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KAIJU WINTER - Roman

Jake Bible

 

Verlag Luzifer Verlag, 2017

ISBN 9783958351905 , 336 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR


 

Kapitel 1


»In diesem Anzug wird man ja gekocht«, empört sich Dr. Allison Hartness, als ihr erneut ein Schweißtropfen in die Augen fällt. »Hätte Bartolli nicht Geld für gekühlte Modelle lockermachen können?«

»Hat er ja«, antwortet Dr. Robert Tomlinson, während sich die beiden Vulkanologen ein paar Meilen vom Epizentrum des Yellowstone Vulkankraters entfernt mühsam ihren Weg über die aschebedeckte Erde bahnen. »Aber die hat der alte Bastard natürlich selbst behalten. Als ob der seinen Arsch jemals hierher vor Ort bewegen würde.«

Asche rieselt auf die zwei Wissenschaftler und auf die zehn Zentimeter dicke Schicht nieder, die bereits auf der trockenen, rissigen Erde liegt. Dr. Hartness und Dr. Tomlinson sind hergekommen, um die östlichen Sensoren in Zone Zwei des Supervulkans neu zu kalibrieren. Sie machen sich gerade an die letzten Arbeiten, bevor sie wieder zu den Annehmlichkeiten in Bozeman, Montana, ein paar Meilen entfernt zurückkehren. Da wegen des bevorstehenden Ausbruchs des Yellowstones Supervulkans die gesamte Bevölkerung von Bozeman evakuiert worden ist, halten sich die Annehmlichkeiten momentan allerdings in Grenzen – und sicher ist es nebenbei bemerkt dort auch nicht. Keinem von beiden gefällt es, dass sie sich in ihrem verwaisten Hotel die Handtücher und die frische Bettwäsche selbst holen müssen; insbesondere, da sie die Handtücher und Bettbezüge erst einmal in Plastiktüten wickeln müssen, damit die Asche auf dem Weg durch den überdachten Gang zwischen dem Büro und ihren Zimmern nicht alles sofort verschmutzt.

»Ihr zwei wisst, dass ihr gerade das Funkgerät anhabt, oder?«, fragt Dr. Cheryl Probst vom United States Geological Survey in ihr Ohr.

»Ja, aber wir wissen auch, dass du als Einzige daheim in Virginia mithörst«, antwortet Dr. Hartness. »Bartolli hat schließlich noch kein einziges Mal den Funkverkehr übernommen.«

»Möchtest du das denn?«, meint Dr. Probst lachend. »Ihr macht die Studien vor Ort doch eigentlich nur deshalb, weil ihr dadurch von dem Arsch wegkommen könnt.«

»Sagt die Frau, die ohne Atemgerät schlafen gehen kann«, brummt Dr. Tomlinson. »Willst du vielleicht tauschen? Du kannst mich hier gerne ersetzen. Ich hätte nichts dagegen.«

»Repariert einfach die Messgeräte und seht zu, dass ihr wieder ins Motel zurückkommt«, sagt Dr. Probst. »Danach kannst du dir gerne ein paar Drinks genehmigen und mit dem Wissen einschlafen, dass ihr nur noch zwei Tage mit Reparaturen vor euch habt.«

»Steck dir deine rosige Sicht der Dinge doch einfach in den Arsch, Cheryl«, erwidert Dr. Hartness lachend. »Und was du dir da sonst noch alles reinstecken willst. Tu dir keinen Zwang an.«

»Da ist sie«, sagt Dr. Tomlinson nun und zeigt auf den Deckel einer schwarzen Kiste, die aus der Asche ragt. »Die Letzte. Und danach befolge ich Dr. Probst's Rat und fahre zurück, um mich ordentlich zu besaufen.«

»Von Besaufen habe ich nichts gesagt. Ein paar Drinks sollst du dir genehmigen«, antwortet Dr. Probst.

Die Wissenschaftler knien sich jetzt neben die Kiste und machen sich an die Arbeit. Jeder von ihnen untersucht das Messgerät systematisch. Auf diese Art und Weise überprüfen sie auch die Arbeit des anderen und stellen sicher, dass sie nicht schon bald wieder herkommen und die Sensoren erneut reparieren müssen.

»Das sollte es gewesen sein«, erwidert Dr. Tomlinson. »Funktioniert's?«

»Kleinen Augenblick noch«, antwortet Dr. Probst.

Die beiden Vulkanologen warten ungeduldig, während ihre Kollegin daheim in Reston, Virginia, die an den Hauptsitz des USGS übermittelten Signale und Messwerte überprüft. Dr. Tomlinson sieht währenddessen in den trüben Winterhimmel hoch und ignoriert die kleinen Ascheflocken, die anfangen, seine Gesichtsmaske aus Plastik zu bedecken. Es ist fast schon ein Ding der Unmöglichkeit, die echten Wolken von den endlosen Aschewolken zu unterscheiden, die aus diversen Stellen in der Nähe des Yellowstone Kraters emporsteigen. Der Mann schüttelt den Kopf, sieht dann nach unten und beobachtet, wie die grauen Flocken weich auf der vor ihnen versteckten Erde landen.

»Zeigt es etwas an?«, fragt Dr. Hartness nun.

»Ja, das schon«, antwortet Dr. Probst. »Aber es ergibt keinen Sinn. Ist da vielleicht irgendwo ein Auto in der Nähe?«

»Ein Auto?«, fragt Dr. Hartness verwirrt. »Was ist denn das für eine Frage?«

»Ich bekomme zwar Werte, aber die sind alle gleich und fast rhythmisch«, gibt Dr. Probst zurück. »Darum wollte ich wissen, ob eventuell ein Auto in der Nähe ist. Vielleicht irgendein Hartgesottener, der sich nicht evakuieren lassen wollte und nun dort draußen in seinem aufgemotzten Truck mit aufgedrehter Stereoanlage herumfährt.«

Mühsam dreht sich Dr. Hartness in ihrem Schutzanzug herum, dessen dickes Plastik knittert und sich biegt, zu Dr. Tomlinson um. Der Mann erwidert ihren Blick mit einem Schulterzucken, was in seinem ebenso massiven und unförmigen Anzug allerdings kaum bemerkbar ist.

»Wir haben nichts gesehen«, meint Dr. Hartness. »Das müsste schließlich eine monströse Anlage sein, wenn die Sensoren sie bemerken.«

»Spürt ihr denn irgendwas?«, fragt Dr. Probst. »Denn was auch immer es ist, es sollte ungefähr … hm … auch egal. Jetzt hat's aufgehört!«

»Heißt das, dass wir jetzt gehen können?«, fragt Dr. Tomlinson Allison.

»Ich sage euch gerade, dass die Sensoren eine komische Anomalie aufzeichnen, und du fragst, ob du jetzt gehen kannst?« Dr. Probst lacht spöttisch. »Netter Versuch, Bob.«

»Ich hasse dich, Cheryl«, antwortet Dr. Tomlinson. »Wir werden also alles auseinandernehmen und noch mal ganz von vorne anfangen.«

»Wie schön«, seufzt Dr. Hartness.

Dr. Tomlinson kniet sich wieder neben die Kiste und nimmt sein Werkzeug aus der Tasche. Er öffnet das Messgerät und hält dann mit einer Hand auf dem Boden inne.

»Hey – ich kann tatsächlich was fühlen«, sagt Dr. Tomlinson. »Es wird stärker. Allison, fühl auch mal. Das scheint nicht …«

Dr. Tomlinson wird plötzlich hart zu Boden gerissen und um ihn herum explodiert eine große Aschewolke. Er ist flach auf die Erde gepresst und sein Arm ist außer Sicht, während der Rest von ihm erzittert, als er zu schreien beginnt.

»Bob!«, ruft Dr. Hartness entsetzt und stürzt auf ihn zu. »Bob! Was ist denn passiert?«

»Heilige Scheiße!«, schreit Dr. Tomlinson. »Es hat meinen Arm! ES HAT MEINEN ARM!«

Dann ist der Mann plötzlich wieder frei und rollt hektisch über den Boden. Sein rechter Arm ist abgerissen!
Blut spritzt überallhin und färbt die graue Asche schwarz. Statt weiter auf ihn zuzulaufen, stolpert Dr. Hartness zurück, dreht sich um und übergibt sich geräuschvoll. Das Erbrochene erfüllt ihren Schutzanzug, woraufhin sie sich noch stärker übergeben muss, während ihr Kollege weiterhin schreiend auf dem Boden liegt.

»Allison! Bob!«, ruft Dr. Probst über den Funk. »Was ist denn? Was ist passiert?«

Dr. Hartness reißt sich daraufhin den Kopfschutz ihres Anzugs herunter und zerrt sich das ganze Ding so schnell wie möglich vom Leib. Ihre Brust ist förmlich von ihrem Erbrochenen getränkt. Vor lauter Angst, dass sie nie wieder mit dem Brechen aufhören kann, vermeidet sie es, den keinen Meter entfernten Mann anzusehen, der panisch nach Hilfe schreit. Aber leider tröstet sie das, was sie nun stattdessen sieht, kein bisschen.

»Was zum Teufel …?«, keucht sie, als die Asche sofort beginnt, in ihrer Kehle kleben zu bleiben. Die Erde vor ihr entwickelt plötzlich Risse und reißt auf, und dann schießt etwas Langes und Knallblaues hervor. Es wickelt sich um Dr. Hartness' Körper und zerrt sie in das gerade entstandene Loch und faltet sie praktisch zusammen, damit sie dort hineinpasst. Wie ein kleiner Geysir spritzt nun Blut aus dem Loch. Geysire sind in Yellowstone keine Seltenheit; welche aus menschlichem Blut allerdings schon.

»Bob!«, schreit Dr. Probst. »Sag mir, was bei euch los ist!«

Aber Dr. Tomlinson ist zu sehr mit Schreien beschäftigt, um ihr eine Antwort geben zu können. Und danach ist er zu beschäftigt damit, von demselben langen, knallblauen Ding in das Loch gezerrt zu werden. Seine Schreie verstummen plötzlich, und nur noch das Summen aus Dr. Hartness' Funkkopfhörer ist zu hören. Der leere auf dem Boden liegende Schutzanzug wird langsam von Asche bedeckt.

»Bob! Allison! Redet mit mir!«, ruft Dr. Probst aufgeregt aus dem Kopfhörer. »Hallo? Hallo? Sagt mir, dass alles in Ordnung ist! Lasst mich eure Stimmen hören! Bitte!«

 

***

 

Hank Williams' Lonesome Whistle spielt leise, als das neue Auto in Montana über den mit Asche bedeckten Highway fährt. Special Agent Tobias Linder starrt angestrengt durch die Windschutzscheibe, während winzige Ascheflocken vom Himmel schweben und sich zu der einen Zentimeter hohen Asche gesellen, die in den letzten achtundvierzig Stunden gefallen ist. Er hat mittlerweile den Überblick darüber verloren, wie viel insgesamt auf den Boden liegt. Seine Aufmerksamkeit wandert nun vom Highway 37 zu seinem Armaturenbrett und dem kleinen Gerät, das ihm ständig rote Zahlen anzeigt.

Er seufzt, als die Zahl innerhalb von Sekunden von sechsunddreißig Prozent auf achtunddreißig Prozent steigt. Nach zwei Meilen erreicht die Zahl bereits vierzig Prozent, was bedeutet, dass er sein Ziel wahrscheinlich gerade noch so erreichen wird, bevor er den Luftfilter auswechseln muss. Sonst wird der Automotor unweigerlich an Asche ersticken und zu einem nutzlosen Metallklumpen werden.

Zum siebzehnten Mal an diesem Morgen klingelt sein Handy, aber er ignoriert es. Denn...