber – der einzige in der Politik, hatte sein Freund Daniel Cohn-Bendit behauptet. Fischer griff zum Handy und telefonierte. Mit wem nur, mit wem? Schon wieder ein Geheimnis. Er tat, als giggele er mit seiner Minu, doch sein Gesprächspartner war der stellvertretende Pressesprecher. Lautstark und feixend teilte er ihm mit, dass er natürlich nicht frei reden könne, mit dem »Kerl vom Spiegel« neben und »dreißig Fotografen« vor sich. Kurz, der Minister amüsierte sich wie Bolle. In der von Fischer selbst diagnostizierten »Entwicklung hin zumKotzbrocken« war er, wie alle Zeitungen und Fernsehstationen mehr oder weniger unverblümt vermerkten, an diesem Abend ein beträchtliches Stück vorangekommen.