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Die Taylor-Strategie - Roman

Robert Ludlum, Jamie Freveletti

 

Verlag Heyne, 2016

ISBN 9783641180591 , 448 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

Kapitel eins

Lieutenant Colonel Jon Smith war keine fünf Minuten gegangen, als er den Mann bemerkte, der ihm folgte. Ein zweiter stand weiter vorne an einer Straßenecke und zündete sich eine Zigarette an. Die Streichholzflamme offenbarte seine asiatischen Gesichtszüge. Zwischen den beiden erstreckte sich die dunkle Straße mit hohen Bäumen und Häusern. Und Smith.

Er kam von einer Cocktailparty im noblen Georgetown in Washington, die zu Ehren von Chang Ying Peng gegeben wurde, einem Mikrobiologen von Weltruf, der erst kürzlich aus einem chinesischen Gefängnis herausgeschmuggelt worden war. Dass einer der Männer, die ihn beschatteten, Asiate war, ließ Smith vermuten, dass es mit Peng zu tun hatte. Immerhin war er, so wie Peng, selbst Mikrobiologe. Die meisten Partygäste hatten hohe Positionen und Ämter inne, und Smith hielt es für durchaus wahrscheinlich, dass auch einige Undercover-Agenten von CIA und FBI anwesend waren, um dem Mann die eine oder andere Information zu entlocken. Diese Bemühungen blieben jedoch erfolglos, da die Anwältin, die eine Menschenrechtsorganisation dem Chinesen zur Verfügung stellte, ihren Schützling nicht aus den Augen gelassen hatte und sofort eingeschritten war, sobald jemand allzu tief bohrte.

Smith verlangsamte seine Schritte und schätzte seine Möglichkeiten ab. Vielleicht handelte es sich nur um FBI-Agenten, die alle Partygäste im Auge behielten, für den Fall, dass sich jemand mit feind­lichen Absichten eingesch­lichen hatte. Oder das Heimatschutzministerium? Während er sich dem Mann mit der Zigarette näherte, wurde er in seinen Spekulationen jäh unterbrochen. Der Asiate warf das Streichholz weg und griff mit der rechten Hand in sein Jackett, vermutlich um eine Pistole aus einem Holster zu ziehen.

Smith wandte sich nach links und rannte auf einem Gartenweg zwischen zwei Häusern hindurch. Hinter sich hörte er die Schritte des Asiaten, der sofort die Verfolgung aufnahm. Smith war über eins achtzig groß und musste sich ducken, um einem Erkerfenster auszuweichen, das den schmalen Weg noch mehr verengte. Zwischen den Häusern ging eine Sensorlampe an, die ihn in ihr grelles Licht tauchte. Ihn überfiel eine jähe Panik. Der Verfolger musste schon ein verdammt schlechter Schütze sein, um ihn auf diese Entfernung zu verfehlen. Smith gelangte zu einem Maschendrahttor, öffnete es und stolperte weiter. Weiter vorne versperrte ihm eine Garage mög­liche Fluchtwege, sodass ihm nur der Pfad geradeaus blieb. Er sprintete an der Garage vorbei und atmete erleichtert auf, als er den Garten des nächsten Hauses erreichte.

Er überquerte den Rasen und kam auf eine Straße, an deren Ende jedoch ein dritter Mann hinter einem Baum hervortrat. Instinktiv wandte er sich nach rechts und eilte den Gehsteig entlang. Ein kurzer Blick zurück verriet ihm, dass ihm der Mann mit der Zigarette immer noch auf den Fersen war.

Sie nahmen ihn in die Zange.

Die drei Männer näherten sich fast gemäch­lichen Schrittes in der Gewissheit, dass er ihnen nicht entwischen konnte.

Smith bog in einen schmalen Durchgang zwischen zwei Häusern ein und rannte los, sobald ihn seine Verfolger nicht mehr sehen konnten. Er griff in die Innentasche seines Jacketts und zog einen Kugelschreiber aus Edelstahl hervor. Als Militärarzt hätte er eine Waffe tragen dürfen, doch die Sicherheitsmaßnahmen bei der Cocktailparty waren streng, deshalb hatte er die Pistole zu Hause gelassen, um keine unangenehmen Fragen beantworten zu müssen. Er war auch unbewaffnet in der Lage, sich im Nahkampf zu verteidigen, dennoch hätte er in diesem Moment gerne eine etwas wirkungsvollere Waffe als einen Kugelschreiber zur Verfügung gehabt.

Er sprintete an einer Garage vorbei und gelangte in eine schmale Gasse. Zu seiner Linken stand ein Müllcontainer, der eine gewisse Deckung bot. Er schob ihn ein Stück zur Seite und ging dahinter in die Hocke.

Der erste Verfolger trat in die Gasse, ein Messer in der Hand und den Blick nach oben gerichtet, als halte er Ausschau nach etwas am Himmel. Smith sprang hinter dem Container hervor und stieß den Angreifer von hinten zu Boden. Er rammte ihm das Knie in den Rücken, packte ihn an den Haaren und knallte seinen Kopf mit dem Gesicht vor­aus gegen den Asphalt. Blut strömte aus der gebrochenen Nase, während Smith seine Wange am Boden fixierte und ihm den Kugelschreiber in die empfind­liche Stelle zwischen Ohrläppchen und Kiefergelenk drückte. Der Mann stöhnte vor Schmerz.

»Das Messer schön langsam weglegen. Keine Dummheiten, sonst renke ich dir den Kiefer aus und durchtrenne dir die Halsschlagader.«

Der Mann zog den rechten Arm unter seinem Körper hervor, und Smith legte den Kuli weg, griff sich das Messer und setzte es ihm an den Hals.

»Warum folgt ihr mir?«, fragte er.

Aus dem Augenwinkel nahm Smith Bewegung wahr und hörte zugleich ein mechanisches Summen. Im schwachen Licht der Gasse sah er etwas aufblitzen, das wie ein großes Insekt oder ein kleiner Vogel aussah. Es verharrte fünf, sechs Meter entfernt in der Luft und senkte sich plötzlich senkrecht herab. Der Mann stieß einen erschrockenen Laut aus. Smith sah nur ein Auge des Mannes, doch die Panik darin war offensichtlich.

»Was ist das?«, fragte er.

Der Mann begann sich zu wehren. Smith drückte mit dem Messer zu, und etwas Blut strömte aus der Stichwunde. Das summende Insekt flog näher heran, und der Mann wehrte sich immer verzweifelter. Smith verlagerte sein ganzes Gewicht auf das Knie, mit dem er den Mann am Boden fixierte.

Der zweite Verfolger tauchte am Ende der Gasse auf. Er trat näher, blieb jedoch abrupt stehen, als er das Insekt in der Luft bemerkte. Den Blick nicht von dem fliegenden Etwas gewandt, wich der Mann langsam zurück.

Der dritte Angreifer erschien neben dem zweiten und ging weiter, doch der andere legte ihm die Hand auf den Arm und deutete auf das Insekt. Der Mann wich ebenfalls zurück, und sie verharrten am Ende der Gasse und beobachteten die Szene. Abgesehen von einer Polizeisirene in der Ferne war nur das Summen des Fluginsekts zu hören. Es schwebte zu Smith herab und flog kerzengerade auf ihn zu.

»Greif ihn an, nicht mich!«, rief der Mann auf dem Boden. Er stemmte sich nach oben und versuchte vergeblich, Smith abzuwerfen.

Jetzt erkannte Smith, dass es sich nicht um ein lebendes Insekt handelte, sondern um eine Art ferngesteuertes Flugobjekt, das an eine riesige Heuschrecke erinnerte. Aus dem Kopf ragten zwei gezackte Stacheln hervor, und seine LED-Augen funkelten rot.

Was immer das ist – es ist sicher besser, es nicht zu nahe rankommen zu lassen, dachte Smith.

Als die kleine Flugmaschine nur noch knapp zwei Meter entfernt war, zog Smith den Mann auf die Knie hoch, drückte ihm das Messer in den Hals und hielt seinen Kopf in die Flugbahn des summenden Dings.

»Sag ihm, es soll stehen bleiben«, forderte er den Mann auf.

»Du musst ihn erwischen, nicht mich!«, rief der Mann verzweifelt. Das Insekt hüpfte auf und ab und umkreiste die beiden Männer in dem Bemühen, an Smith heranzukommen. Er zog den Mann auf die Beine und benutzte ihn als mensch­lichen Schutzschild.

»Du sollst ihm sagen, es soll stehen bleiben.« Smith drückte ihm das Messer tiefer in den Hals, und der Mann stöhnte vor Schmerz.

»Halt!«, rief er endlich. Das Insekt flog näher heran und wich wieder zurück, als ihm Smith das Gesicht des Mannes entgegenhielt.

»Ich lass dich nicht los, dann trifft es dich genauso. Schick es weg.«

»Ich kann es nicht steuern – das sehen Sie doch. Ich soll nur dafür sorgen, dass es an Sie herankommt.« Die Angst in seiner Stimme jagte auch Smith das Adrenalin durch die Adern.

»Dann wird es Zeit zum Rückzug.« Smith zog ihn rückwärts mit sich die Gasse hinunter.

»Vergiss es«, schnappte der Mann. »Du kannst ihm nicht entkommen. Am Ende erwischt es dich doch mit seinem Gift.« Er drehte sich zu den beiden anderen um, die am Ende der Gasse abwarteten. »Kommt und helft mir!«

Die zwei rührten sich nicht von der Stelle. Sie wagten sich nicht in die Nähe des Killerinsekts. Die kleine Maschine näherte sich von der Seite, und Smith riss den Mann herum. Im nächsten Augenblick schoss ein Rauchstrahl aus dem Kopf des ferngesteuerten Insekts und traf den anderen mitten im Gesicht.

Smith ließ ihn los, stolperte rückwärts und hielt sich die Nase zu. Die beiden Verfolger am Ende der Gasse traten ebenfalls den Rückzug an und achteten gar nicht auf Smith, sondern nur auf die Rauchwolke.

Smith wirbelte herum, sprintete los und hielt die Luft an, während er zwischen Mülltonnen hindurch die Gasse entlanglief. Eine Lampe nach der anderen flammte auf, die grellen Lichtblitze trieben ihm Tränen in die Augen, und seine Lunge brannte von dem Sprint mit angehaltenem Atem, doch er rannte weiter, um dem Insekt zu...