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Verlobung wider Willen - Regency Roman

Sophia Farago

 

Verlag Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe, 2016

ISBN 9783955307745 , 320 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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4,99 EUR


 

Kapitel 1

Lancroft Abbey, Tunbridge Wells, Kent,
Frühsommer 1813

Lady Penelope Barnett war glücklich. Der Regen der letzten Tage hatte aufgehört, der scharfe, für die Jahreszeit ungewöhnlich kalte Wind hatte sich gelegt. An diesem Vormittag im Mai schien die Sonne bereits seit dem frühen Morgen und beflügelte nicht nur Penelopes eigene Lebensgeister, auch die Schafe hatten sich aus dem engen Unterschlupf begeben und grasten nun friedlich nebeneinander auf der saftigen Wiese. Manche vollführten so fröhliche Luftsprünge, dass sie sie zum Lachen brachten. Wie schön es hier war! Wie friedlich und beschaulich! Penelope seufzte. Wenn es nach ihr gegangen wäre, dann wäre sie für immer auf Lancroft Abbey geblieben, hätte sich tagsüber um die Tiere ihrer Nachbarin Lady Stonesdale gekümmert und die Abende mit Mutter und Cousine Agatha vor dem offenen Kamin verbracht. Natürlich hatte sie insgeheim stets davon geträumt, dass sich eines Tages, wie durch ein Wunder, ein passender Gentleman auf den Landsitz verirren würde, der sie nicht nur lieben, sondern sich auch noch nahtlos in dieses ländliche Idyll einfügen würde. In ihren Träumen hatte ebenjener Gentleman blondes, volles Haar und ein höchst anziehendes Lächeln, genauso wie ein ganz bestimmter Herr, der sich bei ihrem Debüt in London als alles andere denn ein Gentleman entpuppt hatte. Und an den sie keinesfalls mehr denken wollte.

Die Turmuhr von St. George im nahen Benenden schlug zehn Mal und schreckte Penelope aus den Gedanken auf. Um Himmels willen, sie musste umgehend nach Hause! Für elf Uhr hatte sich James Northbrook angesagt. Mutter war sich sicher, dass er heute nur aus einem einzigen Grund vorsprach, nämlich um ihr, ihrer zweitältesten Tochter die eine, die ganz bewusste Frage zu stellen. Und diese Tochter stand da, am Rande der Weide, und hatte wieder einmal die Zeit völlig vergessen. Die Stiefelchen waren voller Lehm, die Haare zerzaust. Ihr schneller Blick streifte die Hände. Die schwarzen Ränder unter den Fingernägeln sahen alles andere als adrett und damenhaft aus.

Penelope schürzte die Röcke und lief zu Morning Glory hinüber, die unter dem großen Eichenbaum friedlich graste. Mit einem geübten Satz war sie im Sattel und ergriff die Zügel. Hoffentlich würde Mama nichts von ihrem verspäteten Nachhausekommen und ihren verschmutzten Kleidern bemerken! Es war Lady Panswick ohnehin ein Dorn im Auge, dass sie sich jeden Tag in den Ställen und auf den Weiden herumtrieb, wie sie es nannte. Nicht, dass sich Mama eine eitle Tochter gewünscht hätte, deren einzige Interessen schöne Kleider und Tand gewesen wären. Und wegen der sie sich mehrmals die Woche der mühevollen Aufgabe hätte unterziehen müssen, sie als Anstandsdame auf Bälle und Musikabende in Tunbridge Wells zu begleiten. Nein, sie war froh, dass Penelope keinen großen Wert auf gesellschaftliche Veranstaltungen legte. Doch sie hätte sich sicher gewünscht, ihre Zweitälteste würde sich mehr für Haushaltsführung interessieren und endlich die Kissenüberzüge besticken, die für den Grünen Salon so dringend benötigt wurden. Vor allem aber hätte sie sich gewünscht, sie hätte einen der drei Heiratsanträge angenommen, die ihr schon unterbreitet worden waren.

Während das Pferd eine lange Gerade entlanggaloppierte, korrigierte Penelope ihre Gedanken. Zumindest zwei der Gentlemen wären in Mamas Augen als passende Bewerber durchgegangen. Den dritten, einen gewissen Mr Sherman Stottleby, hatte auch sie einen affektierten Tunichtgut genannt, der nichts anderes konnte, als das Erbe seines Onkels durchzubringen. Penelope hätte, in Erinnerung an diesen Heiratsantrag, beinahe laut losgelacht. Sie musste sich auf die Lippen beißen, um es nicht zu tun. Am Wegesrand hatte sie nämlich einen der Pächter von Lancroft Abbey mit seinen zwei Knechten entdeckt, die Bünde mit Reisig geschultert hatten. Sie waren stehen geblieben und zogen zum Zeichen ihrer Ehrerbietung die Filzhüte vom Kopf. Penelope beeilte sich, freundlich zu winken, während sie an ihnen vorbeigaloppierte. Das gelang ihr zum Glück mit äußerster Selbstbeherrschung ganz gut. Die Schwester eines Viscounts, die schallend lachend durch die Gegend ritt, das wäre ein willkommener Anlass für manche Bewohner gewesen, um sich das Maul zu zerreißen.

Doch der Heiratsantrag war wirklich allzu komisch gewesen. Sie hatte Mr Stottleby auf einem Ball in den Assembly Rooms kennengelernt und er war ihr auch bei den nächsten Veranstaltungen nicht von der Seite gewichen. Penelope hatte schon befürchtet, dass er ihr einen Antrag machen würde, und sich den Kopf darüber zerbrochen, wie sie ihn zurückweisen konnte, ohne seinen Gefühlen allzu großen Schaden zuzufügen. Dann hatte der Bedauernswerte allerdings den Fehler begangen, mit seiner Frage völlig unvermittelt herauszuplatzen, als nicht nur sie im Wohnzimmer anwesend gewesen war, sondern auch Mama, Cousine Agatha und ihre kleine Schwester Vivian, die vom Institut für Höhere Töchter ein paar Tage Ferien bekommen hatte. Zuerst hatte sie den Eindruck gehabt, er wäre zu einem ganz normalen Vormittagsbesuch erschienen. Man hatte geplaudert und Höflichkeiten ausgetauscht. Und Vivian hatte sich ganz offensichtlich weder an seiner gepuderten Perücke sattsehen können noch an seinem Dreispitz, den er unablässig in den Händen drehte. Kaum jemand trug in diesen Tagen noch eine Perücke. Das war so altmodisch! Und nur ganz alten Herren und ausgewiesenen Traditionalisten vorbehalten. Und auch der Dreispitz war schon lange durch den Zylinder ersetzt worden. Als Mr Stottleby plötzlich aufgestanden war, um sich vor sie hinzustellen – Gott, war sie überrascht gewesen! Geradezu überwältigt! Noch dazu war seine Perücke verrutscht und bot ein höchst seltsames Bild. Und die Wangen hatten die Farbe der dunkelroten Seide seiner bestickten Weste angenommen. Vivian ließ einen erschreckten Schrei vernehmen, worauf Cousine Agatha zu kichern begann und sie selbst nicht anders konnte, als in dieses Kichern einzustimmen. Obwohl sie sich doch so sehr bemüht hatte, es nicht zu tun. Mutter raunte ihr von der Seite ein strenges „Hör sofort auf!“ zu. Leider bezog Mr Stottleby diese harschen Worte auf sich. Mutter hatte eine laute Stimme, selbst wenn sie zu flüstern glaubte. Er hielt mitten im Satz inne, sah Ihre Ladyschaft mit angstgeweiteten Augen an, stammelte eine Entschuldigung, machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Man hatte den armen Mann seither in Tunbridge Wells nicht wiedergesehen.

 

Penelopes Versuch, ungesehen auf ihr Zimmer zu gelangen, scheiterte kläglich, da ihre Mutter sie bereits in der offenen Wohnzimmertür erwartete. Kritische Augen musterten den lehmbespritzten Rocksaum und die von Matsch völlig durchweichten Stiefelchen mit einem tadelnden Blick.

„Wo bist du gewesen? Und wie siehst du schon wieder aus? Hast du vergessen, was dich heute erwartet?“

Oh nein, Penelope hatte nicht vergessen, dass ihr in Kürze der vierte Heiratsantrag bevorstand. Schließlich hatte ihre Mutter in den letzten Tagen von nichts anderem gesprochen. Heute war Mama, dem hoffnungsfrohen Anlass gemäß, ungewöhnlich elegant gekleidet. Lady Panswick war eine tüchtige, tatkräftige Frau, die ihre korpulente Gestalt gern in praktische, robuste Baumwollkleider steckte, um ihren Pflichten in Haus und Hof besser nachgehen zu können. Wer nicht wusste, dass es sich bei dieser Dame um die verwitwete Viscountess handelte, hätte sie auf den ersten Blick mit einer Pächtersfrau verwechseln können. Allerdings nur so lange, bis er in ihre wachen Augen geblickt und ihre scharfzüngige Sprache erfahren hätte, die sehr viel Klugheit und Menschenkenntnis verriet. Das Kleid, das Mylady heute trug, bestand aus einer tannengrünen Chemise mit gerafftem Halsausschnitt aus Seidencrepe. Dazu trug sie ein Überkleid mit rückwärtigen Kellerfalten aus lindgrünem gestreiften Leinen.

„Mama, du bist so elegant!“, rief Penelope erstaunt, ohne auf die Fragen ihrer Mutter einzugehen. Diese wusste doch auch so, dass sie den Vormittag wieder auf Lady Stonesdales Weide verbracht hatte. Das musste sie ihr nicht auch noch ausdrücklich bestätigen. Und: Wie hätte sie vergessen können, was sie heute erwartete? Wo doch der bevorstehende vierte Heiratsantrag für viele unruhige Nächte gesorgt hatte.

„Ja, natürlich bin ich das“, sagte Ihre Ladyschaft soeben, „und ich bedaure es sagen zu müssen, zum Unterschied zu dir, Penelope. Meine Kleidung entspricht dem Anlass, der vor uns liegt. Mr Northbrook wird sicher bei mir vorsprechen wollen, nachdem er dir seinen Antrag gemacht hat. Da kann ich ihm doch nicht gut in einem fadenscheinigen Tageskleid entgegentreten. Was ist denn mit deinen Fingern?“

Ihre Ladyschaft ergriff die Hände ihrer Tochter und unterzog sie einer kritischen Musterung, während diese wieder einmal feststellte, dass die Hände ihrer Mutter zwar sauberer waren, ihr jedoch an Schwielen und Kratzern an nichts nachstanden.

„Mein Kind, mein Kind!“, sagte Lady Panswick schließlich kopfschüttelnd, „man sollte doch annehmen, du seist ein wenig vernünftiger. Ein junger Mann von heute wünscht sich eine zarte Elfe, die ihn durch Grazie und Eleganz überzeugt. Du bist zwar zweifelsfrei eine Schönheit, doch deine Hände gleichen eher denen eines Bauerntrampels.“

„Aber du hast doch auch …“, versuchte Penelope einen Einwand, wurde aber umgehend zurechtgewiesen.

„Ich bin alt und verwitwet, das ist ganz etwas anderes! Jeder weiß, dass ich nach dem Tod deines Vaters ein Landgut zu leiten habe, bis dein Bruder alt genug ist, um es zu übernehmen. Auch wenn wir, Dank deines Schwagers, jetzt einen tüchtigen...