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Mord in Oxford - Kate Ivorys erster Fall

Veronica Stallwood

 

Verlag Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG, 2016

ISBN 9783732534616 , 336 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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2. Kapitel


Theo hat mich verlassen.«

Roses Worte klangen durch die kühle Morgenluft aus der Jogger-Gruppe, die vor Kate Ivory lief.

»Los, komm«, sagte Kate zu ihrer Begleiterin. »Das muss ich unbedingt hören.« Mit diesen Worten beschleunigte sie deutlich. Camilla kam fast aus der Puste bei dem Versuch, Schritt zu halten.

»... mit dieser schrecklichen Lynda«, war gerade Roses hohe, kindliche Stimme zu vernehmen.

»Mir ist kalt. Lust habe ich auch keine mehr«, meinte Camilla. »Lass uns nach Hause gehen.«

»Ausgeschlossen. Um zehn vor sechs aufzustehen und in die dunkle Kälte rauszugehen ist der schrecklichste Moment des ganzen Tages. Das eigentliche Joggen fällt dann doch ganz leicht. Eigentlich fällt alles leicht, was danach noch kommt. Was ist denn los mit dir heute Morgen?«, fragte Kate etwas abgehackt, wie immer, wenn sie sich warm lief. »Normalerweise bin ich doch diejenige, die morgens schlecht gelaunt ist. Im Grunde erwarte ich von dir, aufgeheitert und im Trott gehalten zu werden.« Camilla war Schulleiterin und musste schließlich wissen, wie man Menschen bei Laune hielt.

Schemenhaft tauchten Bäume und Häuser aus dem langsam heraufdämmernden Morgenlicht auf. Wasser plätscherte über den Sportplatz, und Kate konnte eine Möwe erkennen, die sich wie ein weißer Schatten auf einem Torpfosten niederließ. Ein paar Stockenten dümpelten in einer riesigen Lache an der Stelle, wo an Halloween das große Feuer gebrannt hatte.

»Wir haben acht Kilometer vor uns, prall gefüllt mit Roses Beschwerden über Theo«, sagte Camilla. »Ich habe nicht die geringste Lust, mir das anzuhören. Ich würde sogar eine Diskussion über die Nützlichkeit von Prüfungen oder die Aussichten der Zentrumspartei bei den nächsten Wahlen vorziehen.« Sie wurde langsamer, bis Roses Stimme nicht mehr zu verstehen war. »Ich habe mir oft gewünscht, Rose würde ihre Stricknadeln nehmen und den Mann einfach sitzen lassen. Jetzt hat er sie also verlassen. Gut für sie. Aber die Details interessieren mich wirklich nicht.«

Allmählich erwachten die Fenster ringsumher. Eines nach dem anderen leuchtete gelblich auf. Die Menschen standen auf. Sie knipsten Licht an, gähnten, äugten in den stürmischen Morgen hinaus und versuchten einzuschätzen, was der Tag bringen würde. Kate wünschte sich nichts sehnlicher, als drinnen im Warmen zu sein, aber weil das nun mal nicht ging, wollte sie wenigstens den ganzen Klatsch und Tratsch der Jogging-Gruppe von Fridesley aus erster Hand mitbekommen. Normalerweise hatte Camilla genauso viel Spaß daran, intimen Bekenntnissen aus dem Privatleben der anderen Jogger zu lauschen. Körperliche Anstrengung schien etwas Befreiendes an sich zu haben, das Menschen dazu brachte, während des Rennens über ihre Sorgen und Nöte zu sprechen.

Der breite reflektierende Streifen, der Camillas dunkelgrün eingehüllten Oberkörper wie ein Rettungsring umgab, bewegte sich gleichmäßig im Rhythmus ihrer Füße auf und ab. Camilla trug kein Wort zur Unterhaltung bei, und Kate musste sich eingestehen, dass Camilla eine Ausnahme bei der allgemeinen Seelenentrümpelung bildete.

Langsam wurden Kates Muskeln warm. Sauerstoff durchflutete Gehirn und Füße. Sie fühlte sich immer besser. Zwar wünschte sie immer noch, sie könnte in Richtung ihres gemütlichen Hauses abbiegen und das Paket mit den zimtbestäubten Doughnuts anbrechen, das sie eigentlich am Vortag nicht hätte kaufen dürfen und deshalb ganz hinten im Schrank versteckt hatte. Aber sie wollte auch wirklich gern mehr über Rose und Theo erfahren. Das war wohl ihrer schriftstellerischen Neugier zu verdanken, sagte sie sich.

Die ersten Pendler machten sich auf den Weg in die Innenstadt von Oxford. Ihre Autos wirkten in der trüben Morgendämmerung wie dunkelgraue Schemen, deren Abblendlichter goldene Kegel in den Dunst zauberten.

»Wir müssen verrückt sein. Da stehen wir zu einer absolut unchristlichen Zeit auf, nur um die anderen nicht hängen zu lassen«, sagte Camilla. »Wenn wir dann draußen sind und laufen, überkommt uns dieses warme, kameradschaftliche Gefühl für Leute, mit denen wir doch eigentlich gar nichts zu tun haben, und plötzlich bekommen wir den Eindruck, sie seien unsere ältesten und besten Freunde.«

»Wir sind eine tolle Truppe, findet ihr nicht?« Gavins bommelbemützter Kopf tauchte neben Camilla aus der Dämmerung auf. »Ich verdanke meine sämtlichen Rennerfolge dem Lauftreff Fridesley.«

»Erfolge?«, brummte Camilla. »Was für Erfolge?«

»Nun, ich plane, dieses Jahr am New-York-Marathon teilzunehmen«, antwortete Gavin. Er klang beleidigt.

»Ist das nicht erst im November?«, fragte Kate. Sie spürte die Sockennaht, die unangenehm an ihrem kleinen Zeh scheuerte, und war froh, dass sie nicht noch 40 Kilometer vor sich hatte wie bei einem Marathonlauf.

»Ich brauche Zeit für das Vorbereitungs-Training. Ganz zu schweigen von der Planung.« Und als wäre ihm der Gedanke gerade erst gekommen, fügte er hinzu: »Außerdem muss ich natürlich auch für die Reise sparen.«

»Mir ist schlecht«, sagte Camilla. »Ich will heim.«

»Wie viele Biskuits hast du heute Morgen vor dem Laufen wieder gegessen?«, fragte Kate unfreundlich.

»Nur ein paar. Und einen Haferkeks. Mit Marmelade drauf.«

»Du weißt doch ganz genau, dass einem übel wird, wenn man vor dem Joggen isst. Warum tust du es also?«

»Weil ich Hunger habe. Außerdem trinkst du Kaffee«, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.

»Mit entrahmter Milch. Das zählt nicht. Du solltest dir die Biskuits verkneifen und dich auf dein Frühstück nach dem Rennen freuen wie wir anderen auch.«

Gavin beschleunigte mit großen Schritten, als wolle er demonstrieren, dass er längst fit genug war für einen Marathon. Er überholte Sophie und Yvonne, Rose und Penny und gesellte sich zu Barbara Davies, die an der Spitze der Gruppe trabte.

Wieder war Roses Stimme zu vernehmen, aber so sehr sich Kate auch anstrengte, sie verstand nicht ein einziges Wort. Sie beschloss, Camilla sich selbst zu überlassen und sich darauf zu konzentrieren, Rose einzuholen. Gleich würden sie die Fridesley Road überqueren und nach links auf den schmalen Treidelpfad abbiegen, auf dem sie nicht mehr nebeneinander laufen konnten. Sie musste sich also eilen, näher an Rose und Penny Dale mit ihrer herrisch kommentierenden Stimme heranzukommen, sonst würde es zu auffällig aussehen. Tapfer ignorierte sie ihre schmerzhaft protestierenden Kniegelenke und zwang ihre Beine in einen schnelleren Takt. Sie zog gleich mit Sophie Baight, deren Schuhe derb auf den Asphalt klatschten. Ihr Schritt ist nicht elastisch genug, dachte sie. Sophie trug dunkelgraue, feste Joggingschuhe mit vielen Polstern und einer soliden Sohle. Sie sahen aus, als würden sie ein Vielfaches der bunten Laufschuhe wiegen, die von den meisten Frauen der Gruppe bevorzugt wurden, aber vielleicht täuschte dieser Eindruck. Der graue Trainingsanzug war zwar farblich abgestimmt, ließ Sophies Beine jedoch wie dick isolierte Rohre wirken, die oben in feuerroten Satinshorts steckten. Wie üblich lief Sophie dicht neben ihrer Mutter Yvonne.

»Es ist viel zu kalt zum Joggen«, nörgelte Sophie. »Ich hätte zu Hause bleiben und mich stattdessen eine halbe Stunde an das Rudergerät setzen sollen. Mir fallen gleich die Ohren ab.«

»Hier, Schatz«, sagte Yvonne, »nimm das!« Mit diesen Worten kramte sie eine handgestrickte, gelb-braune Mütze mit einem dicken Bommel aus ihrer Jacke und hielt sie ihrer Tochter hin. »Die hat mir die gute alte Mrs. Exeter gestrickt. Zum Dank für eine nicht mehr klappernde Zahnprothese. Nett, nicht?«

Na ja, vielleicht nicht ganz so nett, dachte Kate. Vielleicht hoffte die alte Dame, dass du sie tatsächlich trägst, liebste Yvonne, und endlich nicht mehr so unerträglich perfekt aussiehst. Die Mütze wirkte wie eine Karikatur der Kreationen von Rose. Sie war mit gelben Punkten verziert, die auf fäkalbraunem Untergrund eine entfernte Ähnlichkeit mit Blumen aufwiesen. Sophie setzte die Mütze auf und zog sie tief in die Stirn. Jetzt sah sie aus wie einer der sieben Zwerge.

»Niedlich, Schatz«, sagte Yvonne. »Sie steht dir. Es ist wirklich gesünder für dich, in der frischen Luft zu laufen, als immer nur an deinen Maschinen zu trainieren.«

Kate beschlich das ungute Gefühl, dass es Yvonne gefiel, Sophie zur Witzblattfigur zu erniedrigen.

Yvonne selbst schwebte geradezu mühelos voran. Sie atmete ruhig und leise. Ihre Beine steckten in strahlend buttergelben Leggins aus Lycra. Der teure Schnitt ihres dunklen Haars sah aus, als wäre die Frisur genau so gedacht gewesen, wie sie jetzt lag: kunstvoll mit Perlen aus Morgentau geschmückt.

»Sophie hat gerade wieder einen wundervollen neuen Apparat bekommen, der ihr hilft, fit und schlank zu werden. Nicht wahr, mein Schatz? Erzähl Kate doch davon, Sophie.«

Sophie starrte grimmig vor sich hin und blieb stumm.

»Er besteht aus einer Menge Federn und Drähten«, erklärte Yvonne. »Ich bin sicher, er wird ihrer Figur gut tun. Irgendwann jedenfalls.«

»Hör endlich auf damit«, stieß Sophie hervor.

»Ach was, Schätzchen! Ich mache doch nur Spaß«, erklärte Yvonne.

Sophies Füße setzten ihr schwerfälliges Klatschen fort. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt, die sie sehr hoch schwang. Bei jedem Tritt stieß sie sich fast selbst vors Kinn. Kate strengte sich an, noch schneller zu werden. Camilla trabte getreulich an ihrer Seite, obwohl sie schwer schnaufte.

»Warum wohnen die beiden wohl immer noch zusammen?«, flüsterte Kate Camilla zu. »Sophie geht...