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Friesenmilch - Ein Fall für Thamsen & Co.

Sandra Dünschede

 

Verlag Gmeiner-Verlag, 2016

ISBN 9783839249246 , 277 Seiten

3. Auflage

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR


 

7. Kapitel


Niklas ging es am nächsten Morgen bereits bedeutend besser. Fröhlich hüpfte er in der Küche herum, als Tom zum Frühstück erschien.

»Ob ich Dirk mal anrufe?« Haie goss dem Freund einen Kaffee ein und setzte sich an den Tisch. Er hatte am gestrigen Nachmittag nichts mehr herausfinden können. Zwar war der tote Arzt in Niebüll ebenso Gesprächsthema in den Geschäften gewesen, aber niemand wusste Genaueres. Und sein Besuch bei Thamsen hatte nichts gebracht, da nur Dörte mit Anne und Lotta zu Hause gewesen war.

»Was willst du denn von ihm?«, fragte Tom und langte nach einer Scheibe Graubrot. »Der hat bestimmt genug um die Ohren. Oder willst du Anzeige gegen den Rowdy erstatten, der dir gestern ins Rad gelaufen ist?« Er grinste.

Haie hatte ihm natürlich von dem Unfall erzählt und ziemlich lange herumgeheult, weil sein Arm immer noch schmerzte. Das kannte Tom eigentlich gar nicht von ihm, hatte es aber auf sein zunehmendes Alter geschoben. »Sei froh«, hatte er den Sturz kommentiert, »dass du dir nichts gebrochen hast. Is in deinem Alter ja nicht gerade ohne.«

Beleidigt hatte Haie anschließend den Mund gehalten und reagierte nun auf Toms erneute Anspielung leicht gereizt. »Mir ist halt das Geschehen in meiner Umgebung nicht so egal!« Niklas, der den bissigen Unterton sofort heraushörte, horchte auf. »Was ist denn passiert?«

»Nichts, nichts«, erklärte Tom und warf Haie einen strafenden Blick zu. Sie hatten schon vor Langem beschlossen, vor dem Kind solche Dinge nicht zu diskutieren. Niklas sollte möglichst unbeschwert aufwachsen und sich nicht von Mord und Totschlag umgeben fühlen. Auch wenn es nicht immer einfach war, den Kleinen vor solchen Dingen zu schützen, sie versuchten es zumindest, so weit wie möglich.

So oder so war Niklas bereits mit seinen jungen Jahren ein Opfer der Gewalt. Zwar hatte er keine Schläge oder andere Demütigungen ertragen müssen, aber seine Mutter war bei einem Attentat ums Leben gekommen. Er war erst wenige Wochen alt, als er zum Halbwaisen wurde. Insbesondere Haie versuchte, die Erinnerung an Marlene lebendig zu halten, erzählte dem Jungen von ihr, integrierte sie in ihr Leben – und dennoch würde er sich nie in tröstende Mutterarme flüchten können; ihre Liebe nie wirklich spüren.

Schweigend aßen sie weiter. Nur das Ticken der Küchenuhr war zu hören und das Klimpern der Kaffeetassen. Tom blickte zu Haie und schüttelte beinahe unmerklich den Kopf. »Was ist?«

»Dann ruf ihn halt an.«

Thamsen druckte noch schnell den Obduktionsbericht aus, den Dr. Becker ihm in der Frühe gemailt hatte. Die Ergebnisse der toxikologischen Untersuchung waren nun da – Dr. Scholz war an einer Kaliumcyanidvergiftung gestorben. »Ob das Medikamentenmissbrauch war?«, murmelte Dirk und schnappte sich die Ausdrucke. Gut, die Todesursache schloss keine Selbsttötung aus, aber für wahrscheinlich hielt selbst Dr. Becker diese Möglichkeit nicht.

»Da würde man als Arzt wahrscheinlich doch eher auf Schlafmittel oder etwas anderes zurückgreifen, denn eine Kaliumcyanidvergiftung kann ein relativ qualvoller Tod sein«, hatte er am Telefon erklärt, als Dirk ihn nach dem Lesen des Berichtes noch einmal angerufen hatte.

»Anders als in irgendwelchen Filmen stirbt man nicht allein vom Zerbeißen einer Zyankalikapsel, sondern die Substanz wirkt erst im Magen. Dort bildet sich Blausäure, die das Hämoglobin an der Aufnahme von Sauerstoff hindert. Außerdem wird auch die Sauerstoffverwertung der einzelnen Zellen gestoppt. Im Kreislauf ist dann immer weniger Sauerstoff vorhanden, was ein langsames Ersticken zur Folge hat, obwohl man atmet. Kein schöner Tod.«

Vielleicht war dann doch der Joghurt vergiftet gewesen? Hoffentlich hatten die Kollegen von der Spurensicherung schon etwas. Thamsen eilte in den Besprechungsraum. Dort saßen die Mitarbeiter der Dienststelle bereits zusammen. Lorenz Meister aus Husum hatte sich heute persönlich eingefunden und riss sofort das Wort an sich.

»Also, die Obduktion hat bestätigt, dass Dr. Scholz vergiftet worden ist.«

»Das ist nicht ganz korrekt«, fuhr Thamsen dazwischen. Er wusste, dass sein Zwischenruf unklug war, doch dies war immer noch seine Dienststelle. Die Kripobeamten aus Husum ließen sich hier nur selten blicken. Die Drecksarbeit durfte immer Dirk mit seinen Angestellten erledigen, und die feinen Herren aus Husum heimsten dann die Lorbeeren dafür ein. Das ging ihm derart gegen den Strich. Normalerweise hielt er sich ja zurück, solche Äußerungen brachten nur Ärger, aber heute hatte er sich nicht im Griff. Die Stimmung zu Hause nagte an seinen Nerven. Noch immer hatte Dörte nicht mit ihm gesprochen, dabei hatte er sie mehrmals gestern Abend gefragt, was los sei, doch sie hatte stets abgeblockt und behauptet, sie sei nur müde vom Wochenende.

Lorenz Meister blitzte ihn an, doch Thamsen erklärte, dass ein Suizid nach wie vor nicht ausgeschlossen werden konnte. »Immerhin konnte Dr. Becker keinerlei Anzeichen für eine Fremdeinwirkung außer dem Gift nachweisen, das der Mediziner auch freiwillig eingenommen haben kann.«

»Gab es denn Anzeichen für solch einen Selbstmord?« Lorenz Meister schaute in die Runde. »Rolfs, Sie haben doch die Mitarbeiter der Praxis befragt. Haben die etwas in die Richtung bemerkt?«

Ansgar Rolfs vermied es, Thamsen anzuschauen. »Nee.«

»Na und?«, tat Dirk die Aussagen ab. Er wollte dem Husumer Beamten nicht nachgeben. Noch nicht. »Ansgar, haben die Befragten denn etwas über verärgerte Patienten oder andere mögliche Tatmotive geäußert?«

Immer noch hielt der Mitarbeiter seinen Blick gesenkt. »Auch nicht. Alle bestätigen, dass der Arzt äußerst beliebt und von allen geschätzt war.«

Genau das hatte auch die Tochter gesagt. Deutete das nicht auf die Möglichkeit eines Selbstmordes hin? »Auf jeden Fall können wir das nicht hundertprozentig ausschließen«, trumpfte Dirk noch einmal auf, ehe er allerdings anmerken musste, dass sie trotzdem auch in die anderen Richtungen ermitteln mussten.

Plötzlich läutete das Telefon im Konferenzraum. Lorenz Meister streckte seinen Arm nach dem Hörer aus, doch Thamsen war schneller.

»Aha«, erwiderte er, nachdem er das Gespräch angenommen und die Worte des Anrufers vernommen hatte. Es war mucksmäuschenstill im Besprechungszimmer – alle Augen auf Thamsen gerichtet, der den Moment durchaus genoss.

»Ja, danke«, verabschiedete er sich und legte auf. »Das war die Spusi«, verkündete er in die Runde und kostete kurz diesen triumphalen Moment aus. »In dem Joghurtbecher, den wir am Fundort der Leiche sichergestellt haben, befanden sich Rückstände von Kaliumcyanid.«

»Ha, also doch Mord«, brüstete sich der Husumer.

»Na ja«, nahm Thamsen ihm den Wind aus den Segeln und verkniff sich ein Grinsen. Er wusste zwar selbst gut genug, dass ein Selbstmord sehr unwahrscheinlich war, wollte dem anderen aber nicht bedingungslos recht geben.

»Es bleibt letztendlich die Möglichkeit, dass Dr. Scholz das Zyankali selbst in den Joghurt gemixt hat. Vielleicht schmeckt das Gift pur nicht.«

»Welches Gift schmeckt schon?«, raunzte Meister. »Außerdem hätte er sich als Arzt ja etwas mit neutralem Geschmack suchen können.«

»Oder er wollte sich noch einen letzten Joghurt genehmigen. Vielleicht liebte er Joghurts?« Küstentraum, kam Thamsen die Bezeichnung auf dem Plastikbecher in den Sinn. Da war der Name beinahe Programm.

»Ich werde mich heute mal ein wenig in der Meierei umhören. Die liegt unweit entfernt der Praxis. Ansonsten sollten wir nochmals die Angehörigen und die Mitarbeiter von Dr. Scholz befragen; und auch die Nachbarschaft. Vielleicht hat jemand etwas bemerkt. Ansgar, kümmerst du dich darum?«

»Selbstverständlich, Chef.«

»Gut, dann an die Arbeit«, forderte er auf und erhob sich, ehe der Kripobeamte noch etwas sagen konnte.

Während er über den Gang eilte, hörte er in seinem Büro das Telefon klingeln.

»Thamsen«, schnaufte er ein wenig außer Atem in den Hörer.

»Oh, stör ich dich?«

»Aber nein, Haie«, betonte er laut, als er den Husumer vor seiner Tür stehen sah. »Warte nur einen Moment.« Er legte das Telefon zur Seite und stand auf. »Entschuldigung, aber ein wichtiges Gespräch.« Dirk deutete mit einer Kopfbewegung zu seinem Schreibtisch und schloss die Tür. Ein Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. Beschwingt ging er zurück. »So, was gibt’s?«

»Ja, wegen Dr. Scholz«, stammelte Haie. Eigentlich hatte er keinen Grund, den Freund anzurufen, außer dass er selbst erfahren wollte, was mit dem Arzt aus Niebüll tatsächlich geschehen war.

»Ja, was ist?«

»Na, ich habe gehört, dass der vergiftet worden ist. Stimmt das?«

Dirk wunderte sich, woher der Freund bereits die Info hatte, die er erst vor einigen Minuten von der Spurensicherung übermittelt bekommen hatte. »Erzählt man sich das im Spar-Markt?«

»Nee, in Niebüll.«

War ja klar, dass Haie bereits seine privaten Ermittlungen aufgenommen hatte. Obwohl er schon in vielen Fällen von Haies Hinweisen profitiert hatte, hieß er die Alleingänge des Freundes nicht unbedingt gut. Schon oftmals hatte sich der Rentner durch sein Detektivspielen selbst in Gefahr gebracht. Und außerdem wurde er nicht jünger.

»Du warst also in Niebüll?«

»Ja, hat Dörte dir nicht erzählt, dass ich bei euch war?«

»Ach, nee, ich, wir haben … Und wer hat von Vergiftung gesprochen?«, wechselte er schnell das Thema....