dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Die Sünde aber gebiert den Tod - Roman

Andrea Schacht

 

Verlag Blanvalet, 2009

ISBN 9783641012465 , 384 Seiten

Format ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

8,99 EUR

  • Der Lilienring - Roman
    Der Rächer - Roman
    Rheines Gold - Roman
    Die elfte Jungfrau - Roman
    Das brennende Gewand - Roman
    Der Bernsteinring - Roman
    Immer schön (erfolg)reich bleiben! - Die besten Geistesblitze für Vertrieb und Marketing
    So soll er sterben - Inspector Rebus 15 - Kriminalroman
  • Das Werk der Teufelin - Roman

     

     

     

     

     

     

     

     

 

 

2. Kapitel


In der Stube war es ausnehmend gemütlich. Ein prächtiges Feuer prasselte im Kamin, der warme Würzwein in der Kanne duftete süß, und durch die runden Glasscheiben, die kunstvoll mit Blei zusammengesetzt die Fensteröffnung verschlossen, fielen noch die letzten schrägen Strahlen der untergehenden Wintersonne. Zwischen den beiden Frauen im Raum herrschte eine heitere, entspannte Stimmung. Die ältere saß eifrig spinnend auf der Bank neben der Feuerstelle, die andere hatte ihre kunstvolle Stickerei auf den Tisch gelegt. Das Licht reichte für solch feine Arbeiten nicht mehr aus, aber um eine der teuren Wachskerzen anzuzünden, war es noch zu früh. So ruhten denn ihre Hände müßig auf dem seidigen Pelz eines großen schwarzen Katers, der es sich auf ihrem Schoß gemütlich gemacht hatte. Er schnurrte mit dem wirbelnden Spinnrad um die Wette.

»Ja, ja, Frau Barbara, ich weiß Euer Angebot zu schätzen. Ich weiß ja, es kommt Euch von Herzen. Aber da Ihr die Antwort seit langem kennt, nehme ich an, Vater hat wieder einmal darauf bestanden, dass Ihr diese Frage stellt.«

Die Hausherrin zuckte resigniert lächelnd mit den Schultern. Sie trug ein hell- und dunkelgrün gestreiftes Gewand, das nach der neuesten Mode eng am Oberkörper anlag und eine elegante Pelzverbrämung um Hals- und Ärmelausschnitte aufwies. Ihr Gesicht unter dem weich fallenden Kruseler zeigte Reife, doch es war lebhaft genug, um nicht alt zu wirken. Kurzum, sie war eine gepflegte Frau in den mittleren Jahren, die auf ihr Äußeres hielt.

»Du kennst ihn ja, Almut. Aber sag, würdest du nicht wirklich gerne einmal wieder schöne Kleider aus weichen, anschmiegsamen Stoffen tragen? Es scheint mir so widersinnig für eine junge Frau wie dich, in diesen kratzigen, grauen Fetzen herumzulaufen.«

»Dem weltlichen Tand, liebe Stiefmutter, habe ich aus guten Gründen entsagt.«

»Pah!«

»Im Übrigen sind unsere Kleider nicht aus billigem Stoff genäht! Frau Magda sorgt schon dafür, dass weiche Wolle und feines Leinen verwendet werden. Und weißt du, mir gefällt es, mich nicht ständig nach irgendwelchen Äußerlichkeiten richten zu müssen.«

Almut hatte sich vor gut vier Jahren, nachdem ihr betagter Gatte seiner Krankheit erlegen war, einem Beginen-Konvent angeschlossen, was ihr Vater, der Baumeister Conrad Bertholf, missbilligte. Er hätte seine verwitwete Tochter gerne wieder mit einem Berufskollegen verheiratet. Aber Almut, und das gestand er sich selber ein, war schon als Kind willensstark, manchmal sogar ausgesprochen widersetzlich gewesen, und insgeheim nötigte sie ihm damit einen gewissen Respekt ab. So waren denn seine Versuche, sie über seine zweite Frau zu einer Rückkehr in das weltliche Leben zu überreden, auch eher halbherzig.

»Widernatürlich!«, murrte Frau Barbara. »Trotzdem widernatürlich, diese Vorliebe für graue Kittel und die einfachen weißen Gebände. Ihr seid doch keine Nonnen! «

»Nein, Frau Barbara, gewiss nicht. Aber die Kleidung ist praktisch bei den Arbeiten, die wir verrichten, und sie flößt den Leuten Achtung ein.« Heimlich schmunzelte Almut über ihre Stiefmutter, deren gelegentliche Anfälle von Eitelkeit sie schon mal zu einem exzentrischen Aufputz verleiteten, wie etwa die doppelhörnige Haube, die sie heute unter ihrem gekräuselten Schleier trug.

»Ach, was soll ich mit dir darüber disputieren. Du tust ja doch, was du willst, Almut.«

»Richtig, Frau Barbara. Ganz so wie Ihr auch!«

In tiefem gegenseitigen Verständnis sahen sich die

beiden Frauen in der hereinbrechenden Dämmerung an. »Ich zünde die Kerzen an, denke ich. Es wird selbst

zum Spinnen zu dunkel.«

Frau Barbara stand vom Spinnrad auf und nahm zwei Kerzenhalter vom Tisch, um die Kerzen mit einem Span am Kamin anzuzünden. Das lebendige Licht erfüllte den Raum mit goldenem Schein, und der Teppich an der weiß gekalkten Wand glühte in seinen prächtigen Farben auf.

»Mir scheint, meine Schwester hat Euch einen Besuch abgestattet!«, bemerkte Almut und wies auf den kunstvollen Wandbehang. »Ich meine mich erinnern zu können, dieses Werk bei seiner Erstehung gesehen zu haben.«

»O ja, Aziza hat deinem Vater ihre Aufwartung vor einigen Tagen gemacht.« Frau Barbara kicherte leise in sich hinein. »Ich finde, sie ist eine anmutige und unterhaltsame junge Frau mit einem erlesenen Geschmack. Aber dein Vater wurde rot bis zu den Ohrenspitzen, als er sie bei mir sitzen sah, und fand außer einem heftigen Räuspern keine rechten Worte. Dabei habe ich es ihm nie zum Vorwurf gemacht, dass er sich in der Zeit nach dem Tod deiner Mutter der Gesellschaft einer Konkubine erfreut hat.«

»Ich denke, er hält Frauen manchmal für recht mysteriöse Wesen. Wir sind eben nicht so einfach zu behandeln wie seine Steinmetze und Maurer. Er erwartet immer das Schlimmste und ist dann überrascht, wenn es nicht zu tränenreichen Ausbrüchen kommt.«

»Aber er ist ein guter Mann, Almut. Wenn ich ehrlich sein soll, dann wünsche ich wirklich, du würdest dich wieder mit einem Gatten verbinden.«

»Nicht jeder ist wie mein Vater – großherzig, gütig und einfach zu lenken. Warum soll ich mich unter die Munt eines Mannes stellen, der mir weniger Freiheiten erlaubt als die Regeln meines Konvents?«

»Nun, da wäre noch die Frage der Zuneigung...«

Ja, die wäre da noch, dachte Almut. Und ihr kam ein Mann in den Sinn, der ebenfalls großherzig und gütig, keinesfalls jedoch leicht zu lenken war. Für ihn empfand sie Zuneigung, nur... Sie schüttelte leicht den Kopf. Unerreichbar war er natürlich auch.

Frau Barbara bemerkte diese Reaktion, war aber klug genug, das Thema zu wechseln: »Erzähl mir, Almut, wie ihr mit der Lage derzeit zurechtkommt. Leidet ihr irgendeinen Mangel?«

Eine berechtigte Frage, denn seit dem vierten Dezember war Köln in Acht und Bann. Der Rat der Stadt hatte vor zwei Jahren den Erzbischof Friedrich III. von Saarwerden beleidigt, worauf dieser mitsamt der ihm unterstehenden hohen Gerichtsbarkeit schmollend in Bonn Zuflucht genommen hatte. Kurz darauf hatte er bei Kaiser Karl IV. mit seiner Klage gegen den Rat Erfolg gehabt, und so war Köln zunächst in die Reichsacht genommen worden. Seit diesem Monat nun war die Stadt auch noch aller Privilegien verlustig erklärt worden. Hatten die Bürger die Acht noch weitgehend ignorieren können und das Wirtschaftsleben unverdrossen weitergeführt, so war die Situation jetzt doch etwas angespannt. Die auswärtigen Handelspartner hielten sich merklich zurück, und es stand zu befürchten, dass so manche Güter und Waren in den nächsten Wochen bedenklich knapp werden könnten. Und das auch noch mitten im kalten Winter und zu der Weihnachtszeit!

Almut nahm einen Schluck von dem warmen Würzwein und schüttelte den Kopf.

»Nein, Frau Barbara, wir leiden keinen Mangel. Unsere Meisterin hat Kaufmannsblut in den Adern, und sie wirtschaftet gut mit den Einnahmen aus den Stiftungen und unseren Arbeiten. Ich habe selbst einige Zeit ihre Aufzeichnungen geführt, als sie vor drei Monaten von diesem Dummkopf von Vizevogt eingekerkert worden ist. Selbst wenn manche Dinge teuer werden sollten, kommen wir zurecht. Außerdem habe ich gehört, vor zwei Tagen sei endlich ein Waffenstillstand vereinbart worden.«

»Ja, die Gerüchte sind auch an meine Ohren gedrungen. Aber die Verhandlungen können sich hinziehen. Ich halte den Erzbischof Friedrich nicht für besonders weitsichtig in solchen Dingen. Er ist mit seinen achtundzwanzig Jahren einfach zu jung auf den Thron gekommen.«

»Er ist genauso alt wie ich, Frau Barbara.«

»Ja, wenn du in seiner Position wärst...!«

Almut kicherte. »Was für eine Vorstellung – eine Erzbischöfin. Das ist genauso grotesk wie die Vorstellung, eine Frau würde zur Dombaumeisterin ernannt!«

Beide lachten noch über diese verrückten Ideen, als der Hausherr mit kräftigem Schritt zur Tür hineinpolterte. Conrad Bertholf war ein rüstiger Mann mit rötlichem Haar und wettergegerbtem Gesicht. Der Baumeister verbrachte viel Zeit bei seinen Gewerken und scheute sich nie, auch Hand mit anzulegen.

»Nun, meine Tochter, es ist schön von dir, Frau Barbara zu besuchen. Ich sehe, ihr plaudert über vergnügliche Themen.«

»Nicht so sehr vergnüglich, sieht man von einer kleinen Absurdität ab, die uns eben eingefallen ist. Wir sprachen über die Lage der Stadt in diesem leidigen Schöffenstreit, Herr Vater.«

Conrad Bertholf starrte seine Tochter und sein Weib irritiert an und meinte dann: »Äh...«

Dass Frauen sich über etwas anderes unterhalten könnten als die allfälligen Fragen von Haushalt, Putz und gesellschaftlichem Klatsch, erstaunte ihn immer wieder. Aber er fasste sich, als er sich den belustigten Gesichtern der beiden gegenübersah.

»Eine leidige Sache, wohl wahr. Hätte der Erzbischof nicht im Herbst letzten Jahres den heimtückischen Angriff auf die Stadt geplant, hätte man sicher schon früher zu einer Einigung kommen können.«

»Seine beiden Handlanger sind aber noch immer in Haft, nicht wahr?«

Die verräterischen Kanoniker von Wevelinghoven und Kelz waren zum Glück kurz vor dem geplanten Anschlag gefangen genommen worden. Sie hatten aber, soweit Almut wusste, nicht preisgegeben, wer sie beauftragt hatte. Es war der Wendepunkt in der gesamten Auseinandersetzung, die zunächst nur wie eine begrenzte Krise ausgesehen hatte. Mit der Festsetzung der Geistlichen und dem missglückten Überfall aber begann der Krieg zwischen der Stadt Köln und den Anhängern des Erzbischofs, der nun schon seit über einem Jahr für Unannehmlichkeiten sorgte. Gelegentliche Überfälle und Brandschatzungen waren die Folgen. Vor den Stadtmauern hatten sich...