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Perry Rhodan 2875: Die vereiste Galaxis - Perry Rhodan-Zyklus 'Sternengruft'

Christian Montillon

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2016

ISBN 9783845328744 , 64 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

1,99 EUR


 

1.

Für die Ewigkeit

 

Terrania ist für die Ewigkeit gebaut, und diese Ewigkeit geht heute zu Ende.

Perry Rhodan schaute auf einen Ozean aus Häusern, ein unendliches Meer aus Metall, Glas und Stein. Es war erstarrt. Ohne Leben.

Tot?

Rhodan war der letzte Mensch in Terrania, der Hauptstadt der Erde. In seiner Stadt.

Er ging einige Schritte, auf einer der Brücken, die sich in luftiger Höhe zwischen den Gebäuden spannten. Nun konnte er den Residenzpark sehen – die weiten grünen Flächen, die Sonnenspiegelungen auf dem See. Ein paar Vögel kreisten darüber, trieben mit ausgebreiteten Schwingen in der warmen Luft. Sie schrien, schrill und auf seltsame Art melodisch. Unmöglich, es auf diese Distanz zu hören.

Nein, verbesserte er sich. Es war jahrhundertelang unmöglich gewesen. Eine Ewigkeit lang. Doch nun sausten keine Gleiter in den verschiedenen Flugebenen geschäftig umher. Es fehlten die summenden holografischen Werbeschilder, die ihre Waren anpriesen. Aus den Restaurants drangen keine Musikstücke, die die Gäste anlocken sollten. Kein Lachen spielender Kinder erklang.

Warum auch?

Es war ja niemand mehr da.

Rhodan atmete tief ein. Die Luft schmeckte sauberer als sonst. Ein wenig salzig.

»Terraner«, tönte eine Stimme.

Er drehte sich um. Ein Roboter schwebte neben der Brücke, eine kugelförmige Maschine mit zwei Tentakelarmen, die sich ihm entgegenreckten und dabei auf- und niederfuhren, als wollten sie einen zornigen Lehrer nachahmen, der seinen Schüler beschimpfte. Sonnenstrahlen brachen sich auf dem metallenen Leib.

»Was kann ich für dich tun?«, fragte Rhodan.

Diese Frage verwirrte den Roboter offenbar; damit kam seine Programmierung zunächst nicht zurecht.

Rhodan lächelte. »Lass dir nur Zeit.« Irgendwie wusste er, dass er eine Menge davon hatte. Sonst nichts, aber jede Menge Zeit.

Nein, dachte er. Eben nicht! So viele Katastrophen standen bevor. Er musste sich beeilen, um Terra zu retten. Das gesamte Solsystem wartete gelähmt auf den Untergang.

Wie kam er darauf? Wenn es eilte, wieso ...

»Weshalb bist du noch hier, Terraner?«, riss ihn die Maschine aus den Gedanken. Schade – er fühlte sich, als wäre er gerade an einen wichtigen Punkt seiner Überlegungen gekommen.

»Ich weiß es nicht«, gab er zu.

»Die Evakuierung ist längst abgeschlossen«, sagte der Roboter. »Alle haben Befehl, Terra zu verlassen. Die Tiuphoren werden angreifen, und niemand kann sie aufhalten.«

»Das ist mir klar«, sagte Rhodan.

»Warum bist du dann noch hier?«

»Das weiß ich eben nicht!«, antwortete er zornig. Wie albern, Zorn auf eine Maschine zu empfinden.

Im Grunde war er auf sich selbst wütend.

Nun berührten ihn die Tentakelarme. Sie fühlten sich kalt an. Wie Schlaf. »Du musst Terra verlassen! Rasch! Sonst wirst du sterben. Die Verteidigerflotten können nicht bestehen.«

Kalt wie Schlaf.

»Womöglich gibt es noch ein kleines Evakuierungsboot.«

Schlaf und Tod.

»Ich kümmere mich darum, Terraner.«

Ja, Tod.

Wie hatte es die Maschine gesagt? Sonst wirst du sterben. Endlich begriff Perry Rhodan, dass es für eine Flucht längst zu spät war.

Er war bereits tot.

 

*

 

Tot zu sein, fühlte sich anders an, als er geglaubt hatte. Allerdings hatte er sich nie ernsthafte Gedanken über ein Danach gemacht. Doch dies hier, was immer es sein mochte, war kein Danach im Sinne einer Philosophie oder eines Glaubens.

Was er erlebte, hatte nichts mit Religion zu tun. Es war Wissenschaft. Aber nicht auf einer terranischen Grundlage, sondern ...

... sondern ...

Er wusste es nicht. Ihm war nur klar, dass er existierte. Ob er auch – lebte? Diese Frage konnte er nicht beantworten.

»Du musst gehen«, drängte der Roboter, der in Wirklichkeit keiner war.

Mein Bewusstsein bildet ihn sich nur ein, dachte Rhodan. Egal. Ein Gegenüber sorgte trotzdem für einen gewissen Trost, und sei es nur eine seelenlose Maschine aus Metall.

»Erzähl mir mehr«, bat er. »Nicht über das menschenleere Terrania und die Evakuierung des Solsystems. Das liegt bereits lange zurück, nicht wahr?«

»Denk nach!«, forderte der Roboter. »Du weißt es doch, oder?« An den Spitzen der beiden Tentakelarme öffneten sich Augen und schauten ihn an.

Nein, keine Augen.

Es waren Blicke in die Vergangenheit, die wie eine Holo-Aufzeichnung vor ihm abliefen.

Terrania, ja, ganz Terra war evakuiert worden – in den Tagen, ehe die Tiuphoren das Solsystem angegriffen hatten. Aber ... was dann?

Wie war es ausgegangen?

Ich habe das Ende nicht miterlebt. Weil ich gestorben bin.

Er sah in den Holo-Augen ein mächtiges Raumschiff seiner Feinde, einen fünf Kilometer langen Walzenraumer, der an die Achse eines gigantischen Rades mit nur vier dicken Speichen erinnerte. Das Schiff hieß SHEZZERKUD, und dessen Anführer, der Caradocc Paddkavu Yolloc, forderte Perry Rhodan auf, sich zu ergeben. An Bord zu kommen und sich auszuliefern.

Er sah, wie er selbst diesem Befehl nachkam, wie er kapitulierte, weil es keine andere Wahl gab. Er verließ Terra, flog in einem Gleiter zur SHEZZERKUD, und er wusste, dass es vorbei war.

Nach all den Schlachten seines Lebens, nach all den verzweifelten Aktionen, war dies das Ende. Er ging besiegt dem Tod entgegen.

Aber er blieb nicht allein.

Aus den Holo-Augen schaute ihn eine Frau an, mit einem breiten Gesicht und wulstigen Lippen und doch auf eigenartige Weise verführerisch schön. »Ich begleite dich, Perry«, sagte sie. Ihr Name war Pey-Ceyan und sie gehörte dem Volk der Laren an. Eine gemeinsame, unfassbare Odyssee lag hinter ihnen.

»Warum?«, wollte der Rhodan in den Bildern der Vergangenheit wissen. »Du wirst sterben.«

»Werden wir das?«, fragte Pey-Ceyan. »Nichts ist für die Ewigkeit. Außer vielleicht ...«

Die Holo-Augen schlossen sich. Die Tentakelarme des Roboters fuhren surrend in den metallenen Kugelleib zurück. Ausgerechnet in diesem Augenblick. Wie ärgerlich!

»Ärgerlich?«, fragte die Maschine, als hätte sie Rhodans Gedanken gelesen. Eine eigenartige Vorstellung, wo sie doch ohnehin seiner Imagination entsprang. »Es endet hier, weil du es so willst.«

»Aber wieso?« Rhodan verstand nicht. Er schaute sich um. Das menschenleere Terrania war verschwunden. Es hatte so nie existiert. Nicht an diesem Ort.

»Such Pey-Ceyan«, sagte der Roboter, bereits halb durchscheinend, »und finde dich selbst. Wieder einmal.«

Zurück blieb nur ein seltsamer, konturloser Nebel, ein wallendes Nichts. Es fühlte sich einsam an, und verloren.

Immerhin vermochte Rhodan darauf zu gehen. Aber ging er tatsächlich, oder träumte er es nur? Wie konnte er die Beine bewegen – ohne einen Körper?

Während er darüber nachdachte, verschwanden die verschwommenen Schwaden und wichen einer Wiese. Das Gras wuchs in herrlich sattem Grün. Ein kleiner Fluss schlängelte sich hindurch, an den Ufern glitzerte Wasser noch weit zwischen den Grashalmen und den lustig bunten Blüten darin. Die Wurzeln eines mächtigen Baumes – eine Tanne, erkannte Rhodan, mit grobschuppiger Rinde – verwandelten einen festgetretenen Wanderweg in eine Stolperfalle.

Das Flüsschen gurgelte friedlich über ausgewaschene Steine. Es war angenehm. Es tat der Seele wohl. Trotzdem hörte Rhodan ein Weinen, das von flussabwärts zu ihm drang.

Er ging los, in diese Richtung, doch auch nach vielen Hundert Schritten wurde das Weinen nicht lauter.

 

*

 

Irgendwann wich die Wiese einem weitläufigen Getreidefeld. Er pflückte einen der hüfthohen Halme. Die Körner darin waren noch nicht reif, und sie rochen streng, wie faulend und mit stechend scharfen Chemikalien verseucht.

Das Getreide stand kerzengerade, von keinem Windhauch bewegt. Bei diesem Gedanken hob er den Blick. Über dem Feld spannte sich ein rotgoldener Himmel wie aus Kristall. War das eine feste Kuppel?

Kein Wunder, dass kein Wind weht, dachte Rhodan, und: Bin ich ganz allein hier? Ist dieser Ort nur für mich erschaffen?

Wieder hörte er das Weinen, und diesmal kam es eindeutig von jenseits des Flüsschens. Es stammte von einem Kind, das erkannte er nun deutlich. Er ging schneller, setzte erst vorsichtig jeden Schritt auf einen der glitschigen Steine und watete bald durch knietiefes Wasser, ehe er den Halt unter den Füßen verlor, immer weiter eintauchte und sogar unterging.

Im letzten Moment hielt er die Luft an. Wie konnte ein so kleiner Fluss so tief sein?

Er schwamm zurück zur Oberfläche, aber ehe er sie durchstieß, merkte er, dass er gar nicht atmen musste. Das Wasser war auch nicht kalt oder warm oder nass. Er empfand gar nichts, als wäre ein Großteil seiner Sinne tot.

Natürlich sind sie das. Ich habe keinen Körper mehr.

Der Gedanke schmerzte, also schob er ihn weg.

Bäume säumten das andere Ufer, und als er die Fluten verließ, schaute er an sich hinab. Die Kleidung – ein farbloses Etwas, das ihn an eine altrömische Toga erinnerte – hing völlig trocken an ihm. Seit wann trug er sie? Schon die ganze Zeit?

Die dicht belaubten Zweige über ihm verdeckten einen Großteil des rotgoldenen Kristallhimmels. Sie warfen einen angenehmen Schatten, ein wenig bläulich, ruhig und friedlich. Trost wisperte aus den Stämmen.

Von den dicken Ästen hingen Schaukeln und pendelten leicht hin und her. Auf...