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Arbeitsmarkt und Sozialpolitik - Kontroversen um Effizienz und soziale Sicherheit

Hartmut Seifert, Olaf Struck

 

Verlag VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN 9783531918037 , 306 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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26,96 EUR


 

"Arbeitsvermögen in Zeiten des SGB II – Zwischen Reproduktion und Erosion (S. 167-168)

Sabine Pfeiffer, Anne Hacket, Tobias Ritter und Petra Schütt

1 Das Aktivierungsparadigma und die Möglichkeiten einer qualitativen, subjektbezogenen Arbeitsmarktforschung

Mit den SGB-II-Reformen ist die Aktivierung der Leistungsempfänger zu einer der Kernaufgaben der neuen „arbeitsmarktnahen sozialen Dienstleistungen"" geworden (Bartelheimer 2005). Mit diesem Paradigmenwechsel hin zu einem „aktivierenden Wohlfahrtsstaat"" avanciert die Kommodifizierung von Arbeitskraft zum zentralen Ziel, das sowohl durch eine Verstärkung des Arbeitszwangs als auch durch eine Ausweitung befähigender Politiken umgesetzt werden soll (Dingeldey 2007). Im Mittelpunkt von Maßnahmen und beruflicher Weiterbildung steht nun nicht mehr in erster Linie die (Wieder-) Eingliederung in reguläre Beschäftigung, sondern der Erhalt bzw. die Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit (Hujer/Thomson 2006: 330) sowie die Vermittlung allgemeiner und spezifischer Kenntnisse zu deren Verbesserung (Biewen u.a. 2006: 366).

1 Dabei geht die Aktivierungsintention der Reform davon aus, dass allein die institutionell aufgezeigten „Wahl- und Handlungsoptionen"" den einzelnen Arbeitslosen bereits „befähigen"", „Entscheidungen über seine weiteren Beschäftigungsperspektiven zu treffen"" und die angebotenen „Handlungsoptionen wahrzunehmen"" (Hartz u.a. 2002: 45). Dies scheint drei Unterstellungen zu implizieren:

a) auf Seiten des Arbeitslosen findet sich ein individuelles Defizit vor,
b) die Institutionen arbeitsmarktnaher Dienstleistungen sind fähig, diese Defizite treffsicher zu identifizieren und die jeweils passenden Angebote zu unterbreiten, und
c) aus den institutionell angebotenen Optionen resultiert – quasi zwangsläufig und naturwüchsig – Aktivierung und Befähigung auf Seiten des einzelnen Arbeitslosen.

Diese Unterstellungen halten freilich schon der empirischen Forschung kaum stand. Aktuelle Ergebnisse der SGB-II-Wirkungsforschung belegen, dass die Annahme eines Aktivierungsdefizits für einen großen Teil des Adressatenkreises gar nicht, für andere unterschiedlich stark zutrifft (Baethge- Kinsky u.a. 2007: 61f.). Darüber hinaus erscheinen die Leistungsempfänger hier grundsätzlich in einer eigentümlich zwiespältigen Rolle: einerseits als bloße Objekte einer „Aktivierungspolitik"", andererseits in „psychologisierende(r) Perzeption"" (Bonß u.a. 1984: 144f.) als defizitäre Subjekte, denen die Fähigkeit oder der Wille abgeht, etwas für ihre Arbeitsmarkttauglichkeit zu tun.

Akzeptiert man zunächst die Logik des Aktivierungsparadigmas, so stellen sich zentrale Fragen: nämlich ob aktiviert werden kann, was aktiviert werden kann und wo sich Ressourcen für Aktivierung verbergen. Die Antwort auf diese Fragen lässt sich nicht nur auf der Ebene von Strukturdaten finden. Um beurteilen zu können, ob zentrale Bereiche der gesellschaftlichen Reproduktion gefährdet sind, ist zusätzlich der Blick auf die qualitativen Auswirkungen auf subjektiver Ebene unumgänglich. Insbesondere hier sind mögliche Gefährdungen für den Einzelnen zu identifizieren und Muster und Tendenzen für Chancen und Hürden gesellschaftlicher Teilhabe beobachtbar.

Denn die Fähigkeit, aktiv bzw. „aktiviert"" zu werden, ist auf jeden Fall eine subjektive Ressource, und „aktivieren"" lässt sich nur, was das jeweilige Subjekt bereits erworben und sich angeeignet hat. Das Aktivierungsparadigma geht letztlich immer von einer Anpassungsleistung auf Seiten des Individuums aus und damit von dessen Bereitschaft und Fähigkeit, auf Mobilitäts- und Flexibilitätserwartungen des Arbeitsmarktes adäquat zu reagieren. Und das heißt nicht nur, seine subjektiven Ansprüche darauf auszurichten, sondern auch die gesamten lebensweltlichen Beziehungen und Bezüge sowie Planungen (z.B. wo und wie will ich leben? in welcher familiären oder anderen sozialen Konstellation usw.). "