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Der blutige Weg

Ben Kane

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2017

ISBN 9783732539703 , 556 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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1. KAPITEL:
ÄGYPTEN


ALEXANDRIA, WINTER 48 V.CHR.

»Beeilung, verdammt!«, rief der Optio und hieb den Legionären in unmittelbarer Nähe mit der flachen Klinge über den Rücken. »Cäsar braucht uns!«

Sein Trupp aus zehn Mann benötigte kaum eine Ermunterung. Ihr nächtlicher Vorposten befand sich auf dem Heptastadion, dem schmalen, künstlichen Fahrdamm, der die Docks mit einer vorgelagerten, langen Insel verband und der den Hafen in zwei Teile schnitt. Mit Wasser zu beiden Seiten bot dies eine isolierte Stellung – kein wünschenswerter Aufenthaltsort, wenn man bedachte, was gerade vor sich ging.

Der gelbe Schein des Pharos, des riesigen Leuchtturms der Stadt, wurde durch die brennenden Schiffe am Kai eindrucksvoll verstärkt. Cäsars Männer hatten das Feuer gelegt, das sich rasch auf den Schiffen ausgebreitet hatte. Jetzt griffen die Flammen auf die nahen Lagerhäuser und Bibliotheksgebäude über und wuchsen zu einer Feuersbrunst an, die die Szenerie taghell erleuchtete. Nachdem sich ihre Trupps, die in die verdunkelten Seitenstraßen zurückgedrängt worden waren, neu gesammelt hatten, kamen die ägyptischen Soldaten wieder zu Tausenden heraus, um sich gegen Cäsars Linien zu werfen. Die Legionäre waren weniger als hundert Schritt vom Heptastadion entfernt, einer Stelle, die wie geschaffen war, um einen Feind aufzuhalten.

Romulus und Tarquinius marschierten bereitwillig an der Seite der Legionäre. Sollte es der brüllenden Masse der ägyptischen Soldaten gelingen, die römischen Reihen zu durchbrechen, würden alle Legionäre den Tod finden. Selbst wenn es die Ägypter anfangs nicht schaffen sollten, war die Wahrscheinlichkeit, das Ganze zu überleben, immer noch gering. Die Legionäre waren ihren Feinden zahlenmäßig weit unterlegen und hatten keinen sicheren Rückzugsweg. Die ganze Stadt wimmelte von feindlich gesinnten Einheimischen, und der Damm führte auf eine Insel, von der es kein Entrinnen gab. Dort lagen nur die römischen Triremen und Liburnen, aber wegen der ausschwärmenden feindlichen Truppen war es nicht möglich, sicher an Bord zu gelangen.

Romulus zog eine Grimasse und warf der Trireme, die gerade entkommen war, einen sehnsüchtigen Blick nach. Das Schiff näherte sich inzwischen der westlichen Hafenausfahrt, mit Fabiola, seiner Schwester, an Bord. Nach beinahe neun Jahren der Trennung hatten sie sich nur Momente zuvor wiederentdeckt. Fabiola war auf dem Weg hinaus zum Meer, in Richtung Sicherheit, und daran vermochte Romulus nichts zu ändern. Merkwürdigerweise war er nicht verzweifelt. Und er wusste den Grund dafür: Allein das Wissen, dass Fabiola noch am Leben war, ließ sein Herz vor unbändiger Freude hüpfen. Mit Mithras’ Hilfe hätte sie ihn hören müssen, als er ihr zurief, er sei in der 28. Legion, und so mochte sie ihn eines Tages wiederfinden. Nach all seinen Gebeten um die lange verloren geglaubte Schwester hatten die Götter ihm endlich eine Antwort gewährt.

Jetzt aber, wie schon so oft, ging es darum, die eigene Haut zu retten.

Nachdem man sie in die Legionen zwangsrekrutiert hatte, waren Tarquinius und er ein Teil von Cäsars kleinem Einsatzkommando in Alexandria geworden: Teil eines Kommandos, das gerade überwältigt zu werden drohte. Romulus konnte jedoch seinem neuen und gefährdeten Rang etwas Trost abgewinnen. Falls das Elysium auf ihn wartete, würde er es weder als Sklave noch als Gladiator betreten. Auch nicht als Söldner oder Gefangener. Romulus straffte die Schultern.

Nein, dachte er grimmig, ich bin ein römischer Legionär. Endlich. Mein Schicksal gehört mir, und Tarquinius wird mich nicht länger kontrollieren. Keine Stunde zuvor hatte ihm sein blonder Freund enthüllt, dass er für den Totschlag verantwortlich gewesen war, der Romulus ursprünglich zur Flucht aus Rom gezwungen hatte. Der Schock hallte immer noch in Romulus nach. Zweifel, Zorn und Kränkung vermischten sich zu einem giftigen Wirbel, der ihm Schwindel verursachte. Doch er schob den Schmerz von sich und begrub ihn für später.

Schwer atmend erreichte die Gruppe die rückwärtigen Linien von Cäsars Aufstellung, die nur aus sechs Reihen bestand. Gebrüllte Befehle, das metallische Aufeinanderprallen der Waffen und die Schreie der Verwundeten waren plötzlich sehr nah. Der Optio besprach sich mit dem nächsten Offizier, einem nervös wirkenden Tesserarius. Sein Helm mit Querbusch und sein Schuppenpanzer ähnelten denen des Optio, und er trug einen langen Stab, der dazu diente, die Legionäre in Reih und Glied zu halten. Während er und andere Unteroffiziere im Hintergrund blieben, um einzelne Soldaten am Ausscheren zu hindern, befanden sich die Centurionen direkt an der Front oder in deren Nähe. In einer derart verzweifelten Schlacht stärkten diese hartgesottenen Veteranen die Zuversicht aller. Schließlich wandte sich der Optio an seine Männer: »Unsere Kohorte steht genau hier.«

»Vertrau nur deinem Glück«, murmelte ein Soldat. »Genau in der Mitte von der verdammten Linie.«

Der Gesichtsausdruck des Optio ließ ein anerkennend dünnes Lächeln erahnen. Genau hier würden sie die meisten Todesopfer zu beklagen haben. »Im Moment habt ihr es noch leicht. Seid dankbar«, sagte er. »Verteilt euch, in Zweierreihen. Verstärkt diese Centurie.«

Mürrisch befolgten die Männer seine Anordnung.

Romulus und Tarquinius fanden sich zusammen mit vier anderen an der Front der zwei schmalen Reihen wieder. Sie protestierten nicht dagegen, denn neue Rekruten hatten halt damit zu rechnen. Romulus war größer als die meisten und konnte über die Köpfe der Männer hinweg sehen, auch vorbei an den steifen Büscheln auf den bronzenen Helmen. Hier und dort ragte eine Centurienstandarte in die Luft, und über der rechten Flanke erhob sich der silberne Adler, der Talisman einer jeden Legion – kein anderes Feldzeichen rief so viele Gefühle in den Soldaten hervor wie der silberne Adler der Legion. Romulus’ Herz raste, als er das bedeutende Symbol Roms erblickte, das ihm in all den Jahren in der Fremde ans Herz gewachsen war. Mehr als alles andere hatte der Adler Romulus geholfen, sich daran zu erinnern, dass er ein Römer war. Gebieterisch, stolz und unnahbar, scherte der Talisman sich nicht um den Rang der Männer; was zählte, waren einzig Tapferkeit und Kühnheit in der Schlacht.

Dahinter jedoch gab es nur ein Meer von hassverzerrten Gesichtern und glänzenden Waffen, das sich in großen, rollenden Wogen auf sie zuwälzte.

»Sie tragen Scuta«, rief Romulus verwirrt. »Sind das Römer?«

»Das war einmal«, spie der Legionär zu seiner Linken. »Aber die Bastarde sind zu Einheimischen geworden.«

»Dann sind das wohl Gabinius’ Männer, würde ich sagen«, bemerkte Tarquinius und bekam ein schroffes Nicken als Antwort. Manche starrten neugierig herüber, besonders diejenigen, die die linke Gesichtshälfte des Haruspex sehen konnten. Einst hatte Vahram, der Primus Pilus der Vergessenen Legion, Tarquinius brutal gefoltert: Zurückgeblieben war auf der Wange eine aufliegende rote Narbe in Form einer Messerklinge.

Dank Tarquinius war Romulus vertraut mit der Geschichte von Ptolemäus XII., dem Vater der jetzigen Herrscher von Ägypten, der mehr als zehn Jahre zuvor abgesetzt worden war. Verzweifelt hatte Ptolemäus sich an Rom gewandt und unglaubliche Goldsummen geboten, damit man ihn wieder auf den Thron beförderte. Schließlich hatte Gabinius, der Prokonsul von Syrien, die Gelegenheit ergriffen. All das hatte sich zu jener Zeit zugetragen, als Romulus, Brennus, sein gallischer Freund, und Tarquinius noch zu Crassus’ Armee gehörten.

»Richtig«, knurrte der Legionär. »Sie sind hiergeblieben, nachdem Gabinius in Ungnade nach Rom zurückkehrte.«

»Wie viele sind übrig geblieben?«, fragte Romulus.

»Ein paar Tausend«, kam die Antwort. »Aber sie bekommen eine Menge Hilfe. Nubische Plänkler und judäische Söldner größtenteils, und kretische Schleuderer und Bogenschützen. Alles zähe Bastarde.«

»Es gibt auch Infanterie«, sagte ein anderer Mann. »Entlaufene Sklaven aus unseren Provinzen.«

Seine Worte lösten ein verärgertes Grollen aus.

Romulus und Tarquinius wechselten Blicke. Es war von allergrößter Wichtigkeit, dass ihr Status, besonders der von Romulus, geheim blieb. Sklaven durften nicht in der regulären Armee kämpfen, das wusste jeder. Den Legionen beizutreten – nichts anderes bedeutete die Zwangsverpflichtung für Romulus faktisch – brachte einem die Todesstrafe ein.

»Diese verräterischen Hurensöhne kommen gegen uns nicht an«, proklamierte der erste Legionär. »Wir werden sie in Grund und Boden rammen.«

Es war genau der richtige Spruch. Auf den zuvor besorgten Gesichtern machte sich ein zufriedenes Grinsen breit.

Romulus hielt sich mit einer Antwort zurück. Die Nachfolger des Spartakus hatten den Legionen schon bei mehr als einer Gelegenheit Niederlagen beschert.

Er selbst konnte es mit drei Durchschnittslegionären gleichzeitig aufnehmen. Hatte er eine neue Heimat zu verteidigen, konnte sich ein ehemaliger Sklave als schwer zu schlagen erweisen. Allerdings war dies weder der richtige Augenblick noch der richtige Ort, um solche Gedanken zur Sprache zu bringen. Aber wann überhaupt?, fragte sich Romulus mit einem Hauch von Bitterkeit. Niemals.

Die Waffen kampfbereit, warteten sie ab, während der Zusammenprall verzweifelter wurde. Schauer von feindlichen Wurfspeeren und Steinen flogen in ihre Reihen, hier und dort wurden Männer niedergemäht. Ohne Schilde blieb Romulus und Tarquinius nichts anderes übrig, als sich zu ducken und zu beten, wenn der Tod über sie hinwegpfiff. Es war...