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Die Gilde der Schwarzen Magier 3 - Die Meisterin - Schicksalhalfte Fantasy mit starker Heldin

Trudi Canavan

 

Verlag Blanvalet, 2009

ISBN 9783641023232 , 704 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR


 

2. Die Befehle des Hohen Lords
Rothen nahm die Tasse mit dampfendem Sumi von dem niedrigen Couchtisch und ging hinüber zum Fenster. Nachdem er die papierbespannte Blende zur Seite geschoben hatte, ließ er den Blick über die Gärten schweifen.
Der Frühling hatte dieses Jahr zeitig Einzug gehalten. An Hecken und Bäumen leuchteten kleine Blüten, und ein von seiner Arbeit begeisterter neuer Gärtner hatte entlang der Wege Rabatten mit leuchtend bunten Blumen angelegt. Obwohl der Morgen noch jung war, spazierten bereits Magier und Novizen durch die Blütenpracht.
Rothen hob die Tasse an die Lippen und nahm einen kleinen Schluck. Der Sumi war frisch und bitter. Seine Gedanken wanderten zum Vorabend zurück, und unwillkürlich verzog er das Gesicht. Einmal in der Woche war er zum Abendessen bei seinem väterlichen Freund Lord Yaldin und dessen Frau, Ezrille, zu Gast. Yaldin war ein Freund von Rothens inzwischen verstorbenem Mentor, Lord Margen, gewesen und betrachtete es immer noch als seine Pflicht, ein Auge auf Rothen zu haben – und just aus diesem Grunde hatte sich Yaldin während der gestrigen Mahlzeit bemüßigt gefühlt, Rothen nahe zu legen, sich keine Sorgen mehr um Sonea zu machen.
»Ich weiß, dass du sie immer noch beobachtest«, hatte der alte Magier gesagt.
Rothen hatte die Achseln gezuckt. »Ich mache mir Sorgen um sie.«
Yaldin schnaubte leise. »Sie ist der Schützling des Hohen Lords. Sie ist nicht länger darauf angewiesen, dass du dich um ihr Wohlergehen sorgst.«
»Das ist sie durchaus«, hatte Rothen erwidert. »Glaubst du, der Hohe Lord gäbe etwas darum, ob sie glücklich ist oder nicht? Er ist lediglich an ihren akademischen Fortschritten interessiert. Aber das Leben besteht nicht nur aus Magie.«
Ezrille lächelte traurig. »Natürlich tut es das nicht, aber...« Sie zögerte und seufzte dann. »Sonea hat, seit der Hohe Lord sich zu ihrem Mentor erklärt hat, kaum noch ein Wort mit dir gesprochen. Glaubst du nicht, sie hätte dich inzwischen einmal besucht, falls sie dich brauchte? Sie ist jetzt bereits über ein Jahr bei ihm. Ganz gleich, wie sehr ihre Studien sie in Anspruch nehmen, sie hätte gewiss die Zeit finden können, dich einmal zu treffen.«
Rothen war unwillkürlich zusammengezuckt. Die mitleidigen Mienen des Ehepaares sprachen eine deutliche Sprache; sie hatten seine Reaktion bemerkt und mussten nun glauben, er sei verletzt, weil Sonea ihn so offensichtlich fallen gelassen hatte.
»Es geht ihr wirklich gut«, hatte Yaldin sanft gesagt. »Und dieser Unfug mit den anderen Novizen ist lange vorbei. Kümmere dich nicht weiter darum, Rothen.«
Rothen hatte Zustimmung geheuchelt. Er konnte seinen Freunden die wahren Gründe dafür, dass er Sonea beobachtete, nicht nennen. Wenn er es täte, würde er mehr als nur Soneas Leben gefährden. Selbst wenn Yaldin und Ezrille sich zum Schweigen verpflichten würden, um Sonea zu schützen – Akkarin hatte befohlen, dass es niemand anders wissen dürfe. Einen Verstoß gegen diesen »Befehl« könnte Akkarin als Vorwand benutzen, um... ja, um was zu tun? Um sich die Gilde mit schwarzer Magie gefügig zu machen? Er war bereits der Hohe Lord. Was sonst sollte er noch wollen?
Vielleicht noch mehr Macht. Vielleicht die Regierungsgewalt, die jetzt dem König zukam. Die Herrschaft über die verbündeten Länder. Die Freiheit, nach Belieben mittels schwarzer Magie seine Kräfte weiter anwachsen zu lassen, bis er mächtiger war als jeder Magier vor ihm.
Aber wenn Akkarin etwas Derartiges hätte tun wollen, dann hätte er es bestimmt schon vor langer Zeit getan. Rothen musste zähneknirschend anerkennen, dass Akkarin seines Wissens nichts unternommen hatte, um Sonea irgendwie zu schaden. Er hatte sie nur ein einziges Mal in Gesellschaft ihres Mentors gesehen, und zwar am Tag der Herausforderung, des großen Kampfes in der Arena.
Yaldin und Ezrille hatten das Thema schließlich fallen lassen. »Wenigstens nimmst du jetzt kein Nemmin mehr«, hatte Ezrille noch gemurmelt, bevor sie sich nach Dorrien, Rothens Sohn, erkundigt hatte.
Bei der Erinnerung daran verspürte Rothen leichte Verärgerung. Er blickte zu Tania, seiner Dienerin, hinüber. Sie war gerade dabei, mit einem Tuch sorgfältig seine Bücherregale abzustauben.
Tania hatte Ezrille und Yaldin aus Sorge um seine Gesundheit erzählt, dass er ein Schlafmittel nahm. Obwohl er wusste, dass er sich normalerweise vollkommen auf die Verschwiegenheit seiner Dienerin verlassen konnte, stieg ein leiser Groll in ihm auf. Aber wie konnte er ihr diese Indiskretion verübeln, da sie doch bereitwillig für ihn die Spionin spielte? Da Tania mit Soneas Dienerin, Viola, befreundet war, konnte sie ihn auf diese Weise über Soneas Gesundheitszustand, ihre Stimmungen und gelegentliche Besuche bei ihrer Tante und ihrem Onkel in den Hüttenvierteln auf dem Laufenden halten.
Dannyl hätte sich über all diese »Spionage« amüsiert. Bei einem weiteren Schluck Sumi dachte Rothen darüber nach, was er über die Aktivitäten seines Freundes im letzten Jahr wusste. Aus Dannyls Briefen ging hervor, dass er sich mit seinem Assistenten, Tayend, eng angefreundet hatte. Die Spekulationen über Tayends sexuelle Neigungen hatten nur wenige Wochen angehalten. Jeder in der Gilde wusste, dass die Elyner zu maßlosem Klatsch und Tratsch neigten, und es gab nur einen einzigen Grund, warum die angebliche Vorliebe Tayends für Liebhaber männlichen Geschlechts bei den Magiern der Gilde überhaupt Aufmerksamkeit gefunden hatte: Dannyl war in seiner Jugend einmal eines ungehörigen Interesses an Männern beschuldigt worden, aber der Vorwurf hatte nie bewiesen werden können. Solange keine neuen Gerüchte über Dannyl oder dessen Assistenten Kyralia erreichten, würde kaum ein Magier einen weiteren Gedanken an das Freundespaar verschwenden.
Mehr Sorgen bereiteten Rothen die Nachforschungen, die anzustellen er Dannyl gebeten hatte. Die Frage, wann Akkarin wohl Gelegenheit gehabt hatte, sich mit schwarzer Magie vertraut zu machen, hatte Rothens Aufmerksamkeit auf die Reise gelenkt, die Akkarin vor vielen Jahren unternommen hatte, um alte Magie zu erforschen. Es schien gut möglich zu sein, dass Akkarin während jener Zeit die verbotene Kunst entdeckt hatte. Und die gleichen Quellen, aus denen er geschöpft hatte, mochten auch Informationen darüber enthalten, welche Schwäche der schwarzen Magie anhaftete und wie man eine solche Schwäche ausnutzen konnte. Deswegen hatte Rothen Dannyl gebeten, für ein »Buch«, das er angeblich schreiben wolle, den Spuren alter Magie nachzugehen.
Unglücklicherweise hatte Dannyl allerdings wenig Brauchbares zutage gefördert. Als er vor über einem Jahr unangemeldet nach Kyralia und in die Gilde zurückgekehrt war, um Akkarin Bericht zu erstatten, hatte Rothen befürchten müssen, sein Plan könne entdeckt worden sein. Dannyl hatte Rothen allerdings nach seinem Treffen mit Akkarin versichert, dass er diesem gesagt habe, er hätte die Nachforschungen aus eigenem Interesse angestellt – und zu Rothens großer Überraschung hatte Akkarin Dannyl ermutigt, damit fortzufahren. Dannyl schickte immer noch alle paar Monate Forschungsberichte, aber mit jedem Mal fielen seine Sendungen kleiner aus. Sein Freund hatte sich enttäuscht gezeigt, dass er bereits alle Quellen, die es in Elyne zur alten Magie gab, ausgeschöpft habe. Trotzdem konnte Rothen, wenn er daran dachte, wie zurückhaltend und ausweichend Dannyl ihm gegenüber bei seinem kurzen Besuch in der Gilde gewesen war, die Frage nicht ganz beiseite schieben, ob sein Freund nicht möglicherweise etwas für sich behielt. Außerdem hatte Dannyl damals erwähnt, dass er einige Dinge mit dem Hohen Lord vertraulich besprochen habe.
Rothen stellte seine leere Tasse zurück auf den niedrigen Tisch. Dannyl war jetzt Botschafter der Gilde, und als solcher wurden ihm auch Informationen anvertraut, die er nicht mit gewöhnlichen Magiern teilen durfte. Bei den vertraulichen Dingen konnte es sich durchaus um etwas Politisches gehandelt haben.
Dennoch konnte er der Sorge nicht ganz Herr werden, dass Dannyl, ohne es zu wissen, Werkzeug irgendeines finsteren, entsetzlichen Plans Akkarins war.
Wie dem auch sein mochte, er war dagegen machtlos. Er konnte nur auf Dannyl, dessen Verstand und Urteilsvermögen vertrauen. Sein Freund würde nicht blindlings jedem Befehl folgen, vor allem dann nicht, wenn er etwas Fragwürdiges oder Böses würde tun sollen.
 

Jedes Mal, wenn Dannyl die große Bibliothek aufsuchte, erfüllte ihn deren Anblick aufs Neue mit Staunen. In eine hohe Felswand gehauen, waren die übergroßen Türen und Fenster des Bauwerks so gewaltig, dass man sich leicht vorstellen konnte, sie seien von Riesen aus dem Fels geschlagen worden. Die Flure und Räume innerhalb des Gebäudes dagegen entsprachen den Proportionen gewöhnlicher Sterblicher. Als seine Kutsche draußen vor der massiven Tür vorfuhr, öffnete sich in der unteren Ecke derselben eine kleinere Tür, und ein auffällig gekleideter junger Mann trat heraus.
Mit einem warmen Gefühl der Zuneigung stieg Dannyl aus und begrüßte lächelnd seinen Freund und Liebhaber. Tayends Verbeugung ließ Respekt erkennen, aber als er sich wieder aufrichtete, lag ein vertrauliches Grinsen auf seinem Gesicht.
»Du hast eine ganze Weile gebraucht, um herzukommen, Botschafter«, sagte er.
»Gib nicht mir die Schuld. Ihr Elyner hättet Eure Stadt näher an der Bibliothek erbauen sollen.«
»Das ist wirklich eine hervorragende Idee. Ich werde sie dem König unterbreiten, wenn ich das nächste Mal bei Hofe bin.«
»Du bist nie bei...