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Aktivierung, Erwerbstätigkeit und Teilhabe - Vier Jahre Grundsicherung für Arbeitsuchende

Susanne Koch, Peter Kupka, Joß Steinke

 

Verlag wbv Media, 2009

ISBN 9783763945436 , 353 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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2 Stunde Null – der Übergang ins neue System (S. 31-32)

2.1 Einführung

Es besteht Einigkeit darüber, dass die Einführung des SGB II eine bedeutende Zäsur in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Bundesrepublik ist. Weniger Einigkeit besteht jedoch darüber, worin diese Zäsur eigentlich besteht. Für die einen ist Hartz IV „Armut per Gesetz", für die anderen eine Chance für viele Menschen, aus der Hilfsbedürftigkeit herauszukommen und ein auch materiell selbstständigeres Leben zu führen. Im ersten Kapitel unseres Berichts wollen wir uns daher zunächst mit der Frage befassen, wer eigentlich im Jahr 2005 ins System hineingekommen ist und warum. Dabei spielt die Debatte um den unerwartet starken Anstieg der Zahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Bedarfsgemeinschaften eine wichtige Rolle.

Haben sich wirklich viel Menschen Lücken im Gesetz zunutze gemacht und ihre Lebenssituation entsprechend „gestaltet" oder haben sie einfach falsche Angaben gemacht und somit zu Unrecht Leistungen bezogen? Die Ergebnisse des IAB zeigen, dass es jenseits der Annahme eines Massenmissbrauchs rationale Erklärungen für die Zunahme gibt. Anschließend fassen wir die wichtigsten Änderungen, die es im SGB II gegenüber den Systemen der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe gegeben hat, zusammen und diskutieren ausgehend davon die Frage, wer eigentlich die Gewinner und die Verlierer der Reform waren.

Die Ergebnisse einer Simulation zeigen, dass sich Gewinne und Verluste ziemlich gut entlang anhand der Unterscheidung zwischen den ehemaligen Systemen erläutern lassen. Empirische Ergebnisse zur Lage im Jahr 2005 bestätigen weitgehend die Simulation und können darüber die Verlierer noch besser eingrenzen und beschreiben. Im Rahmen einer weiteren Politiksimulation gehen wir der Frage nach, welche Verteilungswirkungen das SGB II insgesamt hat und kommen dabei zu Ergebnissen, die nicht in den Mainstream der Diskussion passen: Am Ende ist Hartz IV vielleicht sogar „Armutsprävention per Gesetz"?

2.2 Vorher – nachher: Anzahl und Struktur der betroffenen Haushalte

Vor der Einführung der Grundsicherung gingen diejenigen, die am Reformprozess beteiligt waren, davon aus, dass im Jahresdurchschnitt 2005 2,7 Mio. Bedarfsgemeinschaften mit 5,6 Mio. Personen die neuen Leistungen in Anspruch nehmen würden. Diese Eckzahlen lagen auch der Einigung im Vermittlungsausschuss zum Kommunalen Optionsgesetz zugrunde. Das IAB veröffentlichte im Herbst 2004 einen Bericht, der davor warnte, mit diesen Zahlen zu operieren. Sie waren zu niedrig angesetzt (Rudolph 2004). Tatsächlich berichtete die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Januar 2005 von 3,3 Mio. Bedarfsgemeinschaften mit rund 6,1 Mio. Personen. Berechnungen des IAB kamen zu ähnlichen Ergebnissen.

Auf Basis der (nachträglich) vorliegenden Statistiken zur Arbeitslosen- und Sozialhilfe vom Dezember 2004 schätzte das IAB die Größenordnungen auf 3,2 Mio. Bedarfsgemeinschaften mit 6,1 Mio. Personen bei etwas größeren Haushalten (IAB-Schätzmodell). Die Unterschätzung der Inanspruchnahme in den Planungen beruhte im Wesentlichen auf einer ungenügenden Fortschreibung des Anstiegs der Arbeitslosigkeit zwischen 2002 und 2004 und dem Anstieg von Leistungsempfängern in Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Nach der Implementierung des „Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" ist die Zahl der Empfänger der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 zunächst weiter angestiegen. Im Dezember 2005 waren bereits 3,9 Mio. Bedarfsgemeinschaften zu verzeichnen. Nach einem kontinuierlichen Anstieg auf 4,1 Mio. im Mai 2006 sank ihre Zahl bis Juni 2008 auf rund 3,5 Mio. Bei der Suche nach den Ursachen nahm 2005 in der öffentlichen Diskussion vor allem die sogenannte „Gestaltungshypothese" großen Raum ein, nach der die zunächst dramatisch gestiegene Leistungsinanspruchnahme in erster Linie auf legale Mitnahmen wie dem Auszug von volljährigen Kindern und Missbrauch zurückgehe.