dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Eisblumenglitzern - Ein romantischer Weihnachtskrimi

Christine Rath

 

Verlag Gmeiner-Verlag, 2016

ISBN 9783839251447 , 318 Seiten

Format PDF, ePUB, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR


 

1. Kapitel


»Das kalte Herz«


Brrr … ist das kalt hier oben! Ich hätte eine Jacke anziehen sollen, denke ich. Aber wer zieht schon eine Jacke an, wenn er in seinem Haus unterwegs ist? Ich ziehe die kleine Holztreppe zum Dachboden aus der Luke und klettere auf ihr hinauf. Eiskalte Luft schlägt mir entgegen und ich bin versucht, wieder umzudrehen. Aber nein, das würde ja bedeuten, dass ich wieder in die fröhliche Adventsstimmung in meinem Café »Butterblume« eintauchen muss, und es tut so gut, hier oben alleine zu sein. Auch wenn die Kälte mir den Atem raubt. Meine Hände tasten nach dem Lichtschalter, doch es tut sich … nichts. Die kleine Glühbirne, die normalerweise wenigstens ein bisschen schwaches Licht spendet, bleibt dunkel. Nur gut, dass ich in weiser Voraussicht meine Taschenlampe eingesteckt habe. Das wird das Suchen nach dem Weihnachtsschmuck für den großen Tannenbaum, den wir bereits vor Tagen in der Gaststube aufgestellt haben und der bis jetzt bis auf ein paar Lichterketten noch nackt und kahl ist, ein wenig einfacher machen. In den nächsten Tagen werden verschiedene Weihnachtsfeiern bei uns stattfinden und wir sind seit Tagen damit beschäftigt, das ganze Haus entsprechend zu schmücken. In der Küche duftet es nach Zimtsternen, Bratäpfeln, Vanillekipferln und Lebkuchen, mit denen wir die Gäste ebenso verwöhnen wie mit heißer Schokolade, Cappuccino oder Apfelpunsch. Im Kamin prasselt ein warmes, helles Feuer und alle träumen bei leiser Weihnachtsmusik von fallendem Schnee, klingenden Glöckchen und fröhlichen Feiertagen. Alle, nur ich nicht.

Ich habe das Gefühl, ich passe nicht in dieses glitzernde, zuckersüße Weihnachtsglück. Dabei gebe ich mir wirklich die allergrößte Mühe! Jeden Morgen, wenn ich meinen dicken Rollkragenpullover überstreife und unten im Gastraum das Feuer im Kamin anmache, knipse ich gleichzeitig mein »Weihnachtslächeln« an. Das erspart mir viele lästige Fragen und wohlmeinende Ratschläge. Gerade eben erst, als ich diese ganze heile und wundervolle Adventsstimmung einfach nicht länger ertragen konnte und mich deshalb bereit erklärte, auf dem kalten Dachboden nach dem Weihnachtsbaumschmuck zu suchen, hatte Ruth mich wieder so komisch angesehen. Ruth ist in den letzten Jahren nicht nur meine beste und unentbehrlichste Mitarbeiterin, sondern inzwischen auch eine gute Freundin und ein ganz besonderer Mensch in meinem Leben geworden.

Mit ihren warmen braunen Augen hatte sie mich besorgt angesehen und lächelnd gefragt:

»Ist alles in Ordnung, Maja?«

Ich hatte eine – wie ich meine – besonders fröhliche Miene aufgesetzt und mich beeilt zu versichern:

»Na klar, ich sehe nur mal eben nach der Deko, Ruth! Morgen ist doch die erste Weihnachtsfeier und ich möchte heute Abend noch gerne den Baum schmücken. Ich bin gleich wieder da.«

Und noch ehe sie antworten konnte, war ich aus der Tür. Hier oben ist es seltsam still, doch die Stille tut mir gut.

Ich lasse das Licht meiner Taschenlampe über den ganzen Dachboden kreisen und frage mich, was hier oben eigentlich alles gelagert ist. Gerade, als das Licht auf eine große, staubige Kiste, die mit »Weihnachten« beschriftet ist, fällt, entdecke ich es. Es ist so wunderschön, dass ich für einen Moment den Atem anhalte. Das Dachfenster, von dem aus man so schön in den Garten hinaussehen kann, ist übersät mit den zauberhaftesten Eisblumen, die ich je gesehen habe. Ich trete näher und berühre sie vorsichtig mit der Hand. Sie sind so filigran, dass ich Angst habe, sie zu beschädigen, was natürlich völliger Blödsinn ist. Das ganze Fenster ist übersät mit diesen kleinen, wundervollen Kunstwerken, nur mein erstaunter heißer Atem hinterlässt, als ich dagegen hauche, ein winzig kleines Loch. Schnell trete ich zurück, um die zarten Blüten, die wie große Schneeflocken aussehen, nicht zu zerstören und sofort friert das Loch wieder zu. Voller Ehrfurcht vor diesem kleinen Wunderwerk bleibe ich noch einen Moment stehen, dann zwingt mich die Kälte dazu, nach dem staubigen Weihnachtskarton zu greifen und die kleine Treppe wieder nach unten zu steigen.

Ich stelle die Kiste in der Küche ab und wärme mich für einen Augenblick am heißen Backofen auf, in dem ein leckerer Christstollen verführerisch duftet. Aus dem Gastraum höre ich Gläserklirren und leises Gelächter und ich weiß, ich sollte hineingehen und freundlich die Gäste bedienen. Doch ich kann es noch nicht, bleibe stattdessen einfach vor dem Herd stehen und überlege, wie ich mich davor drücken kann. Als Ruth hereinkommt, um den Stollen aus dem Ofen zu nehmen, frage ich sie verlegen: »Sind noch viele Gäste da?«

»Nur drei Tische und die sind alle versorgt. Warum fragst du, Maja?«

Wieder sieht sie mich misstrauisch an.

»Nur so. Ich brauche ein wenig frische Luft. Ich war heute noch gar nicht draußen! Und Jojo muss ja auch noch einmal raus, bevor es dunkel wird. Denkst du, du kommst alleine klar?«

Es ist natürlich eine Lüge, dass meine kleine Mischlingshündin Jojo unbedingt raus muss. Nur äußerst widerstrebend lässt sie sich von mir überreden, ihr warmes Körbchen am Kamin zu verlassen und mir in den kalten Flur zu folgen.

Aber eine bessere Ausrede fällt mir beim besten Willen gerade nicht ein.

»Außerdem möchte ich noch einmal auf die Post und nach dem Päckchen von meiner Mutter fragen.«

Zum Glück ist mir das noch eingefallen! Das wird mir Gelegenheit geben, ein wenig Ruhe in der Natur zu finden.

»Kein Problem, Maja … lass dir ruhig Zeit. Ich komme hier sehr gut alleine zurecht.«

Aufmunternd nimmt Ruth mich in den Arm, nicht ohne mich noch einmal prüfend anzusehen.

Als ob sie Angst hätte, ich könnte mich in den kalten See stürzen. So verrückt bin ich nun auch wieder nicht!

Auch wenn mir meine Idee, um diese Zeit am See entlangzulaufen, im Augenblick gerade komplett wahnsinnig erscheint, obwohl ich es mir doch gerade so sehr gewünscht habe. Wahrscheinlich bin ich dabei, den Verstand zu verlieren!, denke ich bei mir, während Jojo widerwillig neben mir hertrottet.

Eiskalter Wind bläst mir ins Gesicht und raubt mir für einen kurzen Moment den Atem.

»Selber schuld«, schimpfe ich mit mir und ziehe die Mütze noch tiefer über die Ohren.

Warum musste ich unbedingt bei dieser Eiseskälte mein gemütliches, warmes Heim verlassen, um einen Spaziergang am See zu unternehmen? Außer mir ist natürlich kein Mensch weit und breit unterwegs. Der Uferweg, auf dem sich im Sommer so viele Spaziergänger und Radfahrer tummeln, ist wie leergefegt. An einem derart eiskalten Tag wie dem heutigen genießt jeder die wohlige Atmosphäre seiner warmen Stube.

Ich ziehe den Schal über den Mund, damit ich nicht noch mehr kalte Luft einatme, doch der dünne Schal vermag nur wenig von der beißenden Kälte abzuhalten. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal so sehr gefroren zu haben!

In diesem Jahr hatte der Winter sehr früh Einzug gehalten. Schon der Sommer war sehr kühl gewesen und hatte seinem Namen keine Ehre gemacht. Im Oktober wurde es dann bereits richtig kalt und die Temperaturen rutschten drastisch in den Keller. Dabei haben wir normalerweise im Herbst oft noch viele wundervoll sonnige und milde Tage! Jedoch nicht in diesem Jahr, denn schon im November begann es zu schneien. Und nun, wenige Wochen vor Weihnachten, ist es so bitterkalt wie nie zuvor! An manchen Stellen ist der See bereits am Rand zugefroren, genauso wie die kleinen Weiher im Hinterland. Und es scheint von Tag zu Tag kälter zu werden …

Jojo wagt sich mit ihren kleinen Pfoten auf ein Stück Eis am Ufer, doch als es zu knacken beginnt, zieht sie schnell den Schwanz ein und kehrt auf den sicheren Uferweg zurück.

Ein eisiger Wind fegt über den Marktplatz von Überlingen, auf dem auch in diesem Jahr wieder die kleinen Hütten des traditionellen Weihnachtsmarktes stehen. Die Dächer der kleinen Holzhütten, die alle unterschiedlich weihnachtlich geschmückt sind, zittern verdächtig und so manch einer der Standbesitzer blickt besorgt in den dunklen, grauen Himmel, ob aus dem kalten Wind vielleicht ein Sturm werden könnte. Kaum ein Kunde steht heute vor dem Glühweinstand und auch ich gehe weiter, obwohl ich mich eigentlich gerne ein wenig aufwärmen würde.

Als ich das Postamt erreiche, ist es bereits dunkel, obwohl doch erst Nachmittag ist. Ich frage nach, ob es möglich ist, dass ein Weihnachtspäckchen aus den USA seit sechs Wochen unterwegs ist. Die Mitarbeiterin sieht mich verständnislos an.

»Eigentlich nicht«, sagt sie und runzelt die Stirn. »Es kann zwar schon einmal vorkommen, dass eine Sendung etwas länger braucht, um anzukommen … besonders, wenn es einen solch weiten Weg hinter sich bringen muss … noch dazu in der Weihnachtszeit! Aber sechs Wochen? Das erscheint mir doch recht lange. Sind Sie wirklich sicher, dass es schon so lange unterwegs ist? Vielleicht hat sich der Absender ja im Datum geirrt …«

Ich schüttele den Kopf. Was diese Dinge angeht, irrt sich meine Mutter nie. Sie lebt nun schon seit über zwei Jahren bei ihrer großen Liebe Steve in Amerika und weiß daher genau, wie lange ein Weihnachtspäckchen nach Deutschland benötigt. Gerade deshalb bringt sie ihres immer rechtzeitig zur Post, damit meine Tochter Nini und ich es pünktlich erhalten. Ich habe mein Päckchen an sie leider erst in der vorherigen Woche abgeschickt und hoffe inständig, dass es noch rechtzeitig vor den Feiertagen eintreffen wird.

»Warten Sie einfach noch ein wenig«, rät die Dame freundlich. »Es sind ja noch ein paar Wochen bis...