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Aufwachsen bei Hof - Aufklärung und fürstliche Erziehung in Hessen und Baden

Claudia Kollbach

 

Verlag Campus Verlag, 2009

ISBN 9783593405629 , 428 Seiten

Format PDF, OL

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3. Die Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten durch Lehrer und Erzieher (S. 223-224)

3.1 Vorbemerkung: Die Aufklärungspädagogik und ihre Wurzeln im Adel

Bevor die bei Hof tätigen Lehrer, ihre Erziehungskonzepte und die von ihnen vermittelten Inhalte genauer ins Auge gefasst werden, erscheint eine einleitende Bemerkung zum grundsätzlichen Wesen der Aufklärungspädagogik angebracht. Wie bereits aufgezeigt werden konnte, hinterließen moderne pädagogische Konzepte in verschiedener Hinsicht ihre Spuren auch bei Hof. Der Kulturtransfer zwischen Adel und Bürgertum konnte jedoch auch in umgekehrter Richtung verlaufen, wie anlässlich des Krankenjournals der Markgräfin bereits angedeutet wurde. Eine Vielzahl weiterer reformpädagogischer Ideen weist dabei eine Traditionslinie auf, die auf adlige Erziehungskonzepte zurückführt.

So konstatiert auch Fertig, dass die Aufklärungspädagogik ohne die jahrhundertealte Tradition der Adelserziehung undenkbar sei.3 Die Wurzeln der modernen Pädagogik sind sowohl in der adligen Hofmeisterpädagogik zu suchen als auch in dem spezifisch adligen Ideal des weltgewandten honnête homme, des idealen Hofmannes und Prinzen. Zu diesem Ideal waren im 16. und 17. Jahrhundert zahlreiche Schriften veröffentlicht worden. Maßgeblich hatte Baldassare Castigliones Il libro del cortegiano von 1528 auf die Adelswelt gewirkt, ein Werk, das im 17. Jahrhundert auch in Deutschland zu größerem Einfluss gelangte.

Charakteristisch für diese Schrift war hauptsächlich ihr Bemühen um Abgrenzung vom Bürgertum, ja eine geradezu anti-bürgerliche Tendenz.5 Sie richtete sich bewusst gegen das Bildungsverständnis des Humanismus, setzte sich von der »Schulfuchserei« des Bürgertums ab und betonte demgegenüber die Kenntnis der realen Welt. Im Fokus dieses Erziehungsideals stand nicht nur ein spezifisch höfisches Benehmen, das in besonderem Maße auf Selbstkontrolle beruhte, sondern ebenso ein veränderter Fächerkanon, durch den die Bedeutung der sogenannten Realia unterstrichen wurde. Bereits Erasmus hatte in seinem an den Höfen vielfach rezipierten6 Fürstenspiegel Institutio principis christiani (1515) neben der Religion Fächer vorgesehen wie Ethik, »Politic« und die »Philosophia practica« (Historien, Geographie, Naturkunde und Mathematik). Damit hatte er dem später von Castiglione propagierten Ideal des Hofmannes gewissermaßen den Weg bereitet.

Allerdings verschob sich mit Castigliones Programm nun zusätzlich der Schwerpunkt der zu erlernenden Fremdsprachen: Dieser lag nun auf den modernen Sprachen, die für das Leben bei Hof und in der europaweit vernetzten höfischen Welt als besonders notwendig erachtet wurden. Ihre Auswahl war abhängig von der politischen Ausrichtung des jeweiligen Hofes. Ergänzt wurde das Curriculum durch die adligen Exerzitien Tanzen, Reiten, Fechten und Voltigieren, die der im Adel angestrebten Persönlichkeitsbildung dienen sollten. Deutlich vertreten wurde das Prinzip der Utilitas beispielsweise auch von Leibniz in seinem Fürstenspiegel Projet de l .éducation dfiun Prince (1693).

Durch die Schriften zur Klugheitserziehung unter anderem von Baltasar Gracián, Nicolas Faret und Christian Weise wurde das Ideal des Prinzen und Hofmannes als »Politicus« schließlich zum »Leitbild auch in der außerhöfischen Welt«.9 Für die deutsche Aufklärungspädagogik, die sogenannte philanthropische Pädagogik (vgl. Kapitel 3.2.3), wurde das Kavaliersideal durch Lockes Some Thoughts concerning Education von 1693 wegweisend.10 Locke wandte sich mit seiner Publikation hauptsächlich an die höheren Stände und nahm hier we sentliche Prinzipien der Pädagogik des 18. Jahrhunderts vorweg.

So befürwortete er etwa ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Kindern und Eltern beziehungsweise Erziehern und setzte sich für mehr Emotionalität innerhalb der Erziehung ein.11 Zugleich sollte diese nicht primär dem Erwerb umfassenden Wissens dienen, sondern vor allem der Ausbildung der Vernunft. Neben der Vermittlung guter Manieren und Tugenden wurde von Locke ebenfalls die Unterweisung in brauchbaren, praxisorientierten Inhalten betont.