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Dramatische Werke - Der gestiefelte Kater, Der Blaubart, Prinz Zerbino, Das Ungeheuer und der verzauberte Wald, Leben und Tod der heiligen Genoveva, Leben und Tod des kleinen Rothkäppchens, Kaiser Octavianus...

Ludwig Tieck

 

Verlag e-artnow, 2016

ISBN 9788026868804 , 1388 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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1,99 EUR


 

Erste Scene

ALONZO, PEDRO, ein Offizier, treten herein.

ALONZO. Ein spanisches, sagten Sie?

PEDRO. Ein spanisches Kriegsschiff von achtzig Kanonen.

ALONZO. Aus welcher Absicht ist es gelandet?

PEDRO. Es will sich hier von neuem mit frischem Wasser versorgen, da eine Windstille es unterwegs lange aufgehalten hat.

ALONZO. Gut.

Pedro geht ab.

Zweite Scene

ALONZO. Ein spanisches Kriegsschiff? – Warum können mich die Ueberredungen Sebastiano's nicht ganz beruhigen? – Bin ich ein Verbrecher? – Nein, es ist unmöglich, wem soll ich folgen, als der Religion und ihren Dienern? – Und doch blick' ich mit Bangigkeit in die Zukunft. – Was ist es, das ich fürchte, wenn unvermuthet ein Schiff an diese Küsten landet? – Welche furchtbare Nachrichten erwarte ich? – Wenn doch Sebastiano käme, in seiner Gegenwart fühl' ich mich stärker. –

Dritte Scene

ALONZO. EIN BEDIENTER.

BEDIENTER. Ein Fremder will die Ehre haben aufzuwarten.

ALONZO. Wer ist es?

BEDIENTER. Er hat mir seinen Namen nicht gesagt.

ALONZO. Sonderbar! Laß ihn hereinkommen.

Der BEDIENTE geht ab, öffnet die Thür und läßt den FREMDEN herein.

Vierte Scene

ALONZO. DER FREMDE.

DER FREMDE verbeugt sich gegen den Gouverneur, der ihn mit aufmerksamen Augen betrachtet.

ALONZO. Was – verlangen Sie?

FREMDER. Die Gewährung einer Bitte.

ALONZO. Sie ist?

FREMDER. Mich anzuhören.

ALONZO. Das ist meine Pflicht. – er klingelt, ein BEDIENTER erscheint. – Stühle. – der Bediente setzt Stühle. Setzen Sie sich. – man setzt sich. – Ihr Vortrag?

FREMDER. Betrifft – den unglücklichen Alla-Moddin.

ALONZO. In welcher Rücksicht?

FREMDER. Für ihn zu bitten komm ich hieher, ich will es versuchen, ob meine Worte Eingang bei Ihnen finden.

ALONZO. Für den Verräther?

FREMDER. O säße auf meinen Lippen die süße Ueberredung, daß ich Sie von der Unschuld dieses unglücklichen Fürsten überzeugen könnte.

ALONZO. Was können Sie zu seiner Vertheidigung sagen?

FREMDER. Gehn Sie in seinen Kerker und ich bedarf keiner Worte, sehn Sie es selbst, wie der, der sonst frei und glücklich war, seufzend dasitzt, das Haupt gegen die gefühllose Mauer gelehnt. – O Alonzo, er war einst König.

ALONZO. Aber er ist ein Verräther.

FREMDER. Er? – O glauben Sie nicht alles, was boshafte Freunde sagen. – Er ein Verräther? O lassen Sie Ihre Großmuth über Ihren Argwohn siegen, hören Sie meine Bitte, geben Sie der Welt ein Beispiel des Edelmuths, erwerben Sie sich die Dankbarkeit eines Fürsten, die Liebe eines Volks, öffnen Sie seinen Kerker; – geben Sie meiner Bitte Gehör!

ALONZO. Ich kann nicht.

FREMDER. Sie können nicht? – Wer darf Ihnen hiebei Gesetze vorschreiben?

ALONZO. Er werde Christ – und sogleich werden sich die Riegel seines Kerkers öffnen. Dies sei der Beweiß seiner Unschuld.

FREMDER. Indem er sich des Verdachtes schuldiger macht? – Wäre Alla-Moddin ein Verräther, schon längst hätte er Ihr Anerbieten angenommen, schon längst hätte er den Schritt gethan, auf den Sie dringen, und wäre längst unsrer Religion wieder untreu geworden.

ALONZO. Er werde Christ.

FREMDER. Der friedliche Alla-Moddin, der mit seiner Gattin und seinem Sohn hieher kam, ein Verräther? – O Sie glauben es selbst nicht, Sie können es nicht glauben; reißen Sie sich von den Ketten los, die Ihre Meinung fesseln, – hören Sie mich, Alonzo!

ALONZO. Er werde Christ.

FREMDER. Sein Sie gerecht! – Es führen mehrere Wege zur Tugend, zum Glück.

ALONZO. Sie sprechen kühn.

FREMDER. Für einen Freund. – Sein Sie gerecht! Kann Ihre Meinung, oder nennen Sie es Religion, nicht auch irren? – Lassen Sie ihm seine Ueberzeugung, die ihn beruhigt, die ihn beglückt, lassen Sie ihn mit dieser leben, und nach seinem Tode selbst dem Rechenschaft geben, der ihn mit diesen Gesinnungen schuf.

ALONZO. Sie setzen mich in Erstaunen.

FREMDER. Sein Sie gerecht! – Ahmen Sie des Allmächtigen Güte nach, dessen Bekenner wir sind, sein Sie gütig, um auch seine Güte zu verdienen. – Er läßt über Suhlu und Manilla regnen, über beide Inseln rollen seine Donner, über beide lächelt sein Sonnenschein. Er straft nicht, warum wollen Sie strafen? – Er erzwingt von keinem Geschöpfe Anbetung und Lob, denn jeder Athemzug der Natur ist sein Lobgesang. – Warum wollen Sie es thun? – Sein Sie nicht grausam, wenn er gütig ist, geben Sie meinen Bitten Gehör –!

ALONZO. Sie – – –

FREMDER. O sprechen Sie es aus das schöne Bekenntniß, das Sie in meinen und den Augen der Welt erheben wird: sprechen Sie die Worte aus: Er sei frei!

ALONZO. Aber – – –

FREMDER. Sprechen Sie es aus, damit ich Ihr Freund sein kann.

ALONZO. Bedenken Sie – –

FREMDER. Er ist frei?

ALONZO. Er – –

SEBASTIANO tritt herein.

Fünfte Scene

VORIGE. SEBASTIANO.

FREMDER. Es war vergebens! –

Pause.

SEBASTIANO sieht wechselweise ALONZO und den FREMDEN an.

FREMDER. Alonzo! – Ist er frei?

SEBASTIANO. Wer?

ALONZO verwirrt. Alla-Moddin.

SEBASTIANO mit einem durchdringenden Blick auf ALONZO. Alla-Moddin?

FREMDER DRINGEND. Ist er frei?

ALONZO, die Augen auf SEBASTIANO gerichtet, verwirrt. – – Nein.

FREMDER. Nein? – Und Ihr Versprechen – er sieht auf SEBASTIANO. O warum mußten wir gestört werden! Ein schönes Mitleid fand Eingang in Ihre Brust, – als –

SEBASTIANO. Ich hinzutrat, und dieses eitle Mitleid verscheuchte. – Alonzo, was wollen Sie thun?

ALONZO. Ich erkenne mein Unrecht, – ich widerrufe mein Versprechen.

FREMDER. Sie wollen also dem Edelmuth nicht den Sieg über Vorurtheile einräumen?

SEBASTIANO. Vorurtheile?

FREMDER. Was anders? – Wie können Sie ein Mitgeschöpf, einen edlen Menschen bloß darum quälen, weil er anders betet als Sie?

SEBASTIANO. Und ein Spanier spricht so in meiner Gegenwart? Fürchten Sie nicht die heilige Inquisition?

FREMDER. Die Wahrheit darf nichts fürchten.

SEBASTIANO. O des unglücklichen Zeitalters, in dem man Irrthum Wahrheit tauft!

FREMDER. Wozu des Streits? – Alonzo, soll ich so ohne Hoffnung von Ihnen gehen?

SEBASTIANO. In seinem Namen darf ich antworten: Ja!

FREMDER. Nun so hab' ich denn alles gethan, was ich konnte; ich gehe, und Sie werden es bereuen, daß Sie mich so haben gehen lassen. – Leben Sie wohl! – Er will gehn.

ALONZO. Wo wollen Sie hin?

FREMDER. Nach Spanien, dort der Regierung Ihre Grausamkeit zu melden.

ALONZO. Nach Spanien?

SEBASTIANO. Der Regierung?

FREMDER. Die Schwachheit eines Mannes anzuzeigen, dem man Manilla vertraute, und die Bosheit eines Priesters, der diese Schwachheit mißbraucht; noch eher, als Sie es glauben, werden Sie den Erfolg meines Unternehmens empfinden.

SEBASTIANO. Wer sind Sie?

FREMDER. Man soll es untersuchen, ob es erlaubt ist, einen König so zu behandeln? – ob es erlaubt ist, unter einem nichtigen Vorwand grausam zu sein.

SEBASTIANO. Bleiben Sie, wer sind Sie?

FREMDER. Der Vertheidiger der Menschheit, Ihr unbekannter doch nicht heimlicher Feind. – Alonzo, leben Sie wohl, und trauen Sie diesem Manne nicht. Er geht ab.

Sechste Scene

ALONZO. SEBASTIANO.

ALONZO sieht dem Fremden verwirrt nach; SEBASTIANO überlegt und sieht ALONZO bedeutend an.

ALONZO. Sebastiano – –

SEBASTIANO. Alonzo – –

ALONZO. Er stürzt...