dummies
 

Suchen und Finden

Titel

Autor/Verlag

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Das Leuchten der Magie - Roman

Peter V. Brett

 

Verlag Heyne, 2017

ISBN 9783641140779 , 656 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

13,99 EUR


 

PROLOG

Kerkermeister

334 NR

Es wird einen Schwarm geben.«

Alagai Ka, der Königliche Gemahl der Dämonen, sprach durch den Mund der menschlichen Drohne, die sie Shanjat nannten. Der Gemahl lag gefesselt in einem Kreis aus magischer Energie, doch er hatte eines der Schlösser, die ihn festhielten, zerschmettert und die Drohne gefangen genommen, ehe seine Bewacher dies verhindern konnten.

Shanjats Wille war gebrochen, und nun war er kaum mehr als eine Marionette. Der Gemahl ergötzte sich an den Qualen, die sein hilfloser Zustand seinen Kerkermeistern bereitete. Er bewegte die Füße der Drohne, um sich ein Gefühl für deren Körper zu verschaffen. Sie war nicht so nützlich wie ein Mimikrydämon, aber sie war stark, trug die primitiven Waffen des Oberflächenviehs, und seine Häscher waren durch Emotionen mit ihr verbunden. Diesen Umstand konnte der Gemahl für seine Zwecke nutzen.

»Was zum Horc hat das zu bedeuten?«, fragte der Entdecker. Der, den die anderen Arlen oder Par’chin nannten. Er hatte Einfluss auf die anderen, wenngleich er sie nicht wirklich beherrschte.

Der Gemahl drang in den Hirnbereich der Drohne ein, in dem sich die Sprache bildete, denn so konnte er sich flüssiger in den armseligen Grunzlauten äußern, mit denen sich die Menschen behelfsmäßig verständigten.

»Die Königin wird bald ihre Eier ablegen.«

Der Entdecker blickte der Drohne in die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Bannsiegel, die in seine Haut eintätowiert waren, pulsierten vor Energie. »Das weiß ich. Aber was hat das mit einem Schwarm zu tun?«

»Ihr habt mich eingekerkert und meine stärksten Brüder getötet«, sagte der Gemahl. »Im Seelenhof gibt es keine mehr, die mächtig genug sind, um die jungen Königinnen daran zu hindern, ihrer Mutter die Magie abzusaugen und auszureifen.«

Der Entdecker zuckte mit den Schultern. »Die Königinnen werden sich gegenseitig umbringen, nicht wahr? Gleich in der Brutkammer, und die stärkste übernimmt dann den Stock. Besser eine frisch geschlüpfte Königin als eine voll entwickelte.«

Der Gemahl richtete den Blick der Drohne weiterhin auf den Entdecker, während er mit seinen eigenen Augen die Auren der übrigen Anwesenden beobachtete.

Ausgestattet mit dem Umhang, dem Speer und der Krone des Seelentöters war der Erbe – den sie Jardir nannten – bei Weitem der gefährlichste Gegner. Solange der Gemahl in einem Bannzirkel gefangen war, konnte er sich kaum wehren, wenn der Erbe beschloss, ihn zu töten. Und dass er Shanjat zu seinem willenlosen Untertan gemacht hatte, erzürnte den Erben über alle Maßen.

Aber die Aura des Erben verriet ihn. Sosehr er auch den Gemahl vernichten wollte, er sah ein, dass er ihn lebend brauchte.

Noch interessanter war das Netz aus Gefühlen, das den Erben mit dem Entdecker verband. Liebe und Hass, Rivalität und Respekt. Wut. Schuldgefühle. Eine berauschende Mischung, die der Gemahl mit Vergnügen studierte. Der Erbe war ungeduldig, er lechzte nach Informationen. Vieles hatte der Entdecker ihm verschwiegen, und Verärgerung flackerte an den Rändern seiner Aura, weil es ihm nicht passte, dass er sich den Anweisungen eines anderen fügen musste.

Weniger leicht zu durchschauen war die Jägerin, die von den anderen Renna genannt wurde. Das jähzornige Weibchen brannte vor gestohlener Horcmagie, die Haut war bedeckt mit Siegeln der Kraft. Die Jägerin war jedoch nicht besonders geschickt darin, diese Kraft einzusetzen. Wenn man sie nicht in Schach hielt, schlug sie blindwütig zu. Mit der Waffe in der Hand nahm sie eine geduckte Haltung ein, zum Sprung bereit, sollte die Situation dies erfordern.

Dann war da noch die weibliche Drohne, Shanvah. Wie die Marionette verfügte auch sie nur über schwache Magie. Hätte sie den Dämonenprinzen nicht mit ihren Waffen getötet, hätte der Gemahl sie als unbedeutend abgetan.

Doch obwohl Shanvah von all seinen Bewachern das schwächste Glied war, besaß sie eine köstliche Aura. Die Marionette war ihr Erzeuger. Ihr starker Wille sorgte dafür, dass ihre Aura an der Oberfläche ruhig blieb, aber darunter litt ihr Geist Qualen. Der Gemahl würde sich an diesen schmerzvollen Erinnerungen laben, wenn er ihren Schädel öffnete und in das saftige Fleisch ihres Hirns hineinbiss.

Indem er die Marionette lachen ließ, lenkte der Gemahl die Aufmerksamkeit der Menschen auf die Drohne anstatt auf sich. »Die jungen Königinnen werden keine Gelegenheit zum Kämpfen erhalten. Da keiner meiner Brüder stark genug ist, um die anderen zu dominieren, wird jede ein Ei stehlen und damit fliehen.«

Der Entdecker stutzte, als ihm die Erkenntnis dämmerte. »Und überall in Thesa werden sie neue Nester gründen.«

»Zweifelsohne hat das Ganze bereits begonnen.« Er sorgte dafür, dass die Marionette ihren Speer schwenkte, und wie er es sich gedacht hatte, folgten die Blicke der Menschen den Bewegungen. »Wenn ihr mich hier behaltet, besiegelt ihr den Untergang eurer eigenen Art.«

Behutsam bewegte der Gemahl seine Ketten und suchte nach einer Schwachstelle. Die in das Metall eingeritzten Siegel brannten und sogen an seiner Magie, doch der Gemahl behielt seine Macht fest unter Kontrolle. Eines der Schlösser hatte er bereits zerbrochen und eine Gliedmaße befreit. Wenn er es schaffte, ein zweites zu sprengen, konnte die Marionette den Bannzirkel vielleicht so weit außer Kraft setzen, dass dem Gemahl die Flucht gelang.

»Wie viele Seelendämonen gibt es noch im Stock?«, wollte der Entdecker wissen. »Bis jetzt haben wir sieben von ihnen getötet, dich nicht eingerechnet. Schätze, das ist so gut wie nichts.«

»Im Stock?«, entgegnete der Gemahl. »Dort befindet sich kein einziger Seelendämon mehr. Bestimmt haben sie die Brutstätten mittlerweile unter sich aufgeteilt und trachten danach, ihre neuen Reviere zu befrieden, bevor die Eiablage beginnt.«

»Brutstätten?«, fragte die Jägerin.

Die Marionette lächelte. »Die Bewohner eurer Freien Städte werden bald feststellen, dass ihre Mauern und Siegel weniger Sicherheit bieten, als man sie glauben gemacht hat.«

»Kühn gesprochen, Alagai Ka«, sagte der Erbe, »für einen, der gefesselt vor uns liegt.«

Endlich fand der Gemahl, wonach er gesucht hatte. Die winzige Schwachstelle in einem der Schlösser, die während seiner monatelangen Gefangenschaft entstanden war. Wenn der Gemahl das Schloss sprengte, konnte er die Kette abstreifen, doch die dazu erforderliche Energie würde so hell strahlen, dass seine Bewacher es bemerken mussten, ehe er damit fertig war.

»Eigens zu diesem Zweck hat man euch erlaubt, eure Brutstätten anzulegen.« Die Marionette trat einen Schritt zur Seite, und alle Blicke folgten ihr. »Jagdvorräte für meine Brüder. Sie werden ihre Drohnen nehmen und eure Wände aufbrechen wie Eierschalen. Dann füllen sie ihre Speisekammern, um den Hunger ihrer frisch geschlüpften Königinnen zu stillen.«

»In deren Leibern Alas Verdammnis heranwächst«, sagte der Erbe. »Das dürfen wir nicht zulassen.«

»Gebt mir die Freiheit«, sagte der Gemahl.

»Niemals«, knurrte der Entdecker.

»Etwas anderes bleibt euch gar nicht übrig«, sagte der Gemahl. »Nur meine Rückkehr kann einen Schwarm noch verhindern.«

»Du bist der Prinz der Lügen«, sagte der Erbe. »Wir wären dumm, deinen Worten Glauben zu schenken. Es gibt durchaus noch eine andere Möglichkeit. Wir steigen hinunter in den Abgrund und töten endgültig Alagai’ting Ka

»Du behauptest, ihr wäret nicht dumm«, sagte der Gemahl. »Und trotzdem glaubt ihr, ihr könntet den Weg in den Stock hinunter überleben? Ihr würdet nicht einmal so weit kommen wie Kavri, ehe er aufgab und an die Oberfläche zurück flüchtete.«

Die Worte erzielten die beabsichtigte Wirkung. Der Erbe erstarrte und festigte seinen Griff um den Speer. »Noch eine Lüge. Kaji hat euch besiegt.«

»Kavri hat viele Drohnen getötet«, sagte der Gemahl. »Viele Prinzen. Es dauerte Jahrhunderte, um den Stock mit neuen Bewohnern aufzufüllen, aber seine Versuche, in unsere Domäne einzudringen, sind gescheitert. Das ist das Beste, worauf euresgleichen hoffen kann. Dies ist nicht der erste Zyklus, und es wird nicht der letzte sein.«

»Du sagtest, du würdest uns in den Horc führen«, sagte der Entdecker.

»Ebenso gut könntet ihr verlangen, die Oberfläche des Tagessterns zu betreten«, sagte der Gemahl. »Ihr würdet vernichtet werden, ohne ihm auch nur nahe zu kommen. Das wisst ihr.«

»Dann führe uns zum Stock«, sagte der...