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Der Ungarnaufstand 1956 - Eine Revolution und ihre Folgen

Paul Lendvai

 

Verlag C. Bertelsmann, 2009

ISBN 9783641010348 , 321 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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IX Die Dämme brechen (S. 115-116)

Die entscheidenden Tage zwischen dem scheinbaren Sieg der Revolution und der zweiten sowjetischen Intervention waren durch eine ganz merkwürdige Ambivalenz gekennzeichnet. Die Nagyregierung versuchte durch eine Vielzahl von Gesten das Vertrauen des Volkes zu gewinnen. Zugleich bemühte sie sich, durch Abmachungen mit den revolutionären und basisdemokratischen Organisationen, aber auch mit den sich neu formierenden Parteien der einstigen Koalition die Konsolidierung voranzutreiben.

Doch gerade diese Partner beschleunigten gleichzeitig durch Maximalforderungen das Tempo, um durch Druck immer neue Konzessionen von einer im Grunde machtlosen Regierung zu erzwingen. Die Staatspartei war schon nur ein Schatten der alten straff organisierten Kaderpartei, und die Gründung einer neuen Arbeiterpartei wurde bald beschlossen. Die anderen so genannten Koalitionsparteien waren noch nur Schattenparteien, weil sie über keine Organisationen verfügten. Die Staatssicherheit, die gefürchtete Säule der Diktatur, wurde zuerst demoralisiert und dann faktisch zerschlagen. Die Nationalgarde war erst in Ansätzen vorhanden.

Die Armee war auch weitgehend gelähmt und wurde von beiden Seiten – von den Aufständischen wie von den Sowjets – mit unverhohlenem Misstrauen angesehen. Die Polizei spielte während der gesamten Revolution nur eine marginale Rolle. Unter diesen Umständen konnte Imre Nagy einstweilen nur rhetorische Lösungen anbieten und zahlreiche Delegationen von Arbeiter- und Revolutionsräten aus der Provinz und aus Großbetrieben sowie Vertreter der Aufständischen von praktischen, auf die allgemeine Konsolidierung zielenden Schritten überzeugen. Allein am Abend des 30. Oktober empfing Nagy, zusammen mit Kádár, Tildy und Erdei, zehn verschiedene wichtige Delegationen.

Ungeachtet der soeben bekannt gegebenen Einführung des Mehrparteiensystems forderten die Delegierten fast alles sofort: freie Wah len, frei gewählte Gewerkschaften, den Austritt aus dem Warschauer Pakt, die Verkündung der Neutralität, den Abzug der sowjetischen Truppen aus dem Land und die Entfernung der alten, durch die Rákosizeit diskreditierten Minister aus der Regierung. Ähnliche Forderungen stellten die verschiedensten Organisationen, so auch das politisch besonders bedeutende Nationalkomitee von Transdanubien (Györ). Die Persönlichkeit Imre Nagys, seine Entschlossenheit und seine Aufrichtigkeit, gepaart mit seinem Plädoyer für »etwas Geduld«, beeindruckten die meisten seiner Gesprächspartner.

Nach der Begegnung der transdanubischen Delegation unter der Leitung von Attila Szigethy mit dem Regierungschef am 31. Oktober sprach der regionale Nationalrat am nächsten Tag der Regierung das Vertrauen aus und erteilte den Bestrebungen zur Gründung einer westungarischen Gegenregierung eine klare Absage.1 Die Revolution besiegte zwar die kommunistische Parteidiktatur, aber der endgültige Sieg hing vom Ausgang des nationalen Freiheitskampfes ab. Die sowjetische Regierung hatte in ihrer feierlichen Erklärung vom 30. Oktober die Fehler ihrer Politik gegenüber den Verbündeten zugegeben. Zugleich hatte sie sich bereit erklärt, die sowjetischen Truppen nicht nur aus Budapest abzuziehen, sondern mit der ungarischen Regierung und den anderen Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes auch Verhandlungen über den Aufenthalt der sowjetischen Truppen auf ungarischem Territorium aufzunehmen.

Diese Erklärung löste damals in Ungarn große Freude aus. Selbst der vorsichtig formulierende Imre Nagy, dem Botschafter Andropow den Text formell im Parlament überreicht hatte, war so beeindruckt, dass er in einer improvisierten Rede vor Demonstranten am Parlamentsplatz noch am frühen Nachmittag des 31. Oktober den »Triumph« und »Sieg des revolutionären Kampfes« proklamierte: »Wir werden keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Ungarns dulden… Wir erleben die ersten Tage des Sieges unserer Souveränität und unserer Unabhängigkeit… Hoch lebe die unabhängige, freie, demokratische ungarische Republik! Hoch lebe das freie Ungarn!«