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Der Teufel lockt mit roten Rosen

Egon F. Freiheit

 

Verlag Egon F. Freiheit, 2016

ISBN 9783961340033 , 162 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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0,99 EUR


 

1.   Ein Brieffreund aus dem Internet


Die Frau sah nicht den Mann, sie hörte nicht seine Schritte, sie spürte nicht seine Blicke. Das Duschwasser strömte in einem kräftigen Strahl über ihren Körper. Es nahm ihr die Sicht, sein Rauschen übertönte alle anderen Geräusche. Der Duft ihrer Seife verwöhnte die Sinne.

Wohlig streckte sie sich dem Duschkopf entgegen. Sie genoss den Augenblick. Noch eine, noch zwei Minuten – dann trat sie heraus aus dem gekachelten Halbrund der Dusche und zog ihr weißes Handtuch von einem Kleiderhaken.

Sie war groß, schlank, hatte pechschwarzes langes Haar und feste Brüste.

Der Voyeur, der von der steinernen Terrasse aus neugierige Blicke durch das geöffnete Fenster des Badezimmers geworfen hatte, konnte sich nur schwer losreißen. Er schlich rückwärts zur mannshohen Gartenhecke, die das Grundstück uneinsehbar von den Nachbargärten trennte. Der Mann bewegte sich lautlos – vorbei an bunten Ziersträuchern und einem Blumenbeet bis zum großen Terrassenfenster des Wohnzimmers. Er schaute nur flüchtig in den bürgerlich eingerichteten Wohnraum des schmucken Einfamilienhauses, in dem sich ein Mädchen mit langem schwarzen Haar in eine Couchecke drückte. Auf seinen Knien hielt es ein Fotoalbum. Das Kind war versunken in die Betrachtung der Aufnahmen.

Langsam blätterte es Seite für Seite um, als könnte ihm sonst ein Detail entgehen: das Hochzeitsfoto seiner Eltern, eine Urlaubsreise, Ausflüge ans italienische Mittelmeer. Seine Mutter schwanger in den Armen ihres Mannes. Dann das Baby mit seinen Eltern in einem Garten; erste Bauarbeiten auf einem Grundstück, der Rohbau und das Kind in der Haustür unter dem Baugerüst. Schließlich das Richtfest und die glücklichen Eltern mit ihrer Tochter vor dem fertiggestellten Haus. Zwei Blätter weiter das Mädchen beim Spielen im Garten – und glücklich in Vaters Armen. Unter der Aufnahme waren sechs Worte geschrieben: »Judith und Papa – für immer unzertrennbar.«

Die nächsten Seiten waren leer, kein Foto, kein Text – als hätte es die nächsten Jahre nicht gegeben. Schließlich ein wunderschönes Porträt des Vaters mit Geburts- und Todesdaten. Ein Blatt weiter dasselbe Kind, neunjährig, allein mit seiner Mutter vor dem Haus – ernster als auf allen anderen Fotos; schließlich das Kind mit einem Mischlingswelpen auf dem Arm.

Das Mädchen auf den Fotos war inzwischen 13 und saß jetzt auf der Couch. Die jüngste Aufnahme schaute sich Judith besonders lange an. Den kleinen Hund hatte ihre Mutter ihr geschenkt, damit sie über den Tod des geliebten Vaters besser hinwegkäme. Das lag nun vier Jahre zurück.

 

Die 13-jährige hörte die Rufe ihrer Mutter. Sie klappte das Album zu und erhob sich von der Couch.

 

Der Mann im Dunkeln flüchtete vorsichtig zur eisernen Gartenpforte. Dann trat er selbstbewusst auf den Bürgersteig, als sei er es, der das schmucke Einfamilienhaus bewohnt.

Der heimliche Besucher trug einen leichten, zweireihigen Sommeranzug über einem weißen Hemd, das seine gebräunte Haut betonte. Sein Haar war silbern, sein Gang leichtfüßig, sein Alter um die 45 Jahre.

Er öffnete die Tür seines frisch gewaschenen schwarzen Porsche-Cabrios, ließ den Motor an und schloss das Verdeck.

Drohende Gewitterwolken zogen auf, die Straßenbeleuchtung tauchte das weiße Haus in ein gespenstisches, geheimnisvolles Licht.

Im Schritttempo fuhr der Voyeur davon. Seine teure Armbanduhr zeigte ihm an: noch eine Stunde Zeit bis zum Rendezvous.

Judith betrat das Schlafzimmer ihrer Mutter. Sabine Möller stand vor der Spiegeltür ihres Kleiderschranks. Sie wusste um ihren attraktiven Körper. Jetzt wollte sie das passende Kleidungsstück für den heutigen Abend aussuchen. Auf ihrem Bett hatte sie eine Reihe von Kostümen und Unterwäsche ausgelegt. Doch die 35-jährige war unentschlossen, was sie anziehen sollte: lieber zurückhaltend? Oder doch sexy? Es ging schließlich um das erste Rendezvous. Sie hielt ein weiteres Kleidungsstück an und überlegte, als Judith den Raum betrag.

»Mami, du musst dich beeilen. Du kommst sonst zu spät. Constanze hat auch schon angerufen, wo du bleibst!«

»Jetzt hetz’ mich nicht. Sag mir lieber, was ich anziehen soll.«

Ganz oben auf den bereitgelegten Outfits lag eine jugendliche, modisch-bunte Kostümjacke. Sabine zog sie über: »Wie wäre es damit?«

»Ganz okay. Aber ein wenig verstaubt. Damit kommst du in keine Disco …«

»Willst du ihn treffen oder ich?«

»Okay, dann geh ich eben für dich …« Judith kicherte, ihre Mutter griff zu einem blauen Sommerkleid und zog es über den Kopf. »Dann nehme ich das hier. Wie findest du das?«

»Darin siehst du echt stark aus, Mami. So wird er sich sofort in dich verlieben.«

»Wir werden sehen …«

»Ich wünsche dir viel Glück. Vielleicht ist er ja wirklich ganz nett.«

Sie nahm ihre Mutter in den Arm. Beide drückten sich; dann löste sich die Frau und richtete zum wiederholten Male ihr Haar, bevor sie entschlossen durch die Haustür trat. Sie lief hinaus auf die Straße und winkte ihrer Tochter zum Abschied zu.

Sabine Möller startete in ein Abenteuer, dessen Ausgang sie nicht kannte, nicht einmal ahnen konnte.

Nach einer halben Stunde hatte sie ihr Ziel erreicht, einen Parkplatz in der Münchner Innenstadt. Sabine stieg aus, drei Frauen erwarteten sie bereits. Aufgeregt kamen sie ihr entgegen:

Ulla, ein ungezwungener Typ, blond, zehn Jahre jünger als Sabine und aufgeschlossen gegenüber dem männlichen Geschlecht;

Agnes, eine eher altmodisch wirkende 40-jährige und Constanze, kräftig, sportlich, ca. 35 Jahre und mit sinnlicher Ausstrahlung – wie Sabine.

Agnes begrüßte sie erschreckt: »Du siehst ja aus wie aus der ›Bravo‹. Hat deine Tochter dir das ausgesucht?«

»Ich wusste es: Ich hätte doch das graue Kostüm anziehen sollen.«

»Quatsch«, beruhigte sie Constanze, »du willst ihn doch nicht vergraulen.«

Ulla, die Dritte im Bunde, blickte auf ihre Armbanduhr: »Noch genau sieben Minuten!« Sie gab sich ungezwungen und machte keinen Hehl aus ihrer Lust auf ein erotisches Abenteuer: »Ich bin gespannt, ob er ein Typ fürs Bett ist.«

Schnell gingen die vier Freundinnen eine belebte Einkaufsstraße hinunter. Vor einer Passage blieben sie stehen.

»Lasst uns hier warten, bis es soweit ist.«

Constanze riet: »Sabine, du musst auf die Minute pünktlich im Café aufschlagen. Dann gibt es wenigstens keine Verwechslung.«

»Gibt es ohnehin nicht. Ich kenne ihn ja von den Fotos.«

Agnes zuckte die Schultern: »An deiner Stelle hätte ich mir ja einen Beamten ausgesucht. Oder einen aus dem letzten Computerkurs, Peter zum Beispiel.«

»Doch nicht diesen Chaoten?«, fragte Constanze empört.

»Aber er fuhr immerhin einen dicken Audi«, warf Ulla ein.

»Nein, danke. Ein gutes Auto hab’ ich selbst«, erwiderte Sabine.

»Dann schon lieber Walter«, überlegte Constanze.

Diesmal war Agnes empört: »Doch nicht den Schönling!«

Sabine hatte eine passende Antwort parat: »Lieber nicht ganz so schön und zuverlässig – als schön, mit dickem Wagen und nichts dahinter.«

»Du hast aber eine Eigenschaft vergessen«, warf Ulla ein. »Die hatte der Surfer. Den hätte ich mir gekrallt.«

Agnes rollte die Augen. »Kannst du nicht ein einziges Mal an etwas anderes denken?«

Sabine blieb abrupt stehen: »Ihr macht mich total verrückt! Ich suche erst einmal einen netten Kerl und einen guten Vater für Judith! Das ist alles!«

Constanze winkte ab: »Auf geht’s. Du musst los.«

Sabine holt tief Luft.

Agnes rief ihr noch »viel Glück« zu.

»Kann ich gebrauchen«, erwiderte Sabine.

Sie löste sich von ihren Freundinnen und ging etwas unsicher auf ein Café auf der gegenüber liegenden Straßenseite zu. Die Drei schauten ihr gespannt hinterher. Nach 20 Metern drehte sich Sabine fragend um. Ihre Begleiterinnen nickten ihr aufmunternd zu, Constanze hob den Daumen: »Alles klar! Wir sind in Gedanken bei dir.«

Je näher Sabine dem Café kam, desto langsamer wurden ihre Schritte. Kurz davor verließ sie der Mut. Sie machte plötzlich kehrt. »Das ist mir alles zu blöd.«

»Das gibt’s doch gar nicht«, redete ihr Constanze zu. »So kurz vor dem Ziel auszusteigen, das kannst du nicht machen.«

»Das kann ich sehr wohl. Was ich hier mache, ist Wahnsinn! Ein wildfremder Kerl aus dem Internet. Das wird nie im Leben was!«

»Hör zu! Du warst lange genug allein. Vergiss jetzt endlich deine Selbstzweifel. Außerdem habt ihr euch doch schon sechs Monate lang Mails und Fotos geschickt. Und nächtelang telefoniert«, erwiderte Constanze.

 

Und Ulla sah es ganz pragmatisch: »Ich denke, du willst ’n Kerl. Weißt du überhaupt noch, wie ein nackter Mann aussieht?«

Sabine verdrehte hilfesuchend die Augen. Dann fügte sie mit Bestimmtheit hinzu: »Eines sag ich euch gleich: Wenn er Judith nicht akzeptiert, kann er mir gestohlen bleiben. Eher bleibe ich bis zum Ende meines Lebens Witwe.«

Jetzt meldete sich Agnes zu Wort: »Geh’ schon. Zu verlieren hast du nichts!«

Sabine nahm einen zweiten Anlauf und ging dieses Mal sehr entschlossen auf das Café zu. Die Freundinnen schauten sich aufatmend an, Ulla presste mit erhobenen Fäusten übertrieben theatralisch die Daumen.

Der Mann, mit dem sich Sabine verabredet hatte, saß in einer Ecke mit dem Rücken...