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Hamlet - Reclams Universal-Bibliothek
William Shakespeare, Dietrich Klose
Verlag Reclam Verlag, 2016
ISBN 9783159610566 , 170 Seiten
2. Auflage
Format ePUB
Kopierschutz Wasserzeichen
Zweite Szene
Ein Staatszimmer im Schlosse.
Fanfare. Der König. Die Königin. Hamlet. Polonius. Laertes. Voltimand. Cornelius. Herren vom Hofe und Gefolge.
KÖNIG.
Wiewohl von Hamlets Tod, des werten Bruders,
Noch das Gedächtnis frisch; und ob es unserm Herzen
Zu trauern ziemte und dem ganzen Reich,
In eine Stirn des Grames sich zu falten:
So weit hat Urteil die Natur bekämpft,
Dass wir mit weisem Kummer sein gedenken,
[15]Zugleich mit der Erinnrung an uns selbst.
Wir haben also unsre weiland Schwester,
Jetzt unsre Königin, die hohe Witwe
Und Erbin dieses kriegerischen Staats,
Mit unterdrückter Freude, sozusagen,
Mit einem heitern, einem nassen Aug’,
Mit Leichenjubel und mit Hochzeitklage,
In gleichen Schalen wägend Leid und Lust,
Zur Eh’ genommen; haben auch hierin
Nicht eurer bessern Weisheit widerstrebt,
Die frei uns beigestimmt. – Für alles, Dank!
Nun wisst ihr, hat der junge Fortinbras,
Aus Minderschätzung unsers Werts und denkend,
Durch unsers teuren sel’gen Bruders Tod
Sei unser Staat verrenkt und aus den Fugen:
Gestützt auf diesen Traum von seinem Vorteil,
Mit Botschaft uns zu plagen nicht ermangelt
Um Wiedergabe jener Länderein,
Rechtskräftig eingebüßt von seinem Vater
An unsern tapfern Bruder. – So viel von ihm;
Nun von uns selbst und eurer Herberufung.
So lautet das Geschäft: wir schreiben hier
An Norweg, Ohm des jungen Fortinbras,
Der schwach, bettlägrig, kaum von diesem Anschlag
Des Neffen hört, desselben fernern Gang
Hierin zu hemmen; sintemal die Werbung,
Bestand und Zahl der Truppen, alles doch
Aus seinem Volk geschieht; und senden nun,
Euch, wackrer Voltimand, und Euch, Cornelius,
Mit diesem Gruß zum alten Norweg hin;
Euch keine weitre Vollmacht übergebend,
[16]Zu handeln mit dem König, als das Maß
Der hier erörterten Artikel zulässt.
Lebt wohl, und Eil’ empfehle Euren Eifer.
CORNELIUS UND VOLTIMAND.
Hier, wie in allem, wollen wir ihn zeigen.
KÖNIG.
Wir zweifeln nicht daran. Lebt herzlich wohl.
(Voltimand und Cornelius ab.)
Und nun, Laertes, sagt, was bringt Ihr uns?
Ihr nanntet ein Gesuch: was ist’s, Laertes?
Ihr könnt nicht von Vernunft dem Dänen reden
Und Euer Wort verlieren. Kannst du bitten,
Was ich nicht gern gewährt’, eh du’s verlangt?
Der Kopf ist nicht dem Herzen mehr verwandt,
Die Hand dem Munde dienstgefäll’ger nicht,
Als Dänmarks Thron es deinem Vater ist.
Was wünschest du, Laertes?
LAERTES.
Hoher Herr,
Vergünstigung, nach Frankreich rückzukehren,
Woher ich zwar nach Dänmark willig kam,
Bei Eurer Krönung meine Pflicht zu leisten;
Doch nun, gesteh ich, da die Pflicht erfüllt,
Strebt mein Gedank’ und Wunsch nach Frankreich hin
Und neigt sich Eurer gnädigen Erlaubnis.
KÖNIG.
Erlaubt’s der Vater Euch? Was sagt Polonius?
POLONIUS.
Er hat, mein Fürst, die zögernde Erlaubnis
Mir durch beharrlich Bitten abgedrungen,
Dass ich zuletzt auf seinen Wunsch das Siegel
Der schwierigen Bewilligung gedrückt.
Ich bitt Euch, gebt Erlaubnis ihm zu gehn.
[17]KÖNIG.
Nimm deine günst’ge Stunde: Zeit sei dein
Und eigne Zierde; nutze sie nach Lust. –
Doch nun, mein Vetter Hamlet und mein Sohn –
HAMLET
(beiseite). Mehr als befreundet, weniger als Freund.
KÖNIG.
Wie, hängen stets noch Wolken über Euch?
HAMLET.
Nicht doch, mein Fürst, ich habe zu viel Sonne.
KÖNIGIN.
Wirf, guter Hamlet, ab die nächt’ge Farbe,
Und lass dein Aug’ als Freund auf Dänmark sehn.
Such nicht beständig mit gesenkten Wimpern
Nach deinem edlen Vater in dem Staub.
Du weißt, es ist gemein: was lebt, muss sterben
Und Ew’ges nach der Zeitlichkeit erwerben.
HAMLET.
Ja, gnäd’ge Frau, es ist gemein.
KÖNIGIN.
Nun wohl,
Weswegen scheint es so besonders dir?
HAMLET.
Scheint, gnäd’ge Frau? Nein, ist; mir gilt kein scheint.
Nicht bloß mein düstrer Mantel, gute Mutter,
Noch die gewohnte Tracht von ernstem Schwarz,
Noch stürmisches Geseufz beklemmten Odems,
Noch auch im Auge der ergieb’ge Strom,
Noch die gebeugte Haltung des Gesichts,
Samt aller Sitte, Art, Gestalt des Grames
Ist das, was wahr mich kundgibt; dies scheint wirklich:
Es sind Gebärden, die man spielen könnte.
[18]Was über allen Schein, trag ich in mir;
All dies ist nur des Kummers Kleid und Zier.
KÖNIG.
Es ist gar lieb und Eurem Herzen rühmlich, Hamlet,
Dem Vater diese Trauerpflicht zu leisten.
Doch wisst, auch Eurem Vater starb ein Vater;
Dem seiner, und der Nachgelassne soll,
Nach kindlicher Verpflichtung, ein’ge Zeit
Die Leichentrauer halten. Doch zu beharren
In eigenwill’gen Klagen, ist das Tun
Gottlosen Starrsinns; ist unmännlich Leid;
Zeigt einen Willen, der dem Himmel trotzt,
Ein unverschanztes Herz und wild Gemüt;
Zeigt blöden, ungelehrigen Verstand.
Wovon man weiß, es muss sein; was gewöhnlich
Wie das Gemeinste, das die Sinne rührt:
Weswegen das in mürr’schem Widerstande
Zu Herzen nehmen? Pfui! es ist Vergehn
Am Himmel; ist Vergehen an dem Toten,
Vergehn an der Natur; vor der Vernunft
Höchst töricht, deren allgemeine Predigt
Der Väter Tod ist, und die immer rief
Vom ersten Leichnam bis zum heut verstorbnen:
»Dies muss so sein.« Wir bitten, werft zu Boden
Dies unfruchtbare Leid, und denkt von uns
Als einem Vater; denn wissen soll die Welt,
Dass Ihr an unserm Thron der Nächste seid,
Und mit nicht minder Überschwang der Liebe,
Als seinem Sohn der liebste Vater widmet,
Bin ich Euch zugetan. Was Eure Rückkehr
Zur hohen Schul’ in Wittenberg betrifft,
[19]So widerspricht sie höchlich unserm Wunsch,
Und wir ersuchen Euch, beliebt zu bleiben,
Hier in dem milden Scheine unsers Augs,
Als unser erster Hofmann, Vetter, Sohn.
KÖNIGIN.
Lass deine Mutter fehl nicht bitten, Hamlet:
Ich bitte, bleib bei uns, geh nicht nach Wittenberg.
HAMLET.
Ich will Euch gern gehorchen, gnäd’ge Frau.
KÖNIG.
Wohl, das ist eine liebe, schöne Antwort.
Seid wie wir selbst in Dänmark. – Kommt, Gemahlin!
Dies will’ge, freundliche Nachgeben Hamlets
Sitzt lächelnd um mein Herz; und dem zu Ehren
Soll das Geschütz heut jeden frohen Trunk,
Den Dänmark ausbringt, an die Wolken tragen,
Und wenn der König anklingt, soll der Himmel
Nachdröhnen ird’schem Donner. – Kommt mit mir.
(König, Königin, Laertes und Gefolge ab.)
HAMLET.
O schmölze doch dies allzu feste Fleisch,
Zerging’ und löst’ in einen Tau sich auf!
Oder hätte nicht der Ew’ge sein Gebot
Gerichtet gegen Selbstmord! – O Gott! o Gott!
Wie ekel, schal und flach und unersprießlich
Scheint mir das ganze Treiben dieser Welt!
Pfui! pfui darüber! ’s ist ein wüster Garten,
Der auf in Samen schießt; verworfnes Unkraut
Erfüllt ihn gänzlich. Dazu musst’ es kommen!
Zwei Mond’ erst tot! – nein, nicht so viel, nicht zwei;
Solch trefflicher Monarch! der neben diesem
Apoll bei einem Satyr; so meine Mutter liebend,
[20]Dass er des Himmels Winde nicht zu rau
Ihr Antlitz ließ berühren. Himmel und Erde!
Muss ich gedenken? Hing sie doch an ihm,
Als stieg’ der Wachstum ihrer Lust mit dem,
Was ihre Kost war. Und doch in einem Mond –
Lasst mich’s nicht denken! – Schwachheit, dein Nam’ ist Weib! –
Ein kurzer Mond; bevor die Schuh’ verbraucht,
Womit sie meines Vaters Leiche folgte,
Wie Niobe, ganz Tränen – sie, ja sie;
O Himmel! würd ein Tier, das nicht Vernunft hat,
Doch länger trauern. – Meinem Ohm vermählt,
Dem Bruder meines Vaters, doch ihm ähnlich
Wie ich dem Herkules: in einem Mond!
Bevor das Salz höchst frevelhafter Tränen
Der wunden Augen Röte noch verließ,
War sie vermählt! – O schnöde Hast, so rasch
In ein blutschänderisches Bett zu stürzen!
Es ist nicht und es wird auch nimmer gut.
Doch brich, mein Herz! denn schweigen muss mein Mund.
(Horatio, Bernardo und Marcellus treten auf.)
HORATIO.
Heil Eurer Hoheit!
HAMLET.
Ich bin erfreut, Euch wohl zu sehn.
Horatio – wenn ich nicht mich selbst vergesse?
HORATIO.
Ja, Prinz, und Euer armer Diener stets.
HAMLET.
Mein guter Freund; vertauscht mir jenen Namen.
Was macht Ihr hier von Wittenberg, Horatio?
Marcellus?
MARCELLUS.
Gnäd’ger Herr –
[21]HAMLET.
Es freut mich, Euch zu sehn. Habt guten Abend.
Im Ernst, was führt Euch weg von...