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Naked - Hemmungslose Spiele

Megan Hart

 

Verlag MIRA Taschenbuch, 2012

ISBN 9783862785797 , 416 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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7,99 EUR


 

1. KAPITEL


„Alex steht nicht auf Frauen.“ Wie Patrick das sagte, klang es nach Warnung. Ich hatte den Mann, um den es ging, wohl etwas sehr auffällig aus dem Augenwinkel beobachtet, aber bislang eigentlich nur als Teil des großen Gesamtbilds wahrgenommen, das ganz typisch war für Patricks alljährliche Weihnukka-Party. Alex war eindeutig hübscher als die nach einer Idee von Martha Stewart arrangierten Weihnachtssterne oder die blinkenden Lichterketten. Aber das traf auf alle Männer hier zu. Patrick hatte die heißesten Freunde, die ich je gesehen habe. Ehrlich, seine Partys waren praktisch eine offizielle Versammlung der heißesten Typen auf Erden. Nach seiner Ermahnung schaute ich mir Alex natürlich noch genauer an, allein schon, um Patrick damit auf die Nerven zu gehen. Was wie immer wunderbar klappte.

„Ach, so heißt er also?“

Patrick schnaubte missbilligend. „Ja, so heißt er.“

„Alex … und weiter?“

„Kennedy“, sagte Patrick. „Aber er steht nicht …“

„Ich hab dich schon verstanden.“ Ich drückte meine Lippen gegen den Rand meines Weinglases. Der intensive Duft des Rotweins stieg mir in die Nase. Ich konnte das Aroma förmlich auf der Zunge schmecken, aber ich trank nicht. „Er steht also nicht auf Frauen, hm?“

Patrick zog einen Schmollmund und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein. Himmel, Olivia! Jetzt hör schon auf, ihm auf den Arsch zu glotzen.“

Ich hob eine Augenbraue und ahmte damit exakt Patricks süffisante Miene von vorhin nach. Eine alte Angewohnheit von mir – und eine, die ihn zuverlässig zur Weißglut trieb. „Warum lädst du mich eigentlich zu deinen Partys ein, wenn ich den Männern nicht auf den Arsch glotzen darf?“

Patrick echauffierte sich, wie nur er das konnte. Er zog kurz die Stirn kraus und spitzte empört die Lippen. Doch dann fiel ihm ein, was das mit den Falten um seinen Mund und zwischen seinen Brauen machte, und er bändigte seine Mimik rasch wieder. Sein Blick folgte meinem quer durch das Esszimmer und durch den Türbogen. Alex stand mit dem Rücken zu uns. Er hatte einen Arm auf den Kaminsims im Wohnzimmer gestützt und hielt in der freien Hand ein Glas Guinness. Während der ganzen Zeit, die ich ihn beobachtete, hatte er noch keinen Schluck getrunken.

„Und warum um alles in der Welt weist du mich extra auf seine sexuellen Vorlieben hin?“ Ich nahm jetzt doch einen Schluck Wein und starrte Patrick so lange unverwandt an, bis er entnervt wegschaute.

Er zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nur sicherstellen, dass du Bescheid weißt.“

Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Von dem halben Dutzend Männer, die sich am Büfett bedienten, und dem weiteren Dutzend, das im Wohnzimmer stand, redete, tanzte oder flirtete, waren neunundneuzig Prozent schwul. Und das restliche Prozent spielte mit dem Gedanken, schwul zu werden. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mir Hoffnung mache, auf einer deiner Partys jemanden abzuschleppen, Patrick.“

Plötzlich umschlossen mich von hinten zwei dicke, muskelbepackte Arme, und ein straffer Bauch drückte gegen meinen Rücken. „Komm, wir laufen weg und schauen, wie lange es dauert, bis er merkt, dass wir verschwunden sind“, sagte eine dunkle Stimme direkt neben meinem Ohr.

Ich drehte mich um. „Patrick, du hast mir gar nicht erzählt, dass du Billy Dee Williams zur Party eingeladen hast. Ach nein, halt! Billy Dee würde niemals so einen Pullover tragen. Hallo, Teddy.“

„Mädchen, mach bloß keine Witze über diesen Pullover. Mama McDonald hat ihn mir zu Weihnachten geschenkt. Patrick hier hat genauso einen gekriegt.“ Teddy zwinkerte Patrick zu. „Der Unterschied ist nur der, dass ich Manns genug bin, das Ding auch zu tragen.“

Ich wurde noch mal umarmt, fest gedrückt, bekam einen Kuss und einen Klaps auf den Arsch, und das alles innerhalb weniger Sekunden. Dann wandte Teddy sich Patrick zu und ließ ihm dieselbe zärtliche Behandlung angedeihen. Patrick, der immer noch schmollte, schubste ihn unwillig weg. Teddy lachte und wuschelte mit einer Hand durch Patricks Haare. Patrick glättete mit gekränkter Miene seine gerupften Federn, ließ sich dann aber doch dazu herab, einen Wangenkuss zu akzeptieren.

Ich deutete mit dem Weinglas auf Patrick. „Er hat eben versucht, mir zu sagen, dass ich keinen Arsch anstarren darf.“

„Was soll das denn? Ich dachte, wir sind heute alle hier, um auf Männerärsche zu starren?“

Teddy wackelte kokett mit seinem und ich mit meinem, dann ließen wir unsere jeweiligen Hinterteile aufeinanderprallen und brachen in übermütiges Gelächter aus. Fröhliche Weihnachten! Patrick musterte uns mit erhobenen Augenbrauen, die Arme wieder vor der Brust verschränkt. Dann schüttelte er resigniert den Kopf.

„Tut mir leid. Ich habe nur versucht, ein guter Freund zu sein.“

Patrick und ich waren schon sehr lange befreundet. Und vor sehr langer Zeit waren wir sogar mehr als das gewesen. Patrick dachte, dass ihm das bis heute das Recht gab, sich mir gegenüber wie eine besorgte alte Tante zu verhalten, und ich ließ ihn in dem Glauben. Weil ich ihn nun mal liebte. Und weil es nie so viel Liebe in meinem Leben geben konnte, dass ich auch nur auf das kleinste bisschen verzichten würde.

Diesmal schien Patricks Verhalten aber selbst für seine Verhältnisse etwas extrem zu sein. Teddy und ich blickten einander fragend an. Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich lauf nur kurz in die Küche und hol mehr Wein, ihr Süßen“, sagte Teddy. „Wollt ihr auch?“

„Ich hab noch.“ Ich hielt mein Glas hoch, das noch halb voll war.

Patrick schüttelte den Kopf. Wir beobachteten, wie Teddy sich durch die Menge schob. Erst als er außer Hörweite war, wandte ich mich wieder an meinen Exfreund.

„Wenn du mir auf deine unnachahmliche Art zu verstehen geben willst, dass du mit diesem Typen geschlafen hast …“

Patrick lachte kurz und bellend auf, und dieses Lachen klang so anders als sonst, dass ich überrascht verstummte. Er schüttelte den Kopf. „Ach nein, mit dem doch nicht.“

Dabei wich er meinem Blick aus, und plötzlich war mir alles klar. Er brauchte gar nichts mehr zu sagen. Ich hatte die ganze Geschichte klar vor Augen. Verdammt.

Mein Grinsen war wie weggewischt. Patrick hatte aus seinem Privatleben nie ein großes Geheimnis gemacht, und so hatte ich mehr über die Männer erfahren, mit denen er schlief, als mir lieb war. Daher wusste ich: Patrick wurde nicht abgewiesen. Zumindest nicht allzu oft. Ich sah, wie eine tiefe Röte seine perfekten hohen Wangenknochen überzog.

Ehrfürchtig schaute ich zu Alex Kennedy herüber. „Er hat dir einen Korb gegeben?“

„Pssst!“, machte Patrick, obwohl die Musik und die Gespräche um uns herum zu laut waren, als dass uns jemand belauschen könnte.

„Wow.“

Er kniff die Lippen zusammen. „Dazu sage ich kein Wort mehr.“

Ich konnte meinen Blick jetzt gar nicht mehr von Alex Kennedy losreißen, der immer noch auf seinem alten Platz am Kaminsims stand. Jetzt erst fiel mir die Bügelfalte in seiner schwarzen Hose auf und wie sexy der weiche schwarze Pullover seine breiten Schultern und die schmalen Hüften umspielte. Aus der Entfernung konnte ich eigentlich nur erkennen, dass er dunkle Augen hatte. Und dass er sein mittelbraunes Haar ziemlich lang trug und so lässig, als ob er genau ein Mal zu oft mit der Hand hindurchgefahren war. Oder als ob er geradeswegs aus dem Bett hierhergekommen wäre. Haare wie seine brauchten viel Pflege und Stylingprodukte, um wirklich gut auszusehen, und bei ihm hatte das toll funktioniert. Auch seine Züge schienen, von hier aus betrachtet, regelmäßig und attraktiv zu sein. Ja, Alex war ein hübscher Junge, das stand außer Frage. Doch wenn Patrick nicht seine „Wage es bloß nicht!“-Tirade losgelassen hätte, dann hätte ich vielleicht einmal hingeschaut, vielleicht auch zweimal. Aber danach nie wieder.

„Wie kommt’s, dass ich ihm noch nie begegnet bin?“

„Er ist nicht von hier“, sagte Patrick.

Alex schien in ein intensives Gespräch mit einem von Patricks Freunden vertieft zu sein. Ihre Gesichter waren ernst und angespannt. Kein Flirt. Der Mann, der Alex gegenüberstand, trank mit fahrigen Bewegungen, und sein Adamsapfel tanzte, wenn er schluckte.

Ich musste gar nicht erst meine Hände heben und die Daumen und Zeigefinger aneinanderlegen, um einen Rahmen für das Foto zu haben, das ich im Geiste komponierte. Inzwischen machte mein Gehirn das ganz automatisch. Klick. Ich hatte meine Kamera zwar nicht dabei, aber ich konnte mir ganz genau vorstellen, wie das fertige Bild aussehen würde. Alex stand nicht ganz im Zentrum und war etwas unscharf …

Patrick murmelte „Olivia!“ und stieß mir den Ellbogen in die Seite.

Ich schaute ihn wieder an. „Hör schon auf, dich wie eine Glucke zu verhalten, Patrick. Glaubst du, ich bin eine Idiotin?“

Er runzelte die Stirn. „Nein, natürlich nicht. Ich will einfach nicht …“

In diesem Moment tauchte Teddy wieder auf, und Patrick unterbrach sich mit einem gequälten Lächeln. Ich kannte dieses Lächeln und auch den Blick, der es begleitete, auch wenn ich beides schon lange nicht mehr gesehen hatte. Patrick verbarg etwas vor mir.

Jetzt legte Teddy einen Arm um Patricks Schultern und zog ihn an sich, um an seiner Wange zu schnuppern. „Komm schon“, gurrte er. „Die Käseplatten sind schon ziemlich ausgeräubert, und wir haben fast keinen Wein mehr. Komm mit in die Küche, Liebster, dann kriegst du was...