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Crazy, Sexy, Love

Kylie Scott

 

Verlag LYX, 2016

ISBN 9783736302006 , 354 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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KAPITEL 1


Fuck.

Ich starrte auf mein Handy, und der Mund stand mir vor Schreck weit offen. Herrje, die beiden gingen ganz schön ran. Zungen umwickelten sich, Zähne stießen aneinander. Ohne Zaudern oder Zurückhaltung rieben sie ihre Körper aneinander. Der Winkel der Aufnahme und die Beleuchtung waren mies, doch ich bekam bei Gott noch genug mit von dieser nicht jugendfreien Aktion.

Das konnte nicht wahr sein. Was zum Teufel sollte ich jetzt tun?

Draußen auf dem Korridor waren Stimmen zu hören, Gelächter, lauter normale, fröhliche Geräusche. Das konnte ich an meinem großen Tag ja auch durchaus erwarten. Diesen Schweinkram auf meinem Handy dagegen eher weniger. Ich wollte es nicht sehen, schaffte es aber auch nicht, den Blick abzuwenden. Wer immer mir das geschickt hatte, hatte seine Nummer unterdrückt, doch die fragliche Person konnte damit nur eine einzige Absicht verfolgt haben.

Scheiße.

Oh Gott, zu sehen, wie sicher ihre Berührungen wirkten, wie merklich vertraut sich ihre Körper waren, war schier unerträglich. Mein Magen hob sich, und Galle brannte in meiner Kehle. Schluss jetzt. Ich schluckte angestrengt und warf das Handy auf das brandneue, übergroße Bett. Dort lag es, während das Video unablässig weiterlief, und sah inmitten der verstreuten roten Rosenblütenblätter aus wie ein schlechter Witz. Ich hätte es gleich gegen die Wand schleudern sollen. Oder drauftreten oder was auch immer.

Chris hatte gesagt, dass sie nur ein bisschen ausgehen, gemütlich beisammensitzen wollten. Nur er und sein Trauzeuge Paul. Ein paar Drinks kippen und über alte Zeiten reden. Von wilden Zungenspielchen hatte er ganz sicher nichts erwähnt, denn daran hätte ich mich, trotz der stressigen Hochzeitsvorbereitungen, bestimmt erinnert.

Meine Augen juckten, und in meiner Wange zuckte ein Muskel. Ging das schon länger hinter meinem Rücken so, und wenn ja, wieso war ich so ein riesiger Vollidiot gewesen und hatte es nicht gemerkt? Ich schlang die Arme um meinen Körper, ganz fest, und versuchte, nicht die Fassung zu verlieren.

Es klappte nicht. Nicht einmal ansatzweise.

Das Schlimme daran war, dass es bei genauerer Betrachtung durchaus verräterische Anzeichen gegeben hatte. Chris’ Libido ließ sich nicht gerade als ungezügelt bezeichnen. Zwar hatten wir bei all den gemeinsamen Abendessen und Ausflügen, die unsere stürmische Romanze bestimmten, oft Händchen gehalten und uns geküsst. Aber zu richtigem Geschlechtsverkehr war es nicht wirklich gekommen. Immer hatte er eine Entschuldigung parat gehabt. Seine Familie sei religiös, wir sollten uns an die Tradition halten und bis zur Hochzeitsnacht warten, wenn wir es erst dann täten, würde es etwas ganz Besonderes werden, blablabla. Damals klang das schlüssig für mich. Dass er schlicht nicht auf Frauen stand, wäre mir nie im Leben in den Sinn gekommen. In jeder anderen Hinsicht war er einfach so perfekt.

Nein, das stimmte nicht. Nach diesem Video zu urteilen, hatte Coeur d’Alenes Goldjunge mich als Alibifreundin benutzt und beabsichtigt, dies bis zu unserem Lebensende durchzuziehen.

Tief in meinem Inneren zerbrach ein Teil von mir. Mein Herz, meine Hoffnungen, meine Träume, keine Ahnung, was genau. Aber mir tat alles weh. Nie zuvor in meinem bisherigen, fünfundzwanzigjährigen Leben hatte ich etwas Vergleichbares erlebt. Der Schmerz war unerträglich.

Die Stimmen im Korridor kamen näher, während auch das Ächzen und Stöhnen in meinem Handy lauter wurde. Dem Chris im Video gefiel offensichtlich, was sein Trauzeuge mit seinem Genital anstellte. Dreckskerle. Und ich hatte gedacht, dass ich endlich ein Zuhause gefunden hatte. Wie dämlich war ich eigentlich?

Auf keinen Fall konnte ich jetzt dort rausgehen, vor all diese Menschen treten und eingestehen, was für ein Narr ich gewesen war. Dass ich für dumm verkauft worden war. Zumindest nicht im Moment. Mein Verstand brauchte erst einmal eine Chance, das Ausmaß dessen zu begreifen, was Chris getan hatte, wie gründlich er mich beschissen hatte.

Wumm, wumm, wumm!, hämmerte eine Faust draußen gegen die Schlafzimmertür. Ich zuckte zusammen, riss die Augen schmerzhaft weit auf.

»Lydia, es wird Zeit«, verkündete Chris’ Vater.

Ähm, ja … vergiss es. Ich war raus aus der Geschichte.

Von Panik ergriffen rannte ich blindlings los. Nicht gerade einfach, wenn man total außer Form ist und noch dazu im kompletten Hochzeitsornat steckt, aber ich schaffte es trotzdem. Ich flog geradezu. Schon interessant, welche Kräfte das Grauen in einem wecken kann.

Durch die Glastüren hinaus auf die Veranda. Über die weite Fläche des penibel geschnittenen, grünen Rasens, wo bei jedem Schritt die Pfennigabsätze meiner Schuhe in den weichen Boden einsanken. Ich hörte leise Musik und Stimmengewirr. Alle Gäste hatten sich vor dem Haus versammelt und warteten auf den Beginn der Trauungszeremonie, nach der Cocktails und Häppchen gereicht werden würden. Entsprechend flüchtete ich durch den Garten hinterm Haus, an Sträuchern und Hecken vorbei, quer über diverse Blumenbeete, die ich zertrampelte. Die Dornen eines Rosenbusches verfingen sich in meinen Strümpfen, zerkratzten mir die Beine. Egal. Keine Zeit zu verlieren. Denn hinter einem Baum versteckt stand ein Kompostbehälter, perfekt platziert am knapp zwei Meter hohen Zaun, der dieses Grundstück vom benachbarten trennte.

Jawohl, klasse. Meine Flucht würde gelingen.

Sollte Chris doch allen erklären, weshalb seine Braut sich aus dem Staub gemacht hatte. Oder noch besser: Paul konnte das übernehmen, dieser schleimige, hinterlistige, Männer stehlende Scheißkerl.

Zum Glück hatte ich nicht die bodenlange Robe angezogen, in die seine Mutter mich hatte quetschen wollen. Bei den vielen Tüllunterröcken würde es mit dem wadenlangen Kleid schon schwierig genug werden. Ich raffte sie hoch und kletterte ohne größere Schwierigkeiten auf den etwa hüfthohen Behälter. Äußerst wacklig richtete ich mich auf. Ein erschreckend schriller Laut drang aus meiner Kehle. Ich packte den rauen Holzzaun und klammerte mich so fest daran, dass meine Fingerknöchel weiß wurden.

Normalerweise hatte ich es nicht so mit Beten. Aber der große Boss dort oben würde mich doch bestimmt nicht abstürzen und auf dem Hintern landen lassen. Nicht heute. Wenn er wirklich noch das dringende Verlangen verspürte, mich zu strafen, sollte er das an einem anderen Tag tun. Heute hatte ich schon genug gelitten.

Schön tief durchatmen, ganz gerade und ruhig stehen. Ich konnte es schaffen. Im Garten neben meinem und Chris’ überkandideltem Mini-Schloss stand ein kleines Haus, in dem alles still zu sein schien.

Perfekt.

Ohne Rücksicht auf meine manikürten French Nails, die ohnehin schon total zerkratzt waren, stemmte ich mich hoch, wand mich hin und her, bis meine Hüften sich hoch genug befanden, damit ich ein Bein über den Zaun schwingen konnte. Dass ich mir dabei die Genitalien klemmte, war wirklich nicht schön. Ich hätte schwören können, dass ich meine Schamlippen aufschreien hörte, von dem Rest dort unten ganz zu schweigen. Wenn ich wirklich eines Tages noch Mutter werden wollte, musste ich mich in Bewegung setzen … und zwar pronto. Als ich mich flach vorbeugte und mühsam meinen Oberkörper ausbalancierte, bohrten sich die Latten des Holzzauns schmerzhaft in meinen Bauch. Schweißtropfen rannen mir übers Gesicht und hinterließen höchstwahrscheinlich tiefe Gräben in dem zentimeterdicken Make-up. (Die Visagistin hatte mir Chris’ Mutter empfohlen.)

»Tante Lydia?«, fragte eine leise, hohe Stimme. »Was machst du da?«

Ich kreischte vor Schreck auf. Glücklicherweise befand sich für einen richtigen Schrei nicht genug Luft in meiner Lunge. Unter mir stand ein kleines Mädchen und sah mich mit großen, braunen Augen fragend an.

»Mary. Hi.« Ich lächelte sie strahlend an. »Du hast mich erschreckt.«

»Warum kletterst du auf den Zaun?« Sie ließ den Rock ihres weißen Satin-Blumenmädchenkleides hin und her schwingen.

»Ähm, also …«

»Spielst du ein Spiel?«

»Äh …«

»Darf ich mitspielen?«

»Ja!« Ich lächelte gequält. »Ja, ich spiele gerade mit deinem Onkel Chris Verstecken.«

Ihre Miene hellte sich auf.

»Und nein, du kannst leider nicht mitspielen. Tut mir leid.«

»Warum denn nicht?«, fragte sie enttäuscht.

Das ist das Problem mit kleinen Kindern. Sie haben immer so viele Fragen.

»Weil es eine Überraschung ist«, sagte ich. »Eine ganz große Überraschung.«

»Onkel Chris weiß nicht, dass du spielst?«

»Nein, er weiß nichts davon. Deshalb musst du mir versprechen, niemandem zu verraten, dass du mich hier hinten gesehen hast. Okay?«

»Aber woher soll er dann wissen, dass er dich suchen soll?«

»Da ist was dran. Aber dein Onkel Chris ist ein kluger Kerl. Er wird ganz schnell von selbst draufkommen.« Insbesondere, da ich mein Telefon zurückgelassen hatte, auf dem noch immer dieser fiese Porno lief. Angesichts der ganzen Situation fiel es mir verdammt schwer, ein schlechtes Gewissen wegen des Outings zu haben. »Du darfst also niemandem verraten, dass du mich gesehen hast, ja?«

Für einen Moment blickte Mary angestrengt auf ihre jetzt schon verschrammten Satinschühchen. Ihre Mutter wäre darüber sicher nicht begeistert. »Ich mag es nicht, wenn mein Bruder meine Verstecke verrät.«

»Nein, das ist blöd, nicht wahr?« Ich merkte, wie mein Bein abrutschte, und stieß einen unterdrückten Fluch mit Sch am Anfang...